Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und ein katholisches Forschungsinstitut untersuchen
gemeinsam die Rolle von Pius XII. in der NS-Zeit. Die gemeinsame Historikertagung
begann an diesem Sonntag und endet am Montag. Eingeladen sind sowohl Kritiker als
auch Verteidiger des Pacelli-Papstes, berichtet der Dekan der Ordens-Hochschule „Studium
Theologicum Salesianum“ aus Jerusalem, Roberto Spataro. Er spricht von einem „Schritt
vorwärts" in der historischen Rekonstruktion dieses Aspekts der Amtszeit von Pius
XII. Es seien noch viele Dokumente aus der fraglichen Zeit zu studieren. „Der Weg
ist noch weit", so der Salesianer. Das Treffen sei auch im Hinblick auf Papst
Benedikts möglichen Besuch in Yad Vashem zu sehen, berichtet der Salesianer Francesco
De Ruvo gegenüber der Nachrichtenagentur Zenit. In Yad Vashem gibt es eine Bildunterschrift
zu Pius XII., auf der dem Papst „Schweigen und Fehlen von Leitlinien" während des
Holocausts zugeschrieben werden - eine Behauptung, die von vielen Historikern, darunter
auch jüdischen, als völlig falsch zurückgewiesen wird. „In den letzten Jahren wurden
zahlreiche Bücher und neue Artikel veröffentlicht", erklärt De Ruvo. „Nun liegt neues
Material vor, das es erlaubt, neue Aspekte ans Licht zu bringen, die man sich anschauen
und zusammenfassen soll, um zu sehen, ob es etwas Neues gibt und manches korrigiert
werden soll." Die Zeitspanne vor dem Pontifikat Pius XII., die Beziehungen zu den
deutschen Bischöfen, die Lage in Italien während des Holocausts und die Zeit nach
dem Holocaust gehören zu den Themen. Unter den Teilnehmern befindet sich auch der
Potsdamer Zeithistoriker Thomas Brechenmacher, Autor des Buches „Der Vatikan und die
Juden“. „Für einige ist Pius XII. ein indifferenter Beobachter des Holocausts gewesen,
der im Stillen zum Komplizen der gewaltigen Tragödie wurde", so De Ruvo. „Andere Forscher
und Historiker haben für einige Zeit eine völlig andere These vertreten, die eine
positive Beurteilung des Wirkens von Papst Pius XII. bedeutet: Er bemühte sich demnach,
mit allen möglichen Mitteln die Auswirkungen des Holocausts zu verringern, manchmal
mit wirksamen Resultaten." Die zweite Position stützt sich auf historische Dokumente
sowie auf schriftliche und mündliche Zeugenaussagen. Die erste Sitzung an diesem
Sonntag wurde von Avner Shalev, der Vorstandsvorsitzenden des Yad Vashem-Komplexes,
und dem päpstlichen Nuntius, Erzbischof Antonio Franco, eröffnet. Shalev würdigte
vatikanische Signale „für eine stärkere Öffnung der Archive“ zum Pontifikat von Pius
XII. Es sei „ermutigend, dass der Papst selbst Anweisungen gegeben hat, die Katalogisierung
der entsprechenden Dokumente noch zu beschleunigen“. Erzbischof Franco spielte in
seinem Statement auf den Williamson-Skandal an: „Man kann nicht katholisch sein, wenn
man die Shoah leugnet.“ Es sei in diesem Zusammenhang in den letzten Monaten zu „traurigen
Momenten“ gekommen, so der Nuntius. Er betonte, dass Yad Vashem und der Heilige Stuhl
„keine Gegenspieler“ seien: Es liege in ihrem gemeinsamen Interesse, „Hand in Hand“
das Wissen über Pius XII. und seine Haltung zur Shoah zu „vertiefen“. Ziel sei „eine
gemeinsame Haltung beider Seiten“; die Kirche sei „die beste Verbündete von Yad Vashem,
um die Erinnerung wachzuhalten und aus ihr zu lernen“. In Jerusalem war zu hören,
dass es auch Ziel der Gespräche sein soll, zu einem Einverständnis über einen neuen
Text für die Schrifttafel in Yad Vashem zu finden. (fides/zenit/ansa/rv
08.03.2009 sk)