„Wir sind Papst“: Kamerun. Streiflicht auf Geschichte und Gesellschaft
Ganz Afrika umarmen
- das will Benedikt XVI. während seiner ersten Reise auf den Kontinent. Nicht von
ungefähr, scheint es, betritt er daher in Kamerun erstmals als Papst afrikanischen
Boden. Aus der Hauptstadt Yaoundé berichtet Birgit Pottler.
„Afrique en miniature“,
Land der tausend Dörfer… „In Kamerun sagen wir, Kamerun ist Klein-Afrika“, meint Pater
Bruno Ateba, Regionaloberer der Pallottiner in Kamerun, der ersten katholischen Missionare
vor Ort. „Wir haben Muslime, Christen, Naturreligionen. In Kamerun gibt es Savanne,
Urwald.. in Kamerun ist ganz Afrika.“
Zwar ist Kamerun zu mehr als einem Drittel
vom tropischen Regenwald bedeckt, doch auf dem unregelmäßigen Dreieck zwischen Nigeria,
Tschad, Zentralafrika, Kongo-Brazaville, Gabun und Äquatorial-Guinea gibt es 90 Prozent
der afrikanischen Ökosysteme. 250 Säugetierarten leben hier, 165 von 275 afrikanischen
Reptilienarten und allein 15.000 Schmetterlinge.
Aus dem Portugiesischen Rios
dos Camaroes – Krabbenfluss – kommt der Name; europäische Händler nutzten das Land
am Golf von Guinea im 15. Jahrhundert für ihre Zwecke, für den Handel mit Elfenbein,
Palmöl und Sklaven. Unter Bismarck wurde Kamerun deutsche Kolonie. Doch viele Freunde
fanden die deutschen Politiker und Diplomaten nicht, trotz des Aufbau großer Teile
der Infrastruktur und des Ausbaus der Kakao-, Kaffee- und Bananenplantagen; zu brutal
waren mitunter die Methoden der „Germanisierung“. 1916 mussten die Deutschen abziehen;
ausnahmslos, auch die Missionare und Ordensleute, hier inzwischen heimisch geworden.
Kamerun viel mit der Versailler Vertrag schließlich an Frankreich und England – im
Verhältnis vier zu eins. 1960 wurde Kamerun in die Unabhängigkeit entlassen, 1961
wiedervereinigt.
Pater Bruno Ateba: „Wir sprechen französisch und englisch.
Deswegen kommt der Papst nach Kamerun für ganz Afrika.“ Ungleiches Gewicht und
damit Spannungen zwischen anglophoner und frankophoner Bevölkerung in Kamerun sind
geblieben.
Kirchlich wie politisch wichtig sei das Leitthema des Papstbesuchs:
Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden. Der Pallottinerobere aus dem Süden des Landes,
rund 100 Kilometer von Yaoundé entfernt, setzt einen Schwerpunkt: „Versöhnung ist
ein wichtiges Thema für uns hier in Kamerun. Kamerun hat über 200 Stämme. Wir brauchen
Versöhnung, um miteinander in Frieden zu leben.“
Kamerun ist eines der wenigen
Länder, die nicht auf Lebensmittelhilfen von außen angewiesen sind. Das Land ist reich
an Rohstoffen und „dem Volk geht es gut“, erklären in diesen Tagen vor dem Papstbesuch
Presse und Verwaltungsangestellte Kameruns: „Wir haben keinen Hunger, wir haben Frieden.“
– 1984 war ein Putschversuch gegen Präsidialregime und Einheitspartei blutig niedergeschlagen
worden, nach Zeiten von Generalstreiks und Oppositionsbewegungen gab es erst 1992
die ersten freien Parlamentswahlen. Wahlmanipulation, Gesetzesverstöße und mangelnde
Pressefreiheit werden bis heute kritisiert. Im Jahr 2000 wurden hunderte Menschen
von Sicherheitskommandos, die Banditen in den großen Städten Douala und Yaounde Einhalt
bieten sollten, verhaftet, getötet, in Massengräber verscharrt.
Versöhnung
in der Familie, Versöhnung zwischen Nord und Süd, Versöhnung zwischen Moslems und
Katholiken, Versöhnung zwischen Reich und Arm und unter uns. 200 Stämme, das ist nicht
einfach…“
Mehr als 200 Stämme sagt Pater Ateba, 284 manche Forscher. Kamerun
war einst die Wiege der Bantu-Völker; eine offizielle Zahl der Stämme wurde nie erhoben.
240 sind es aber wohl in jedem Fall, je nach Kategorisierung der Gruppen und Ethnien.
