Ö: Bischöfe beeindruckt von Papstbrief – „Keine Illusionen“
Die österreichischen Bischöfe sind in den letzten Tagen in Innsbruck zu ihrer Frühjahrsvollversammlung
zusammengetreten. Die Ergebnisse ihrer Beratungen wurden am Freitag vom Wiener Kardinal
Christoph Schönborn vorgestellt. Wir dokumentieren hier die Presse-Erklärungen der
Bischofskonferenz in vollem Wortlaut. Quelle ist die Nachrichtenagentur kathpress.
Lefebvrianer,
Wirtschaftskrise, Religionsunterricht 1. Ein Wort zum Brief
von Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe
Während der Frühjahrskonferenz
der österreichischen Bischöfe traf der Brief des Heiligen Vaters zu den aktuellen
Ereignissen rund um die Aufhebung der Exkommunikation der lefebvrianischen Bischöfe
ein. Da das Schreiben an alle Bischöfe gerichtet ist, wurde es in unserer Versammlung
verlesen: Es hat uns Bischöfe tief bewegt. Dieser Brief ist ein eindrucksvolles Zeugnis
menschlicher und christlicher Größe. Wir empfehlen allen die direkte Lektüre. Es mag
hilfreich sein, auf einige Aspekte ausdrücklich hinzuweisen:
Uns beeindruckt
zuallererst die Offenheit und Sensibilität, mit der der Heilige Vater sowohl seine
wahren Absichten als auch die vermeidbaren "Pannen" und schließlich die entstandenen
Missverständnisse, Verhärtungen und sogar Feindseligkeiten benennt. Diese Haltung
ist uns Vorbild im Umgang mit schwierigen Situationen. Es wird nichts schöngeredet
und gleichzeitig werden die tragenden Absichten seines Handelns sichtbar.
Dieser
Brief gibt tiefen Einblick in die wahren Motive, die Papst Benedikt XVI. bewogen haben,
die Exkommunikation aufzuheben. Es ging um einen "leisen Gestus der Barmherzigkeit"
um "die vier Bischöfe zur Rückkehr einzuladen". Es war "eine für mich nicht vorhersehbare
Panne", dass diese Geste "von dem Fall Williamson überlagert wurde", sagt der Papst
und fügt: "Ich lerne daraus..."
Alle, die in "sprungbereiter Feindseligkeit"
glaubten, dem Papst antijüdische Absichten unterstellen zu können, wird dieser Brief
nachdenklich machen. Uns hat sein persönliches Zeugnis berührt, dass manche jüdische
Freunde "geholfen haben, das Missverständnis schnell aus der Welt zu schaffen und
die Atmosphäre der Freundschaft und des Vertrauens wieder herzustellen".
Klar
und unmissverständlich hält der Heilige Vater gegenüber der "Pius-Bruderschaft" fest,
dass sie "keine kanonische Stellung in der Kirche hat...solange die doktrinellen Fragen
nicht geklärt sind". Die vier Bischöfe üben "keine Ämter rechtmäßig in der Kirche
aus".
Ganz offen stellt Papst Benedikt XVI. die Frage nach dem Sinn der Maßnahme:
"War das wirklich eine Priorität? Gibt es nicht sehr viel Wichtigeres?" Als Antwort
darauf formuliert der Papst erneut die "allererste Priorität" seines Pontifikats:
"Gott gegenwärtig zu machen in dieser Welt und den Menschen den Zugang zu Gott zu
öffnen". Sein Leitwort ist und bleibt ja: "Deus caritas est" – Gott ist Liebe: "Wer
Gott als Liebe bis ans Ende verkündigt, muss das Zeugnis der Liebe geben". War es
von daher gesehen "wirklich verkehrt", auf eine Gemeinschaft zuzugehen, die in Gefahr
ist, sich "in Einseitigkeiten hinein" zu fixieren? Dieses Zugehen des Papstes ist
das Wagnis der Liebe.
Uns hat besonders beeindruckt, was der Papst in diesem
Kontext über den Umgang mit Gruppen in der Gesellschaft gesagt hat, die von Radikalisierungen
bedroht sind: "Muss nicht auch die zivile Gesellschaft versuchen, Radikalisierungen
zuvorzukommen, ihre möglichen Träger – wenn irgend möglich – zurückbinden in die großen
gestaltenden Kräfte des gesellschaftlichen Lebens, um Abkapselungen und all ihre Folgen
zu vermeiden?" Wir hören in dieser Mahnung den Auftrag, gesellschaftlichen Ausgrenzungen
und ihren Gefahren entgegenzuwirken.
