2009-03-10 10:26:21

Radio-Exerzitien 2


Der Jesuitenpater Wendelin Köster begleitet im deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan durch die Fastenzeit 2009. Der 69-Jährige stammt aus dem Emsland, war zunächst Jugendseelsorger, dann Leiter des Priesterseminars in Frankfurt/St. Georgen und anschließend mehr als zehn Jahre lang deutschsprachiger Berater des Generaloberen der Jesuiten in Rom. Zweimal pro Woche hören und lesen Sie hier seine Radioexerzitien.
 
Für Mittwoch in der 1. Fastenwoche (04.03.)

Liebe Hörerinnen und Hörer!

In der ersten Betrachtung der Radio-Exerzitien zum vergangenen Sonntag haben wir auf Jesus in der Wüste geschaut, auf den Versucher, auf die wilden Tiere und auf die dienenden Engel. Darin begegnete uns sozusagen das Leitmotiv für die Passion Jesu. Wir haben versucht, uns nicht nur Gedanken über einen Text zu machen, sondern auch in ein Kolloquium mit Gott einzutreten, also zu beten, persönlich, mit richtigen Worten. Und weil wir das Paulusjahr begehen, haben wir in das Kolloquium auch den heiligen Paulus einbezogen. Vielleicht haben Sie auch den Rat beherzigt, sich den Abschnitt des Evangeliums vorzulesen und abends einen Rückblick auf den verflossenen Tag zu halten. Dann könnte es sein, dass aus der erinnernden Sichtung der Tagesereignisse eine Art Kolloquium mit Gott geworden ist. Sie hätten ein ganz persönliches Abendgebet gesprochen, angefüllt mit wirklich gelebtem Leben, mit dem, wofür Sie dankbar sein können oder worüber Sie Grund haben zu klagen.

Jetzt wenden wir uns der zweiten Betrachtung zu. Sie bezieht sich auf das Evangelium vom Mittwoch der ersten Fastenwoche, wie es uns die Kirche heute vorlegt. Es steht bei Lukas im 11. Kapitel (Lk 11,29-32). Jesus wird bedrängt durch die Forderung nach einem Zeichen, dass er nicht mit den Dämonen, sondern mit Gott im Bunde sei. Wenn er behaupte, der Messias oder gar der Sohn Gottes zu sein, dann müsse er das durch ein besonderes Zeichen unter Beweis stellen. Die bisherigen spektakulären Handlungen - die zahlreichen Heilungen, die Totenerweckungen und die Dämonenaustreibungen - die die Volksmassen in seinen Bann geschlagen haben, werden nicht anerkannt.

Die Stellungnahme Jesu ist hart. Er charakterisiert die Menschen, die von ihm ein Beglaubigungszeichen fordern, als böse Generation. In dem Wort, das hier verwendet wird, ist auf den Geist der Verstocktheit angespielt. Wie Kinder, die bocken, drehen die Führer des Gottesvolkes ihre Köpfe zur Seite. Sie wollen ihm nicht offen in die Augen schauen und sich von ihm nicht anschauen lassen. Sie sind falsch und verdreht. Ihre Beziehung zu Gott ist gestört. Wenn wir dazu bedenken, dass in der heiligen Schrift der Teufel oft der Böse genannt wird, ist diese gestörte Beziehung auch als sein Werk zu verstehen. Der Böse ist dabei, dem ganzen Volk den Kopf und die Seele zu verdrehen. Er verformt es zu einer Herde, die ihren Hirten in den Tod treibt.

Das jüdische Volk, dem Jesus entstammt, das Volk, das Gott sich auserwählt hat, ausgerechnet dieses Volk steht für eine Beziehungsstörung zu Gott, der auch wir Heutigen unterliegen. Wir haben dieselbe Anfälligkeit, uns von Gott abzuwenden, unsere eigenen Wege zu gehen und zu missachten, was in Wahrheit das Leben bedeutet.

Das Beglaubigungszeichen, das Jesus geben wird, ist Zeichen des Jona. Es handelt sich nicht um ein Zeichen, das der Prophet Jona gibt, sondern um das Zeichen, das er selbst ist. Er ist ein Zeichen wie eine kostbare Münze mit ihrer Vorder- und Rückseite. Auf der Vorderseite ist eingeprägt Jona der Flüchtling. Er soll Ninive, die große Stadt, bekehren. Vor dieser Aufgabe hat er Angst, er hält sie für sinnlos und nimmt Reißaus. Doch wird er vom göttlichen Auftraggeber sozusagen eingefangen und zurückgebracht - unter Zuhilfenahme eines riesigen Monsterfisches. Die Rückseite der Münze zeigt Jona den Erfolgreichen. Was er für unmöglich gehalten hat, tritt ein: die Niniviter bekehren sich, allen voran der König und die Staatsbeamten. Die Stadt verharrt nicht in ihren Lastern. Sie ist nicht verstockt.

