Wir dokumentieren
hier die Kernsätze aus dem Brief des Papstes an die Bischöfe zur Causa Williamson
und den Lefebvre-Anhängern. Quelle ist der Vatikanische Pressesaal. Er hat die offizielle
Fassung des Papstbriefes am Donnerstag Mittag veröffentlicht. „Liebe Mitbrüder
im bischöflichen Dienst! (Ich fühle) mich gedrängt, an Euch, liebe Mitbrüder, ein
klärendes Wort zu richten, das helfen soll, die Absichten zu verstehen, die mich und
die zuständigen Organe des Heiligen Stuhls bei (der Aufhebung der Exkommunikationen)
geleitet haben. Ich hoffe, auf diese Weise zum Frieden in der Kirche beizutragen. Eine
für mich nicht vorhersehbare Panne bestand darin, daß die Aufhebung der Exkommunikation
überlagert wurde von dem Fall Williamson. Der leise Gestus der Barmherzigkeit ...
erschien plötzlich als etwas ganz anderes: als Absage an die christlichjüdische Versöhnung...
Daß diese Überlagerung zweier gegensätzlicher Vorgänge eingetreten ist und den Frieden
zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche für einen Augenblick
gestört hat, kann ich nur zutiefst bedauern. Ich höre, daß aufmerksames Verfolgen
der im Internet zugänglichen Nachrichten es ermöglicht hätte, rechtzeitig von dem
Problem Kenntnis zu erhalten. Ich lerne daraus, daß wir beim Heiligen Stuhl auf diese
Nachrichtenquelle in Zukunft aufmerksamer achten müssen. Betrübt hat mich, daß auch
Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit
auf mich einschlagen zu müssen glaubten... Eine weitere Panne, die ich ehrlich
bedaure, besteht darin, daß Grenze und Reichweite der Maßnahme vom 21. 1. 2009 bei
der Veröffentlichung des Vorgangs nicht klar genug dargestellt worden sind. Die Exkommunikation
trifft Personen, nicht Institutionen... Die Lösung der Exkommunikation war eine Maßnahme
im Bereich der kirchlichen Disziplin: Die Personen wurden von der Gewissenslast der
schwersten Kirchenstrafe befreit... Solange die doktrinellen Fragen nicht geklärt
sind, hat die Bruderschaft keinen kanonischen Status in der Kirche und solange üben
ihre Amtsträger, auch wenn sie von der Kirchenstrafe frei sind, keine Ämter rechtmäßig
in der Kirche aus. Angesichts dieser Situation beabsichtige ich, die Päpstliche
Kommission „Ecclesia Dei“ ... in Zukunft mit der Glaubenskongregation zu verbinden.
Damit soll deutlich werden, daß die jetzt zu behandelnden Probleme wesentlich doktrineller
Natur sind, vor allem die Annahme des II. Vatikanischen Konzils und des nachkonziliaren
Lehramts der Päpste betreffen. Die kollegialen Organe, mit denen die Kongregation
die anfallenden Fragen bearbeitet, ... garantieren die Einbeziehung der Präfekten
verschiedener römischer Kongregationen und des weltweiten Episkopats in die zu fällenden
Entscheidungen. Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren
- das muß der Bruderschaft ganz klar sein. Aber manchen von denen, die sich als große
Verteidiger des Konzils hervortun, muß auch in Erinnerung gerufen werden, daß das
II. Vaticanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam
sein will, muß den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden,
von denen der Baum lebt... Die Menschen zu Gott, dem in der Bibel sprechenden Gott
zu führen, ist die oberste und grundlegende Priorität der Kirche und des Petrusnachfolgers
in dieser Zeit. Aus ihr ergibt sich dann von selbst, daß es uns um die Einheit der
Glaubenden gehen muß... Wenn also das Ringen um den Glauben, um die Hoffnung und um
die Liebe in der Welt die wahre Priorität für die Kirche in dieser Stunde ... darstellt,
so gehören doch auch die kleinen und mittleren Versöhnungen mit dazu. Daß die leise
Gebärde einer hingehaltenen Hand zu einem großen Lärm und gerade so zum Gegenteil
von Versöhnung geworden ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Aber nun frage ich doch:
War und ist es wirklich verkehrt, auch hier dem Bruder entgegenzugehen, „der etwas
gegen dich hat“ und Versöhnung zu versuchen (vgl. Mt 5, 23f)? Muß nicht auch die zivile
Gesellschaft versuchen, Radikalisierungen zuvorzukommen...? Kann es ganz falsch sein,
sich um die Lösung von Verkrampfungen und Verengungen zu bemühen und dem Raum zu geben,
was sich an Positivem findet und sich ins Ganze einfügen läßt?... Gewiß, wir haben
... viele Mißtöne von Vertretern dieser Gemeinschaft gehört - Hochmut und Besserwisserei,
Fixierung in Einseitigkeiten hinein usw. ... Aber sollte die Großkirche nicht auch
großmütig sein können im Wissen um den langen Atem, den sie hat; im Wissen um die
Verheißung, die ihr gegeben ist? ... Manchmal hat man den Eindruck, daß unsere Gesellschaft
wenigstens eine Gruppe benötigt, der gegenüber es keine Toleranz zu geben braucht;
auf die man ruhig mit Haß losgehen darf. Und wer sie anzurühren wagte - in diesem
Fall der Papst -, ging auch selber des Rechts auf Toleranz verlustig und durfte ohne
Scheu und Zurückhaltung ebenfalls mit Haß bedacht werden... Der Herr behüte uns
alle und führe uns auf den Weg des Friedens...“