Papst Benedikt XVI. macht sich keine Illusionen
über Einseitigkeiten der "Pius-Bruderschaft", wenn er sagt: "Wir haben seit langem
und wieder beim gegebenen Anlass viele Misstöne von Vertretern dieser Gemeinschaft
gehört". Wir Bischöfe sehen es als vorbildlich, dass der Heilige Vater dennoch auf
eine "Öffnung der Herzen" vertraut: "Sollte die Großkirche nicht auch großmütig sein
können im Wissen um den langen Atem, den sie hat?"
Dieser lange Atem heißt
Vertrauen. Vertrauen auf Christus, aus dem das gegenseitige Vertrauen wächst: zwischen
Rom, dem Zentrum der Weltkirche, und den Ortskirchen. Vertrauen auch zwischen den
Vertretern unterschiedlicher Auffassungen über den Weg der Kirche.
Papst Benedikt
XVI. erinnert an "die erste Priorität für den Petrus-Nachfolger": "Du aber stärke
deine Brüder" (Lk 22,32). Die liebevollen, klaren und mutigen Worte des Papstes stärken
uns Bischöfe im Dienst für Einheit und Liebe in der Kirche.
2. Eine Zeit
der Krise
Die weltweite Finanzkrise hat dramatische Auswirkungen auf die
reale Wirtschaft und damit auf die konkreten Lebensbedingungen vieler Menschen. Die
Solidarität der österreichischen Bischöfe gilt in erster Linie den unmittelbar Betroffenen,
deren materielle Lebensgrundlage auf Grund der Krise in Frage gestellt ist. Die Bischöfe
fühlen aber auch mit den vielen Menschen, die in Sorge um ihre Zukunft, die Zukunft
ihrer Familien und die Zukunft unseres Landes sind.
Die Krise spiegelt schwere
moralische und strukturelle Mängel der modernen Gesellschaft. Nach den traumatischen
Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde in Österreich - wie in vielen
anderen europäischen Ländern - auf das Modell der Sozialen Marktwirtschaft gesetzt,
das entscheidend von Überlegungen der katholischen Soziallehre mitgeprägt ist. Dieses
Modell setzt auf ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und Ordnung, von wirtschaftlichem
Erfolg und sozialem Ausgleich. Im Ganzen hat dieses Modell die Lebensbedingungen der
großen Mehrheit der Menschen in unserem Land entscheidend verbessert.
In den
letzten 20 Jahren ist es freilich durch die Existenz der weitgehend unregulierten
Finanzmärkte dazu gekommen, auf Gewinne zu setzen, denen keine entsprechende realwirtschaftliche
Wertschöpfung gegenüberstand. Die Vermehrung des Finanzkapitals nach dem Glücksspielprinzip
wurde zum obersten Wirtschaftsziel erhoben statt die Dienstfunktion des Kapitals für
die Schaffung von Gütern und Dienstleistungen zu sehen.
Jede Krise bedeutet
aber zugleich auch eine Chance. Diese Chance gilt es wahrzunehmen und daran zu erinnern,
dass alles wirtschaftliche Handeln immer im Dienst der Menschen stehen muss. Nicht
der Mensch hat der Wirtschaft zu dienen, sondern die Wirtschaft ist für den Menschen
da.
Gerade in einer Krisenzeit braucht es die Beachtung der Grundprinzipien
der katholischen Soziallehre. Bei diesen Prinzipien geht es insbesondere um die Solidarität
mit den Ärmsten und Schwächsten und um die Orientierung am Gemeinwohl. Es geht aber
auch um den grundlegenden Respekt vor der Würde der Person, um Selbstverantwortung
sowie um einen nachhaltigen Lebensstil, der den ökologischen Grenzen und der Verpflichtung
zur weltweiten Gerechtigkeit Rechnung trägt.
3. Religionsunterricht - Ethikunterricht
Die
Bischöfe haben sich intensiv mit der Frage des konfessionellen Religionsunterrichts
und mit seinen für eine ganzheitliche Bildung unersetzbaren Beiträgen beschäftigt.
In seiner Vielfalt hat der Religionsunterricht integrative Funktion und ist notwendig
für ein angstfreies Miteinander in einer multireligiösen Gesellschaft. Der konfessionelle
Religionsunterricht ist hilfreich, damit die Menschen nicht "Leute von nirgendwoher"
sind, die ihre Wurzeln nicht mehr kennen und im gesellschaftlichen Diskurs über Lebensentwürfe
nicht mehr auskunftsfähig sind. Dieser Unterricht leistet einen unersetzlichen Beitrag
für die individuelle Persönlichkeitsbildung durch die Begegnung mit der großen religiösen
Tradition, die Grundlage für Sinngebung und Wertorientierung ist.
