2009-03-12 12:00:09

D: Presseschau zum Papstbrief


Überwiegend positiv reagieren die Medien in Deutschland auf den Papstbrief. Ins Auge fallen zwei Ausnahmen: die „Frankfurter Allgemeine“ auf der rechten, die Berliner „tageszeitung“ auf der linken Seite. Generell wird die Berichterstattung über den Papstbrief aber von Informationen über das Schulmassaker in Baden-Württemberg in den Hintergrund gedrängt.
„Spät, aber nicht zu spät“ kommt der Papstbrief nach dem Urteil der „Rheinischen Post“: „Er zeichnet sich durch Selbstkritik, Versöhnungsbereitschaft und christliche Barmherzigkeit aus“. Benedikts Schreiben „beschämt hoffentlich diejenigen bis hinein ins Kanzleramt, die den Papst ins reaktionäre, antijüdische Zwielicht getaucht haben.“ „In ungewöhnlicher Offenheit legt das Kirchenoberhaupt seine Beweggründe dar und wirbt für seinen Kurs“, meint das ZDF.
Das „Hamburger Abendblatt“ findet den Brief „so überraschend und ungewöhnlich wie die umstrittene Aufhebung der Exkommunikation“ der vier Lefebvre-Bischöfe. Dem Blatt fällt vor allem auf, dass Benedikt gleich zweimal das Wort "Panne" gebraucht“. Die Überlegung des Papstes, dass der Vatikan künftig stärker aufs Internet achten müsse, habe sich schon am Mittwoch bewahrheitet, als die FAZ das Schreiben unautorisiert auf ihre Homepage setzte.
„Ein offenes und starkes Wort“, urteilt die katholische „Tagespost“. „Am Ende geht es darum, wer das letzte Wort hat.“ Benedikt habe „auf dem Höhepunkt der hysterischen Aufregung in seiner Heimat die schwärzeste Woche seines Pontifikats durchlebt“. Die Offenheit des Papstes gebe dem Brief „Stärke“: „Er geht direkt auf die immer wieder lautgewordene Frage ein, ob es denn für den Vatikan nichts Wichtigeres gebe, als sich um eine schismatische Gruppierung zu kümmern – und lässt auch ein wenig in das eigene Herz des obersten Hirten der Kirche blicken“. Benedikt XVI. beschönige nichts, „macht jedoch unmissverständlich klar, dass es zu den obersten Prioritäten des Petrusnachfolgers gehört, für die Einheit unter den Gläubigen zu sorgen.“ Wo der Papst vom drohenden Glaubensverlust in vielen Teilen der Welt spreche, werde der Brief „fast dramatisch“. Fazit der „Tagespost“: „Es ist nicht der „rechte Rand“ der Kirche, den Papst Benedikt vorzugsweise beackert. Es ist die ganze Welt und es ist die ganze Kirche“.