Jesus schreibt seinem Volk dieses Beispiel ins Stammbuch, das sie in der heiligen Schrift nachlesen können. Er erwähnt auch noch die heidnische Königin des Südens, die um die halbe Welt nach Jerusalem reiste, um dort die Weisheit Salomos zu hören. Was dieser Generation aber am sauersten aufstößt, ist dies: Jesus sagt, dass die Königin des Südens und die Männer von Ninive dem Volk Gottes als Richter vorgesetzt werden, wo doch dieses Volk davon überzeugt ist, selbst an der Seite Gottes zu sitzen und zusammen mit ihm den Rest der Welt zu richten. Das wäre so, wenn diese Generation auf Jesus hören würde, wenn sie auf seinen Ruf hin ihre Verstocktheit in Bekehrung verwandelte und sich an der Königin des Südens und den Männern von Ninive ein Bespiel nähme.

Und worin besteht die Ähnlichkeit zwischen Jona und Jesus? Auch Jesus gibt kein Zeichen, sondern er ist das Zeichen. Auch er ist ein Zeichen wie eine kostbare Münze. Auf der Vorderseite ist eingeprägt Jesus, der das Kreuz trägt und dem Rachen des Todes entgegengeht. Die Rückseite zeigt Jesus, den der Tod wieder hergeben musste und der sich nun als der gute Hirte allen Menschen guten Willens zuwendet.

Diese Belehrung bewirkt jedoch eine Steigerung der Verstockung. Man kann es beinahe physisch spüren, wie sich diese Generation immer mehr in ein Ungeheuer verwandelt, dass sich anschickt, Jesus zu verschlingen.

In das Gespräch mit dem Herrn wäre ich mit der Frage eingetreten, was ihn bei der Forderung nach einem Zeichen derartig aufgebracht habe. Ich höre ihn sagen, dass es um Vertrauen gegangen sei. Ob ich nicht bemerkt hätte, dass seine Worte aus einer tiefen Trauer geboren waren. Es sei die Trauer über den Unwillen seines Volkes, Gott als den Vater anzunehmen, ihm seine Liebe zu glauben und ihn selbst als den Sohn anzunehmen, der ja nichts anderes sei als das einzigartige Liebeszeugnis des Vater. Statt dessen stehe er unter der Anklage, den Glauben der Väter zu zerstören. Aber nicht er zerstöre den Glauben der Väter, sondern diejenigen, die behaupten, Gott habe sie auserkoren für die Teilnahme an seinem Richteramt über die Welt.

Ich wende mich auch an Maria, die Mutter Jesu. Sie sagt nichts, aber mir will scheinen, dass in ihr Gesicht die Züge des Magnificat eingezeichnet sind. Sie schaut mich an, ruhig und aufmerksam. Ich kann sie mir als meine Richterin vorstellen. Vor ihr müsste niemand Angst haben. In ihrer Gegenwart würde sich alle Verstocktheit auflösen. Vor ihr und mit ihrer Hilfe kann ich mich bekehren, ohne mein Gesicht zu verlieren.

Dann suche ich Paulus auf, den eifernden Apostel. Er scheint schon zu wissen, was ich möchte. Ja, sagt er, ich bin selbst so etwas wie ein Generator der Verstockung gewesen. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass dieser Jesus ein falscher Prophet ist. Ohne ein außergewöhnliches Zeichen der Beglaubigung hätte ich ihn und seine Lehre nicht durchkommen lassen. Dann geschah aber das Unglaubliche, dass er mir dieses Zeichen gab: Er ist mir erschienen, und zwar mit einer solchen Wucht, dass ich zu Boden ging. Er nahm mir mein Saulus-Gesicht und gab mir das Paulus-Gesicht. Das alte Gesicht fiel wie eine starre Maske von mir ab. Mein neues Gesicht hatte etwas vom Licht und von der Wärme der göttlichen Barmherzigkeit. Ich sah Gott und die Welt mit neuen Augen. Mein Hass auf Jesus verwandelten sich in Liebe zum ihm, meinem Herrn.

Und ich, was sage ich am Ende dieser Betrachtung? Ich meine, dem Herrn und allen, die in seiner Nähe sind, sagen zu sollen, dass ich mich als Teil eines immer noch verdrehten bösen Geschlechtes erkenne. Aber, Herr, so würde ich hinzufügen, es ist dir gelungen, dass ich diese Verdrehtheit, die allgemeine und meine eigene, anschauen kann, ohne im Boden zu versinken. Zwar ahne ich, dass ich die Tragweite der Entstellung nicht voll erfasse. Denn ich neige noch immer dazu, sie zu verharmlosen. Aber dass ich sie im Prinzip wahrhaben kann und will, das verdanke ich Dir. Denn du hast mich nicht fallen gelassen. Du lässt niemanden fallen, der sich von deiner Hand leiten lassen will. (P. Wendelin Köster SJ)








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