Die Bischöfe
danken ausdrücklich den zahlreichen Religionslehrerinnen und -lehrern für ihren Dienst
und ihr Engagement. Denn es sind diese Lehrerinnen und Lehrer, die Sinn und Wert in
manchmal mühsamem Dialog - und unter Respektierung der Freiheit der Schülerinnen und
Schüler -in das konkrete Leben der jungen Menschen hier und heute buchstabieren.
Dass
dieser Religionsunterricht gut angenommen wird, zeigen die Zahlen: Woche für Woche
besuchen 730.000 Schülerinnen und Schüler allein den katholischen Religionsunterricht
als Pflichtgegenstand -- das sind 95 Prozent aller katholischen Schüler. Zusätzlich
nimmt mehr als ein Viertel aller Schülerinnen und Schüler ohne religiöses Bekenntnis
am katholischen Religionsunterricht als Freigegenstand teil.
Es ist jedoch
angebracht, für jene Schüler, die aus vielfältigen Gründen keinen konfessionellen
Religionsunterricht besuchen, einen verpflichtenden Ethikunterricht vorzusehen.
In
einer Gesellschaft, in der eine nicht unbedeutende Zahl von Menschen ihre Werte säkular
begründet, ist das angemessen. Darüber gibt es einen seit längerem bestehenden gesellschaftlichen
Konsens. Es ist im Interesse von Staat und Gesellschaft, dass sich jeder junge Mensch
im Lauf seiner Bildungslaufbahn in systematischer Form mit der Frage von Werten und
Normen auseinander setzt.
Bei aller positiven Sicht eines solchen ergänzenden
Ethikunterrichts muss aber eines festgehalten werden: In einem Land, in dem etwa 90
Prozent der Bevölkerung einer Religionsgesellschaft angehören, soll der Ethikunterricht
nicht für alle Schüler verpflichtend sein. Das würde eine Relativierung des konfessionellen
Religionsunterrichts bedeuten.
Die Bischöfe vertrauen darauf, dass eine nachhaltige
und konstruktive Lösung im Interesse der österreichischen Schule gefunden wird: Durch
ein gut abgestimmtes Miteinander von konfessionellem Religionsunterricht und Ethikunterricht,
in dem beide ihren Dienst an den jungen Menschen leisten können.
4. Kirchenbeitrag
Die
Bischöfe begrüßen die Verdoppelung der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags
auf 200 Euro. Auf diese Weise werden die rund 3,7 Millionen Katholiken, die zugleich
Steuern zahlen und Kirchenbeitrag entrichten, steuerlich deutlich entlastet. Durch
den Kirchenbeitrag - einen solidarischen Pflichtbeitrag der Katholiken für ihre Kirche
- werden viele Leistungen in den Bereichen Seelsorge, Bildung, Soziales, Denkmalpflege
und Kultur getragen, die für die Gesellschaft sehr wichtig sind und allen Menschen
in diesem Land zugute kommen. Die Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit ist somit
ein unübersehbares Zeichen dafür, dass der Staat diesen Beitrag der Katholiken zum
Gemeinwohl würdigt und anerkennt.
Allen Gläubigen, die in großer Treue diesen
Solidarbeitrag leisten, gilt der Dank der Bischöfe. Dies vor allem auch dann, wenn
die allgemeine wirtschaftliche Situation Sorgen auslöst oder in der Kirche Situationen
entstehen, die Anlass zur Kritik geben. Treue bedeutet, in guten wie in schlechten
Zeiten zur Kirche zu stehen.
Fast 80 Prozent der Einnahmen der katholischen
Kirche in Österreich stammen aus dem Kirchenbeitrag. Er ist die finanzielle Basis
für ein dichtes Solidarnetz aus mehr als 4.000 Pfarren und Seelsorgestellen, das über
ganz Österreich gespannt ist. In diesen Orten gelebter Gottes- und Nächstenliebe tragen
30.000 gewählte ehrenamtliche Pfarrgemeinderäte Mitverantwortung. Mit 60.000 Beschäftigten
ist die katholische Kirche zudem einer der größten Arbeitgeber in diesem Land.
In
allen Lebensbereichen ist die katholische Kirche präsent: Kindergärten, Schulen und
Hochschulen, Erwachsenenbildung, Telefonseelsorge, Familienberatungsstellen, Seniorenheime,
Behindertenhäuser - all das und noch viel mehr wird durch den Kirchenbeitrag ermöglicht
und unterstützt. Einen Überblick darüber bietet die von der Bischofskonferenz herausgegebene
Broschüre "Leistungen der Kirche. In Worten und Zahlen". Sie belegt, dass die katholische
Kirche die Zivilgesellschaft in Österreich mitträgt und inspiriert.
