D: Kölner Archiveinsturz, Handschrift von Albertus Magnus geborgen
Mit dem Kölner Stadtarchiv
ist vor einer Woche das größte kommunale Archiv nördlich der Alpen eingestürzt. Neben
der Trauer um die Menschen, die dabei ums Leben kamen, wird jetzt auch das Ausmaß
der kulturellen Verluste immer deutlicher. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers sprach am Montag von einer „kulturellen Katastrophe“. Unter den Trümmern
begraben sind unersetzliche, teils Jahrtausend alte Dokumente. Darunter 15 Handschriften
des Philosophen und Kirchenlehrers Albertus Magnus, dem Schutzpatron der Naturwissenschaftler,
der 1280 in Köln starb. Immerhin konnte eine der einzigartigen Schriften am Dienstag
geborgen werden. - Wie es aber um den Erhalt der übrigen Dokumente bestellt ist, bleibt
fraglich. Über die Bedeutung dieses drohenden Verlusts sprach das Kölner „domradio“
mit Andreas Speer. Er ist Philosophie-Professor am Thomas-Institut der Universität
Köln und Albertus-Magnus-Experte: „Gerade aus der Zeit ist alles, was verloren
geht, erstens unwiederholbar verloren, denn wir sind ja nicht im Zeitalter der Buchreproduktion
oder des digitalen Edierens oder Bewahrens von Dingen. Es sind alles Unikate und natürlich
gibt es davon nicht mehr so viele. Das hängt eben damit zusammen, dass es selten ist,
dass ein solches Dokument über viele Jahrhunderte bewahrt werden kann. Und deshalb
kann man sagen, mit allem was verloren geht, geht eben ein spezifisches Wissen über
diese Zeit verloren. Wir können es uns nicht wieder anschauen, so dass wir uns mit
dem, was wir wissen begnügen müssen.“ Mittelalterliche Handschriften von so
bedeutenden Autoren wie Albertus sind nur wenige erhalten. Das Kölner Stadtarchiv
beherrbergte Albertus’ umfangreichen Kommentar zum Mathäus-Evangelium und seine bahnbrechenden
naturwissenschaftliche Schriften. Albertus hatte als Erster versucht, das naturphilosophische
Denken Aristoteles’ mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren. Zwar sind die meisten
dieser Schriften inzwischen als Buchversion ediert worden. Doch sind die Original-Codizes
Fundgruben für historisches Wissen, das über den bloßen Text weit hinausgeht: „Immer
wieder entdeckt man darin etwas Neues, zum Beispiel die kritische Edition, die wir
haben, gibt überhaupt nicht wieder, wie Albert gearbeitet hat, seine Persönlichkeit
kommt darin nicht zum Ausdruck. Wir erfahren aus den Handschriften auch ganz nette
Dinge, zum Beispiel darüber, dass er es mit der Orthographie, wie es zu der damaligen
Zeit gang und gäbe war, nicht sehr ernst nahm. Das sind natürlich auch Einsichten,
die uns etwas zeigen, über die Eigenart der kulturellen Situation. Wir können in den
Codizes viele historische Fakten ablesen, die wir natürlich in einem gedruckten Buch
ja gar nicht mehr alle repräsentieren können.“ Neben den Handschriften von
Albertus Magnus beklagen Wissenschaftler zudem große Verluste für die Forschung zum
politischen Katholizismus. Das Kölner Stadtarchiv verwahrte unter anderem den Nachlass
des Journalisten und Politikers der katholischen Zentrumspartei Carl Bachem (1858-1945).
Bachem gehörte zum Führungskreis katholischer Politiker im Kaiserreich und der Weimarer
Republik. Bisher steht die Suche nach erhaltenen Kulturgütern allerdings noch an hinterster
Stelle. Priorität hat die Bergung des zweiten Vermissten, wie die Kölner Feuerwehr
am Montagnachmittag betonte. (rv 10.03.2009 ad)