Der Brief von Papst Benedikt zum Trubel um die Lefebvre-Anhänger wurde am Donnerstag
im Vatikan offiziell vorgestellt. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gab zu dem Papstschreiben
einige Erklärungen ab. Wir veröffentlichen den Text des Jesuitenpaters (der auch Generaldirektor
von Radio Vatikan ist) in vollem Wortlaut auf deutsch.
Erklärung des Briefes
von Papst Benedikt XVI. zur Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe vom
vatikanischen Pressesaal. Warum und wann ist der Brief geschrieben
worden? Um - nach einer Diskussion von unvergleichlicher Vehemenz - ein
klärendes Wort über die Intention des Papstes und der Organe des Heiligen Stuhls zu
sprechen und um so einen Beitrag für den Frieden in der Kirche zu leisten – Geschrieben
wurde der Brief in der zweiten Hälfte Februar, vor Beginn der Exerzitien.
Die
Fehler oder Pannen, die dazu beigetragen haben Der Fall „Williamson“, also
das Missverständnis, dass durch die Rücknahme der Exkommunikation der Weg der Versöhnung
zwischen Christen und Juden verlassen würde. Der Papst anerkennt einen Informationsmangel
und dankt den Juden, die das Missverständnis erkannt und die Vertrauensatmosphäre
wieder hergestellt hätten. Mangelnde Klarheit bei der Vorstellung von Bedeutung
und Grenzen der Aufhebung der Exkommunikation.
Bedeutung und Grenzen
des Schrittes von 21. Januar 2009 Die Exkommunikation betrifft Personen
und nicht Institutionen. Bischofsweihen ohne Erlaubnis bedeuten die Gefahr eines Schismas.
Daher werden die betroffenen Personen mit der sehr harten Strafe, der Exkommunikation,
bestraft, um sie so zur Einheit zurück zu rufen. Nachdem die Betroffenen grundsätzlich
die Vollmacht des Papstes anerkannt hatten, zielt die Rücknahme der Exkommunikation
dem gleiche Ziel: die Einladung der vier Bischöfe zur Einheit. Die Institution
St. Pius-Bruderschaft hat aber aufgrund der Lehre keinen kirchenrechtlichen Status.
Solange die Lehrfragen nicht geklärt sind, üben auch ihre Amtsträger legal kein Amt
in der Kirche aus.
Die Zukunft der Kommission „Ecclesia Dei“ und ihre
Beziehung zur Bruderschaft Pius X. Da die grundlegenden Fragen lehrmäßiger
Art sind, wird die Kommission Ecclesia Dei mit der Glaubenskongregation verbunden
und ihre Entscheidungen werden von ihren kollegialen Organen in ihren Versammlungen
entschieden (unter Einbeziehung der Präfekten der anderen Kongregationen und des Episkopates). Die
Fragen betreffen vor allem die Anerkennung des 2. Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren
Lehramtes der Päpste. Was die Pius-Bruderschaft betrifft: “Man kann das Lehramt der
Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren.“ (also vor dem 2. Vatikanum). Was die Verteidiger
des 2. Vatikanums betrifft: „Das 2. Vatikanum trägt die ganze Lehrgeschichte der Kirche
in sich. Man kann die Quellen, von dem der Baum lebt, nicht abschneiden.“
War
die Rücknahme der Exkommunikation wirklich notwendig? Auf diese Frage antwortet
der Papst in zwei Absätzen: Die wahren und großen Prioritäten des Pontifikates
sind von ihm von Anfang an klar unterstrichen worden: Die Menschen zu Gott
führen, zu dem Gott, der in der Bibel spricht und sich in Christus geoffenbart hat.
Die Einheit der Christen, Ökumene Der interreligiöse Dialog mit allen, die
an Gott glauben, um den Frieden zu suchen. Das Zeugnis der Liebe in der sozialen
Dimension des christlichen Glaubens (Deus Caritas est)
Der Papst fährt
dann fort: Wenn einerseits der mühevolle Einsatz für Glaube, Hoffnung und Liebe die
wirkliche Priorität ist, so sind doch andererseits auch ein Teil davon die „kleinen
und mittleren Versöhnungen“ wie die mit der Pius-Bruderschaft.
Der Papst geht
dann von dem Faktum aus, dass „die Geste einer ausgestreckten Hand Ausgangspunkt für
einen großen Lärm und so genau zum Gegenteil von Versöhnung wurde“ und er stellt eine
Reihe von Fragen, um nach - den Kriterien des Evangeliums - zum Nachdenken
anzuregen. War und ist es wirklich so verkehrt, in diesem Fall die Versöhnung
zu suchen, mit einem „Bruder, der etwas gegen dich hat“ – wie es in Bergpredigt heißt? Muss
nicht auch die Zivilgesellschaft die Radikalisierungen überwinden (es gibt auch gute
Erfahrungen mit Gemeinschaften, die von Rom getrennt waren). Kann es uns gleichgültig
lassen, eine so große Gemeinschaft wie die Pius-Bruderschaft wegziehen zu lassen?
(bei vielen ihrer Priester sind doch Dimensionen der Liebe zu Christus und der Wunsch
ihn zu verkünden) Auch wenn es bei Repräsentanten der Bruderschaft offene Defekte
gibt, wie Hochmut, Besserwisserei, Einseitigkeit, so muss man doch auch die Verfügbarkeit
von anderen anerkennen. Muss sich die Großkirche nicht großmütig zeigen, offen, langatmig
im Glauben und selbstkritisch angesichts der internen Fehler.
Zum Schluss
gibt es einen starken Satz, eine wahre Herausforderung für das Gewissen auch bei strikten
Kriterien für die Geste des Papstes und seiner Intentionen (innerhalb und außerhalb
der Kirche): „Manchmal hat man den Eindruck, dass unsere Gesellschaft wenigstens eine
Gruppe braucht, der man keinerlei Toleranz schuldig ist, gegen die man ganz friedlich
Hass schleudern darf. Und wer sie anzurühren wagt– in diesem Fall der Papst – auch
der verliert das Recht auf Toleranz und auch er kann ohne Scheu und Reserve mit Hass
bedacht werden.“ Der Brief schließt mit einer leidenschaftlichen Reflexion des
Apostels Paulus über die Liebe als Erfüllung des Gesetzes und über die Warnung vor
der Versuchung, sich „gegenseitig zu beißen und zu verschlingen“ (Galater 5,13-15)
– als falsch verstandene Freiheit. Diese Versuchung gibt es auch heute in der Kirche
– schreibt der Papst – wir dürften uns darüber nicht wundern, sondern müssen ihr widerstehen
und immer neu die absolute Priorität der Liebe lernen. „Der Herr beschütze uns alle
und führe uns auf dem Weg des Friedens.“
(Übersetzung: P. Eberhard v. Gemmingen
SJ, Radio Vatikan=