Vatikan/Nahost: Papstreise an Kreuzungspunkt von Religion und Politik
Der Lateinische Patriarch
von Jerusalem, Fouad Twal, erhofft sich vom geplanten Israel-Besuch Papst Benedikts
XVI. deutliche Worte zur Lage der Menschen im Nahost-Konflikt. Trotz der jüngsten
Spannungen zwischen katholischer Kirche und Judentum solle der Papst frei über seine
Gedanken zur Lage in der Krisenregion sprechen, so Twal. Benedikt XVI. besucht vom
8. bis 15. Mai - als dritter Papst in der Neuzeit - das Heilige Land. Er wolle Gott
an den Stätten des irdischen Wirkens Jesu „um das kostbare Geschenk der Einheit und
des Friedens für den Nahen Osten und die ganze Menschheit bitten“, erklärte der Papst
selbst bei der Ankündigung der Reise.
Wird das gelingen? Woran scheitert die
Einheit bislang? Schürt der Besuch des Papstes unter Umständen nicht auch politische
wie religiöse Missverständnisse? Der Kustos der Heiligen Stätten, Franziskanerpater
Pierbattista Pizzaballa, sagt dazu gegenüber Radio Vatikan:
„Das Problem
sind wir, sind die Menschen, die hier leben, die Geschichte, die Religionen, die leidenschaftliche,
vielleicht übertriebene Treue zur eigenen Identität und die Furcht vor dem Anderem.
In diesem Sinn hilft uns der Papstbesuch vielleicht, über unseren eigenen Horizont
hinaus zu schauen und weiter zu denken, als wir das bisher gemacht haben. … Das Heilige
Land ist politisch und religiös betrachtet natürlich ein Kreuzungspunkt. Die Verhältnisse
zwischen den Kirchen, den Glaubensrichtungen, den Völkern und in der Politik sind
sehr sensibel. Der Papst sitzt bei seinem Besuch hier sozusagen wie im Glashaus, in
dem Instrumentalisierungen immer latent vorhanden sind. Aber mit seiner Persönlichkeit
und seinem Wortschatz wird er sich davon nicht vereinnahmen lassen.“
Der
Papst könne bei seinem Besuch im Heiligen Land die Probleme der Region mit Händen
greifen, meint der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni. Diese Botschaft der Anteilnahme
sei wichtig.
Wichtig sei auch die Rolle der Religionen im Friedensprozess,
betont der Präsident der jüdischen Gemeinde Roms und wehrt sich gegenüber Radio Vatikan
gegen eine politische Instrumentalisierung des Glaubens. Der Papstbesuch könne zur
Versöhnung beitragen, so Riccardo Pacifici: „Die Reise ist aber auch eine Gelegenheit,
an die Werte zu erinnern, auf denen das Judentum und das Christentum die wichtigsten
Demokratien der Welt aufgebaut haben, gerade in Europa.“
Bei einer
Pressekonferenz in Jerusalem an diesem Dienstag wurden die wichtigsten Stationen der
Papstreise vorgestellt. Im Zentrum stehen drei große Messen in Jerusalem, Bethlehem
und Nazareth. Benedikt wird demnach sowohl dem israelischen Präsidenten als auch dem
Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde begegnen, auf dem Programm stehen
ökumenische und interreligiöse Treffen sowie ein Besuch des deutschen Papstes an der
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. - Am Mittwoch wird eine Delegation des israelischen
Oberrabbinats zu Gesprächen im Vatikan erwartet. Die jüdischen Vertreter treffen unter
anderem am Donnerstag mit Kardinal Walter Kasper zusammen, dem Präsidenten des Päpstlichen
Rates für die Einheit der Christen. Anschließend steht eine Audienz bei Papst Benedikt
XVI. auf dem Programm.