„Bislang galt ... ein unerschütterlicher Grundsatz im Vatikan: Päpste machen keine Fehler.“ Das behauptet das Hamburger Magazin „Der Spiegel“ auf seiner Internetseite. Diesen Grundsatz habe der Papst jetzt „deutlich durchbrochen“. Kardinal Castrillón Hoyos, „der das Desaster mit den Piusbrüdern Mitte Januar ausgelöst hatte“, sei durch den Brief „entmachtet“: „Da hat es ordentlich gerumpelt“, zitiert der „Spiegel“ einen Prälaten. Der Kommentar lobt auch den Hinweis des Papstes darauf, dass das Thema Pius-Brüder am Vatikan künftig kollegial behandelt wird; das sei „für den Vatikan mit seiner versteinerten Hierarchie“ von „beträchtlicher Sprengkraft“. Offenbar wolle Benedikt mit der Kardinalsversammlung am Mittwoch „eine Art politisches Kabinett der Kardinäle installieren, dass es in der Form bisher nicht gab“. Das sei „eine neue Ausrichtung in Richtung Kollegialität in Rom, gepaart mit einem selbstkritischen Papst“. Fazit des „Spiegels“: „Ob allerdings der Kurs der Kirche mit diesem Schreiben in einen neuen Frühling oder zurück in den alten Trott führt, wird erst die Zeit zeigen.“
Die Tageszeitung „Die Welt“ betont, dass dieser Brief „in der jüngeren Kirchengeschichte kein Vorbild hat“. „Nicht die Kritik der deutschen Bundeskanzlerin, nicht der Protest deutscher Theologen oder gar die Erklärung der Hirten“ habe den Papst zu dem Brief veranlaßt, sondern ein Galater-Text, der schon Luther inspiriert habe. Benedikts Schreiben sei ein neuer „Brief an die Galater“; darin erläutere er einen „komplizierten Vorgang“, „der nicht nur der Bundeskanzlerin Frau Doktor Merkel, sondern auch vielen Bischöfen offensichtlich nicht mehr ganz klar und geläufig war.“ „Zu sagen, der neue Brief komme 50 Tage zu spät, trifft die Lage nicht ganz“, meint der Kommentator. „Dann nämlich hätte jener Konflikt ja unmöglich mitbedacht werden können, der durch den Streit um die Pius-Bruderschaft inzwischen wie Kontrastbrei viele Bruchlinien innerhalb der Kirche hat offenbar werden lassen.“ Man solle jetzt nicht erwarten, dass Benedikt künftig öfter mal im Internet surfe: „Er wird weiter mit Bleistift schreiben, doch selten so wie diesmal“. „Beunruhigend“ werde der Papst, wo er ganz offen von „Hass“ auf ihn schreibe. „Hass auf den Papst? Davon hat in diesen Tagen keiner offen gesprochen, obwohl er allenthalben mit den Händen zu greifen war.“
„Ein Papst beschwert sich über den Lärm“ – das ist der Titel des Kommentars in der „Frankfurter Allgemeinen“ – der Zeitung also, die auch gegen jede Sperrfrist den Text öffentlich gemacht hatte. Benedikts Brief sei „ein Dokument von unklarem Status“; er reagiere ganz offensichtlich auf öffentlichen Druck. „Den Erläuterungen von vatikanischer Seite, die es seit der Publikation des Dekrets vor sechs Wochen in stetigem Fluss gegeben hat, fügt der Brief nichts hinzu.“ Deutlich werde stattdessen ein „dramatischer Autoritätsverlust des Papstes“: „Er wiederholt die bekannten Erläuterungen und schmückt sie mit pastoralen Floskeln.“ „Nichts Neues aus Rom“, so kommentiert die Zeitung beißend. Es fehle eigentlich nur noch „die Ankündigung, man werde auch den „Spiegel“ abonnieren“. Benedikt lasse „seine persönliche Empfindlichkeit“ erkennen, gebrauche mehrmals „ein schiefes, sogar kitschiges Bild“, vermehre „den Lärm, den er verdammt“, und wirke „unsouverän“: „Eine seltsame Mischung aus Furcht und Hochmut kommt hier zum Vorschein, die wenig zu tun hat mit der Liebe, die der Verfasser ... beschwört. Man könnte glauben, der Papst hätte sich die Feder von einem Feuilletonisten geliehen.“ Vom FAZ-Feuilleton indes hat sich Benedikt seine Feder ganz offenbar nicht geliehen.
„Der Papst denkt nur an die Kirche“, befindet wiederum die linke „tageszeitung“. Der Briefe zeige „vor allem eines: Der Papst ist weit entfernt von unserer Welt“ und zeige eine „für viele Europäer schwer nachvollziehbare Weltfremdheit“. So würden etwa der Holocaust oder seine Leugnung durch Bischof Williamson von Benedikts Brief nicht einmal erwähnt. „Dieser Papst begibt sich im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht auf die Ebene unseres historischen und politischen Denkens. Der offene Dialog mit der Welt, den die katholische Kirche seit den sechziger Jahren anstrebt, ist mit ihm schwierig geworden.“ Die „taz“ prophezeit: „Der nächste Zusammenstoß zwischen Papst und Welt wird nicht lange auf sich warten lassen. Wer mehr weltlich als kirchlich denkt und fühlt, den lässt der Brief ratlos zurück.“ Immerhin nehme das Schreiben die Krise spürbar ernst und werde daher „zur Entspannung der Situation beitragen“.

(rv 12.03.2009 sk)







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