2009-03-10 10:26:26

Radio-Exerzitien 3


Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten in Rom. Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien. (rv)

Für den 2. Fastensonntag (08.03.)

Liebe Hörerinnen und Hörer!

In der ersten Betrachtung der Radio-Exerzitien am vergangenen Sonntag sind wir Jesus in die Wüste gefolgt, wo er dem Versucher, den wilden Tieren und den dienenden Engel begegnete. In der Darstellung der Versuchung fanden wir das Leitmotiv für die Passion Jesu. In der zweiten Betrachtung am letzten Mittwoch nahm Jesus Stellung zu der Zeichenforderung. Das Zeichen, das ihn beglaubigt, wird dem Propheten Jona ähnlich sein. Er sei aber mehr als Jona. Diese Klarstellung aber beruhigt nicht, sie provoziert.

Heute, am zweiten Fastensonntag, führt uns die Kirche auf einen Berg, den Berg der Verklärung. Wir betrachten das Ereignis, wie es vom Evangelisten Markus beschrieben wurde (Mk 9,2-10). Dabei ist es sehr nützlich, den Text selbst zu lesen und für die eigenen Ohren hörbar zu machen. Ich erinnere auch wieder daran, dass das Nachdenken über die Einzelheiten des Textes in ein Gebet münden sollte, in die Zwiesprache mit dem Herrn oder seiner Mutter oder einem Heiligen, in diesem Jahr besonders mit dem Apostel Paulus. So gelangen wir von der Sachebene unserer Reflexionen auf die Du-Ebene der persönlichen Beziehung. Denn der Herr will uns nicht über Göttliches und Menschliches im Allgemeinen belehren, sondern er will mit uns sprechen, über uns und über sich. Er möchte, dass wir seine Liebe verstehen und darauf antworten. Er will eine Beziehung auf Gegenseitigkeit, in liebender Gegenseitigkeit.

Die Verklärung Jesu zeigt uns zweierlei: sie schenkt unserer Sicht auf Jesus eine neuartige Tiefenschärfe, und sie stellt uns - in der Person des Petrus - abermals vor die Untiefe unseres Glaubens.

Jesus wird aus der Normalität seines bisherigen Lebens durch ein besonderes Licht herausgehoben. Es leuchtet ihn nicht an, sondern es leuchtet aus ihm heraus. Er wird verwandelt in eine Lichtgestalt. Zudem wird sichtbar, dass er mit zwei hochverehrten Führungsgestalten des Gottesvolkes in Kontakt steht, mit Moses und Elija. Sie gehören der Lichtwelt Gottes an, und Jesus gehört dazu. Man kann Moses und Elija nicht gegen Jesus in Stellung bringen und Jesus in den Bereich der Finsternis abdrängen, wie es die Führer des Volkes wollen.

Petrus dagegen offenbart wieder sein Unverständnis für das Leiden und Sterben Jesu, seines Herrn. Wir erinnern uns, wie scharf dieser ihn zurechtgewiesen hatte, als er ihm Vorhaltungen machte. „Ab, hinter mich, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mk 8,33). Auch diesmal mischt Petrus sich ein: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Er hat wieder etwas sehr Menschliches im Sinn: er möchte das wunderbare Stück Himmel hier auf der Erde festhalten. Er möchte zusammenbleiben mit denen, die den Himmel in sich tragen. Dafür braucht man nur drei Hütten.

Doch so anrührend menschlich das ist, so wenig entspricht es dem göttlichen Plan. Für den Herrn, der sie an diesen Ort mitgenommen hat, gibt es keine Abkürzung zum Himmel. Der Weg geht durch Leiden und Tod, die Hinterlassenschaft der Sünde, die aufgearbeitet werden muss.

Petrus hat seinen Vorschlag kaum ausgesprochen, da tritt eine Wolke in die Lichtszene. Sie wirft einen Schatten auf die Männer. Es ist, als ob nun der Himmel dem Petrus ins Wort fällt und klarstellt: Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Danach ist das Licht erloschen. Die Männer blicken um sich. Sie sind mit Jesus allein. Das ist die irdische Realität. Aber die Stimme aus der Wolke klingt in ihnen nach. Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.

