Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio
Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst
Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend
mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten
in Rom. Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien. Für
Mittwoch in der 1. Fastenwoche (04.03.)
Liebe Hörerinnen und Hörer!
In
der ersten Betrachtung der Radio-Exerzitien zum vergangenen Sonntag haben wir auf
Jesus in der Wüste geschaut, auf den Versucher, auf die wilden Tiere und auf die dienenden
Engel. Darin begegnete uns sozusagen das Leitmotiv für die Passion Jesu. Wir haben
versucht, uns nicht nur Gedanken über einen Text zu machen, sondern auch in ein Kolloquium
mit Gott einzutreten, also zu beten, persönlich, mit richtigen Worten. Und weil wir
das Paulusjahr begehen, haben wir in das Kolloquium auch den heiligen Paulus einbezogen.
Vielleicht haben Sie auch den Rat beherzigt, sich den Abschnitt des Evangeliums vorzulesen
und abends einen Rückblick auf den verflossenen Tag zu halten. Dann könnte es sein,
dass aus der erinnernden Sichtung der Tagesereignisse eine Art Kolloquium mit Gott
geworden ist. Sie hätten ein ganz persönliches Abendgebet gesprochen, angefüllt mit
wirklich gelebtem Leben, mit dem, wofür Sie dankbar sein können oder worüber Sie
Grund haben zu klagen.
Jetzt wenden wir uns der zweiten Betrachtung zu. Sie
bezieht sich auf das Evangelium vom Mittwoch der ersten Fastenwoche, wie es uns die
Kirche heute vorlegt. Es steht bei Lukas im 11. Kapitel (Lk 11,29-32). Jesus wird
bedrängt durch die Forderung nach einem Zeichen, dass er nicht mit den Dämonen, sondern
mit Gott im Bunde sei. Wenn er behaupte, der Messias oder gar der Sohn Gottes zu sein,
dann müsse er das durch ein besonderes Zeichen unter Beweis stellen. Die bisherigen
spektakulären Handlungen - die zahlreichen Heilungen, die Totenerweckungen und die
Dämonenaustreibungen - die die Volksmassen in seinen Bann geschlagen haben, werden
nicht anerkannt.
Die Stellungnahme Jesu ist hart. Er charakterisiert die Menschen,
die von ihm ein Beglaubigungszeichen fordern, als böse Generation. In dem Wort,
das hier verwendet wird, ist auf den Geist der Verstocktheit angespielt. Wie Kinder,
die bocken, drehen die Führer des Gottesvolkes ihre Köpfe zur Seite. Sie wollen ihm
nicht offen in die Augen schauen und sich von ihm nicht anschauen lassen. Sie sind
falsch und verdreht. Ihre Beziehung zu Gott ist gestört. Wenn wir dazu bedenken, dass
in der heiligen Schrift der Teufel oft der Böse genannt wird, ist diese gestörte Beziehung
auch als sein Werk zu verstehen. Der Böse ist dabei, dem ganzen Volk den Kopf und
die Seele zu verdrehen. Er verformt es zu einer Herde, die ihren Hirten in den Tod
treibt.
Das jüdische Volk, dem Jesus entstammt, das Volk, das Gott sich auserwählt
hat, ausgerechnet dieses Volk steht für eine Beziehungsstörung zu Gott, der auch wir
Heutigen unterliegen. Wir haben dieselbe Anfälligkeit, uns von Gott abzuwenden, unsere
eigenen Wege zu gehen und zu missachten, was in Wahrheit das Leben bedeutet.
Das
Beglaubigungszeichen, das Jesus geben wird, ist Zeichen des Jona. Es handelt
sich nicht um ein Zeichen, das der Prophet Jona gibt, sondern um das Zeichen, das
er selbst ist. Er ist ein Zeichen wie eine kostbare Münze mit ihrer Vorder- und Rückseite.
Auf der Vorderseite ist eingeprägt Jona der Flüchtling. Er soll Ninive, die große
Stadt, bekehren. Vor dieser Aufgabe hat er Angst, er hält sie für sinnlos und nimmt
Reißaus. Doch wird er vom göttlichen Auftraggeber sozusagen eingefangen und zurückgebracht
- unter Zuhilfenahme eines riesigen Monsterfisches. Die Rückseite der Münze zeigt
Jona den Erfolgreichen. Was er für unmöglich gehalten hat, tritt ein: die Niniviter
bekehren sich, allen voran der König und die Staatsbeamten. Die Stadt verharrt nicht
in ihren Lastern. Sie ist nicht verstockt.