5. Wahlen
zum Europäischen Parlament
375 Millionen Wähler werden von 4. bis 7. Juni
aufgerufen sein, jene Abgeordneten im Europäischen Parlament zu bestimmen, die in
den nächsten fünf Jahre die Entwicklung der Europäischen Union maßgeblich mitgestalten
werden. In Österreich werden diese Wahlen am 7. Juni stattfinden. Die Bischöfe rufen
die Gläubigen auf, ihr Wahlrecht auszuüben, um auf diese Weise ihre Mitverantwortung
für den "Bauplatz Europa" wahrzunehmen. Die Ausübung des Wahlrechts ist ein wichtiger
Beitrag für eine weitere friedlich Entwicklung des europäischen Kontinents.
Diese
Wahlen finden 30 Jahre nach der ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments statt
und 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, der jahrzehntelang Europa geteilt
hatte. Die europäische Integration ist die friedliche Antwort auf die kriegerische
Geschichte und auf die unheilvollen Totalitarismen, die so viel Leid über die Menschen
in Europa gebracht haben.
Das Europäische Parlament wird sich in den nächsten
Jahren mit einer Reihe bedeutender Themen auseinandersetzen, die sehr viele Menschen
betreffen. Es geht vor allem um die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, durch die
zahllose Arbeitsplätze gefährdet sind.
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments
werden aber immer wieder auch vor grundlegenden Fragen stehen, die für die Wahlentscheidung
eines Christen von großer Bedeutung sind: Sie betreffen den umfassenden Schutz des
Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende, den verantwortungsvollen Umgang
mit der Schöpfung, das Bemühen um das europäische Gemeinwohl, die Stärkung von Frieden,
Sicherheit und Freiheit, die Unterstützung der Familien und die Förderung der Jugend,
den Umgang mit Asylwerbern, Hilfesuchenden und Migranten und den Einsatz für weltweite
Gerechtigkeit.
Diese Fragen können nur auf dem Fundament der humanen und christlichen
Werte, die Europas Wurzeln bilden, eine zukunftsfähige Antwort erhalten.
Durch
die Teilnahme an den Wahlen können Christen dazu beitragen, dass engagierte Parlamentarier
diese Werte fruchtbar werden lassen, damit ein menschliches Europa entsteht, über
dem das Angesicht Gottes leuchtet.
6. Neuer Internet-Auftritt der Österreichischen
Bischofskonferenz
Unter der Adresse /a>
geht am heutigen Freitag die offizielle Website der Österreichischen Bischofskonferenz
online. Sie bietet den Usern sachkundige Informationen über die Österreichische Bischofskonferenz,
deren Mitglieder sowie über die Aufgaben und Tätigkeiten ihrer Einrichtungen. Eine
umfassende Sammlung der Presseerklärungen, der gemeinsamen Hirtenbriefe und anderer
wichtiger kirchlicher Dokumente soll dem interessierten Benutzer die Dokumente der
Bischofskonferenz schnell und unkompliziert zur Verfügung stellen.
Publikationen
wie das "Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz" oder die Schriftenreihe
"Die österreichischen Bischöfe" werden ebenso im Volltext online gestellt. Eine Bilddatenbank
mit speziellem Fokus auf Veranstaltungen der Österreichischen Bischofskonferenz wird
aufgebaut und ständig weiter ergänzt.
Auf der Startseite von /a>
befindet sich ein aktueller Meldungsblock mit Nachrichten über die Österreichische
Bischofskonferenz sowie Tätigkeiten und Veranstaltungen, die eng mit ihr in Verbindung
stehen. Durch die Zusammenarbeit mit der Redaktion des kirchlichen Webportals /a>
wird die Kooperation mit den Internet-Redaktionen der österreichischen Diözesen
wesentlich verstärkt.
Neue Service-Elemente sind vor allem die Verzeichnisse
wichtiger Dokumente der Bischofskonferenz, wie z.B. Presseerklärungen und Hirtenbriefe,
sowie eine Volltext-Suchfunktion zur Erleichterung der Suche nach Dokumenten auf der
Website.
Die Website wird betrieben vom Generalsekretariat der Österreichischen
Bischofskonferenz in enger redaktioneller Zusammenarbeit mit dem Medienreferat der
Bischofskonferenz und der österreichischen katholischen Nachrichtenagentur "Kathpress".
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