Auf dem Rückweg verbietet ihnen Jesus, irgend jemand zu erzählen, was sie gesehen haben, bis der Menschensohn von den Toten erstanden sei. Was hat es mit dieser seltsamen Maßgabe auf sich? Jesus heftet ihre Aufmerksamkeit auf etwas, was sie vor lauter Verdrängung des Leidens immer wieder überhört haben: dass der Menschensohn von den Toten erstehen wird. Dann wird der Himmel wirklich auf die Erde gekommen sein. Dann wird es eine weltumspannende Hütte geben, die das Licht Gottes birgt, die Kirche. Dann wird Petrus begriffen haben, dass er der Fels ist, auf dem diese Hütte gebaut wird.

Aber noch ist es nicht so weit. Sie müssen schweigen. Ich stelle mir das als sehr schwer vor. Sie sind voll des Erlebten; zugleich sind sie ratlos, was das sei, von den Toten auferstehen. So kommen sie zurück zu den anderen Jüngern, die natürlich gespannt sind, was die drei zu erzählen haben. Schließlich sind sie eigens vom Herrn ausgesucht worden. Aber sie sagen nichts. Das macht die anderen nur noch neugieriger. Doch sie werden vertröstet: „Wartet bis zur Auferstehung, dann werden wir alles erzählen. Diese Vertröstung dürfte eine erstaunliche Wirkung gehabt haben: durch sie wird die Aufmerksamkeit auf die Auferstehung gelenkt. Die Jünger können jetzt einem Thema nicht mehr ausweichen, das sie am liebsten verdrängt hätten. Es ist bewundernswert, wie der Herr seine Jünger lenkt.

Das betende Zwiegespräch könnte sich zuerst an den himmlischen Vater wenden. Von Dir, Vater, so würde ich vielleicht sprechen, war nur eine Wolke zu sehen, in der du dich verborgen hast. Aber aus dieser „Verkleidung“ hast du gesprochen, mehrmals, und zwar so, dass ich es heute noch vernehmen kann, Tausende von Jahren später. Ich vernehme es zwar nicht direkt, aber vermittelt durch das Zeugnis derer, die dabei waren. Du hast die Person in dein himmlisches Licht gestellt, die du als deinen vielgeliebten Sohn bezeichnet hast. Dadurch hast du bekannt gemacht, dass dieser Jesus von Nazaret das Samenkorn deines Reiches ist, um dessen Kommen wir im Vaterunser beten.

Ich würde mich sodann an Maria wenden und etwa sagen: Maria, Du hast dich im Erfassen, wer dein Sohn ist, leichter getan als Petrus, die anderen Apostel und die zahlreichen Jüngerinnen und Jünger. Dein Bild von Jesus hatte von Anfang an die Tiefenschärfe des Glaubens. Du nahmst in deinem Sohn Jesus das göttliche Wesen wahr und ahntest zugleich, dass er die Sünde nur durch seinen Tod besiegen konnte. Und gerade darum hast du selbst nach der Erkenntnis gelebt: „Was er euch sagt, das tut“ (Jo 2,5). Lenke auf deine mütterliche Weise meinen Verstand, meinen Willen und mein Gedächtnis, dass auch ich das Geheimnis deines Sohnes immer tiefer erkenne und ihm folge.

Schließlich wende ich mich auch noch an den Apostel Paulus. Ich würde anknüpfen an einen Satz, den er im Römerbrief geschrieben hat: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Rö 8,18). Ich würde dann etwa dies zu Paulus sagen: „Ich danke dir für diesen Satz, der deine tiefste Überzeugung ausdrückt. Bei der Verklärung des Herrn warst Du nicht dabei, aber was der Herr uns Menschen dadurch klar machen wollte, hast du auf andere Weise begriffen. Ich stelle mir vor, dass du nachvollziehen könntest, warum Petrus meinte, dieses Aufscheinen der himmlischen Herrlichkeit festhalten zu sollen. Wenn Petrus über das jähe Verschwinden des Lichtes enttäuscht gewesen wäre und vielleicht deprimiert gedacht hätte: ‚Wieder einmal eine Illusion; wann kommt endlich der Durchbruch?’ dann hättest du ihn vielleicht getröstet und gesagt: ‚Bleib hinter ihm, lass dir von ihm zeigen, wo es lang geht, und du wirst sehen: das Licht war keine Illusion. Ganz gewiss wird an uns seine Herrlichkeit offenbar. Er hat die Finsternis von Sünde, Leid und Tod überwunden.’“ Paulus, so scheint mir, blickt mich ein wenig skeptisch an, so als ob er sagen wollte: Du hast gut reden; damals war ich noch nicht so weit, dass ich einen solchen Trost hätte spenden können. (P. Wendelin Köster SJ)








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