Jesus schreibt seinem Volk dieses
Beispiel ins Stammbuch, das sie in der heiligen Schrift nachlesen können. Er erwähnt
auch noch die heidnische Königin des Südens, die um die halbe Welt nach Jerusalem
reiste, um dort die Weisheit Salomos zu hören. Was dieser Generation
aber am sauersten aufstößt, ist dies: Jesus sagt, dass die Königin des Südens
und die Männer von Ninive dem Volk Gottes als Richter vorgesetzt werden, wo
doch dieses Volk davon überzeugt ist, selbst an der Seite Gottes zu sitzen und zusammen
mit ihm den Rest der Welt zu richten. Das wäre so, wenn diese Generation auf
Jesus hören würde, wenn sie auf seinen Ruf hin ihre Verstocktheit in Bekehrung verwandelte
und sich an der Königin des Südens und den Männern von Ninive ein Bespiel
nähme.
Und worin besteht die Ähnlichkeit zwischen Jona und Jesus? Auch Jesus
gibt kein Zeichen, sondern er ist das Zeichen. Auch er ist ein Zeichen wie eine kostbare
Münze. Auf der Vorderseite ist eingeprägt Jesus, der das Kreuz trägt und dem Rachen
des Todes entgegengeht. Die Rückseite zeigt Jesus, den der Tod wieder hergeben musste
und der sich nun als der gute Hirte allen Menschen guten Willens zuwendet.
Diese
Belehrung bewirkt jedoch eine Steigerung der Verstockung. Man kann es beinahe physisch
spüren, wie sich diese Generation immer mehr in ein Ungeheuer verwandelt, dass
sich anschickt, Jesus zu verschlingen.
In das Gespräch mit dem Herrn
wäre ich mit der Frage eingetreten, was ihn bei der Forderung nach einem Zeichen derartig
aufgebracht habe. Ich höre ihn sagen, dass es um Vertrauen gegangen sei. Ob ich nicht
bemerkt hätte, dass seine Worte aus einer tiefen Trauer geboren waren. Es sei die
Trauer über den Unwillen seines Volkes, Gott als den Vater anzunehmen, ihm seine Liebe
zu glauben und ihn selbst als den Sohn anzunehmen, der ja nichts anderes sei als das
einzigartige Liebeszeugnis des Vater. Statt dessen stehe er unter der Anklage, den
Glauben der Väter zu zerstören. Aber nicht er zerstöre den Glauben der Väter, sondern
diejenigen, die behaupten, Gott habe sie auserkoren für die Teilnahme an seinem Richteramt
über die Welt.
Ich wende mich auch an Maria, die Mutter Jesu. Sie sagt
nichts, aber mir will scheinen, dass in ihr Gesicht die Züge des Magnificat
eingezeichnet sind. Sie schaut mich an, ruhig und aufmerksam. Ich kann sie mir als
meine Richterin vorstellen. Vor ihr müsste niemand Angst haben. In ihrer Gegenwart
würde sich alle Verstocktheit auflösen. Vor ihr und mit ihrer Hilfe kann ich mich
bekehren, ohne mein Gesicht zu verlieren.
Dann suche ich Paulus auf,
den eifernden Apostel. Er scheint schon zu wissen, was ich möchte. Ja, sagt er, ich
bin selbst so etwas wie ein Generator der Verstockung gewesen. Ich war felsenfest
davon überzeugt, dass dieser Jesus ein falscher Prophet ist. Ohne ein außergewöhnliches
Zeichen der Beglaubigung hätte ich ihn und seine Lehre nicht durchkommen lassen. Dann
geschah aber das Unglaubliche, dass er mir dieses Zeichen gab: Er ist mir erschienen,
und zwar mit einer solchen Wucht, dass ich zu Boden ging. Er nahm mir mein Saulus-Gesicht
und gab mir das Paulus-Gesicht. Das alte Gesicht fiel wie eine starre Maske von mir
ab. Mein neues Gesicht hatte etwas vom Licht und von der Wärme der göttlichen Barmherzigkeit.
Ich sah Gott und die Welt mit neuen Augen. Mein Hass auf Jesus verwandelten sich in
Liebe zum ihm, meinem Herrn.
Und ich, was sage ich am Ende dieser Betrachtung?
Ich meine, dem Herrn und allen, die in seiner Nähe sind, sagen zu sollen, dass ich
mich als Teil eines immer noch verdrehten bösen Geschlechtes erkenne. Aber,
Herr, so würde ich hinzufügen, es ist dir gelungen, dass ich diese Verdrehtheit, die
allgemeine und meine eigene, anschauen kann, ohne im Boden zu versinken. Zwar ahne
ich, dass ich die Tragweite der Entstellung nicht voll erfasse. Denn ich neige noch
immer dazu, sie zu verharmlosen. Aber dass ich sie im Prinzip wahrhaben kann und will,
das verdanke ich Dir. Denn du hast mich nicht fallen gelassen. Du lässt niemanden
fallen, der sich von deiner Hand leiten lassen will. (P. Wendelin Köster SJ)