So viele Völker, so viele Sprachen gibt es, neben den offiziellen Amtssprachen Englisch
und Französisch sind Bulu und Ewondo die meist gesprochenen. Beide sind im Süden beheimatet,
Ewondo ist die Sprache der Region Yaoundé. Rund 800.000 Menschen sprechen sie in der
Hauptstadt Kameruns.
Eine Sprache sprechen in diesen Tagen Kirche und Staat.
Militärs sichern schon vor der Ankunft Benedikts alle Ziele. Am Montag zog der Präsident
Kameruns, Paul Biya, von Station zu Station und schaute selbst nach dem Rechten. Die
Regierung habe die komplette Papstreise finanziert, verlautet bei einer Pressekonferenz.
Der Staat habe nicht gezögert, dieses große Ereignis für Kamerun zu unterstützen,
erzählt eine engagierte Katholikin, „vor allem finanziell“. Einige Opfer hätte der
Staat gerne gebracht, „denn auch er weiß“, sagt diese Katholikin, dass nur der Herr
diesem Land Heil schenken könne.
Die zweisprachige Regierungszeitung „Cameroon
Tribune“ hat eine 56-seitige Beilage veröffentlicht (inklusive Fotos vom verschneiten
Marktl am Inn und einem Portrait des Papstbruders), die Bischofskonferenz eine Handreichung
„Der Papst – der Hirte Afrikas“. Katholische wie säkulare Radiosender informieren
rund um die Uhr und von den Titelbildern der Wochenzeitungen grüßt Benedikt XVI. –
oder zumindest der Erzbischof von Yaoundé. Der Kommunikationsminister hatte vor circa
einer Woche angewiesen, so gut wie irgend möglich über Kamerun und die Papstvisite
zu berichten. Die Journalisten sollten ihren „üblichen Masochismus“ zumindest für
kurze Zeit ablegen und Themen außer Acht lassen, die der Glaubwürdigkeit des Klerus
schadeten. „Die Kameruner sagen zur Zeit, wir sind auch Papst…“, schmunzelt Pater
Bruno Ateba.
Das Verhältnis zwischen Staat und Kirche war und ist nicht immer
so scheinbar konfliktfrei wie derzeit – zu eindringlich unter anderem die berichtigte
Kritik aufgrund einer der höchsten Korruptionsraten der Welt. Hauptkritiker des Präsidenten
ist der anglophone Kardinal Christian Tumi von Douala. Er und die katholische Bischofskonferenz
sprachen auch im Jahr 2004 von Wahlmanipulation, Tumi hatte schon vier Jahre zuvor
öffentlich die Hinrichtungen durch die Sicherheitskommandos angeklagt.
Der
Kameruner Regionalobere der ersten Missionare legt den Fokus aber eher auf die Zusammenarbeit
von Kirche und Staat: „Die Kirche aber auch die Regierung ist gegen Korruption.
Viele Minister sind derzeit wegen Korruption im Gefängnis. Beide arbeiten zusammen,
die Regierung unterstützt die katholische Kirche zum Beispiel im Bereich Ausbildung
und Gesundheit. Die Kirche macht viel, aber die Regierung trägt auch ihren Teil bei.“
Am
Donnerstag, noch vor dem Gottesdienst mit der feierlichen Übergabe des Instrumentum
Laboris für die Afrikasynode, trifft Benedikt XVI. 20 Imame aus Kamerun. Rund ein
Fünftel der 17,7 Millionen Kameruner sind Moslems, der größte Teil lebt im armen Norden.
Jahrzehntelange Auseinandersetzungen mit den Christen im reicheren Süden haben ein
Ende.
Pater Ateba: „Gott sei Dank haben wir keine Probleme, aber wir müssen
über die Versöhnung sprechen. Kamerun ist ein friedliches Land, aber wir müssen miteinander
leben, arbeiten, miteinander in Frieden sein…. Der Papst kommt zu uns und wir sagen
nicht nur zu den Katholiken, sondern für unser Land. Die Muslime und die anderen Religionen
sagen ,Willkommen’. Der Papst wird auch uns segnen.“
Dass ein deutscher Papst
hierher kommt, erklärt der Pallottiner auf seine Weise…. „Zwischen Kamerun und
Deutschland besteht eine Liebesgeschichte: Kamerun war deutsche Kolonie, die ersten
katholischen Missionare waren die deutschen Pallottiner. Unser Fußballnationaltrainer
ist auch ein Deutscher. Der Papst kommt zu uns – er ist Papst, aber auch ein Deutscher.
Wir freuen uns darüber…“