2009-03-10 16:27:15

D: Kölner Archiveinsturz, Handschrift von Albertus Magnus geborgen


RealAudioMP3 Mit dem Kölner Stadtarchiv ist vor einer Woche das größte kommunale Archiv nördlich der Alpen eingestürzt. Neben der Trauer um die Menschen, die dabei ums Leben kamen, wird jetzt auch das Ausmaß der kulturellen Verluste immer deutlicher. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sprach am Montag von einer „kulturellen Katastrophe“. Unter den Trümmern begraben sind unersetzliche, teils Jahrtausend alte Dokumente. Darunter 15 Handschriften des Philosophen und Kirchenlehrers Albertus Magnus, dem Schutzpatron der Naturwissenschaftler, der 1280 in Köln starb.
Immerhin konnte eine der einzigartigen Schriften am Dienstag geborgen werden. - Wie es aber um den Erhalt der übrigen Dokumente bestellt ist, bleibt fraglich. Über die Bedeutung dieses drohenden Verlusts sprach das Kölner „domradio“ mit Andreas Speer. Er ist Philosophie-Professor am Thomas-Institut der Universität Köln und Albertus-Magnus-Experte:
„Gerade aus der Zeit ist alles, was verloren geht, erstens unwiederholbar verloren, denn wir sind ja nicht im Zeitalter der Buchreproduktion oder des digitalen Edierens oder Bewahrens von Dingen. Es sind alles Unikate und natürlich gibt es davon nicht mehr so viele. Das hängt eben damit zusammen, dass es selten ist, dass ein solches Dokument über viele Jahrhunderte bewahrt werden kann. Und deshalb kann man sagen, mit allem was verloren geht, geht eben ein spezifisches Wissen über diese Zeit verloren. Wir können es uns nicht wieder anschauen, so dass wir uns mit dem, was wir wissen begnügen müssen.“
Mittelalterliche Handschriften von so bedeutenden Autoren wie Albertus sind nur wenige erhalten. Das Kölner Stadtarchiv beherrbergte Albertus’ umfangreichen Kommentar zum Mathäus-Evangelium und seine bahnbrechenden naturwissenschaftliche Schriften. Albertus hatte als Erster versucht, das naturphilosophische Denken Aristoteles’ mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Zwar sind die meisten dieser Schriften inzwischen als Buchversion ediert worden. Doch sind die Original-Codizes Fundgruben für historisches Wissen, das über den bloßen Text weit hinausgeht:
„Immer wieder entdeckt man darin etwas Neues, zum Beispiel die kritische Edition, die wir haben, gibt überhaupt nicht wieder, wie Albert gearbeitet hat, seine Persönlichkeit kommt darin nicht zum Ausdruck. Wir erfahren aus den Handschriften auch ganz nette Dinge, zum Beispiel darüber, dass er es mit der Orthographie, wie es zu der damaligen Zeit gang und gäbe war, nicht sehr ernst nahm. Das sind natürlich auch Einsichten, die uns etwas zeigen, über die Eigenart der kulturellen Situation. Wir können in den Codizes viele historische Fakten ablesen, die wir natürlich in einem gedruckten Buch ja gar nicht mehr alle repräsentieren können.“
Neben den Handschriften von Albertus Magnus beklagen Wissenschaftler zudem große Verluste für die Forschung zum politischen Katholizismus. Das Kölner Stadtarchiv verwahrte unter anderem den Nachlass des Journalisten und Politikers der katholischen Zentrumspartei Carl Bachem (1858-1945). Bachem gehörte zum Führungskreis katholischer Politiker im Kaiserreich und der Weimarer Republik. Bisher steht die Suche nach erhaltenen Kulturgütern allerdings noch an hinterster Stelle. Priorität hat die Bergung des zweiten Vermissten, wie die Kölner Feuerwehr am Montagnachmittag betonte.
(rv 10.03.2009 ad)








All the contents on this site are copyrighted ©.