2009-03-06 11:35:33

D: Brückenbauer aus Breslau


RealAudioMP3 Der Zweite Weltkrieg hat das 20. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa nachhaltig geprägt. Neue Staaten sind entstanden, neue Grenzen wurden gezogen. Auch die katholische Kirche hat die Auseinandersetzungen in jenen Gebieten aus erster Hand miterlebt. Besonders schwierig war es für die Gläubigen an der deutsch-polnischen Grenze.
Mario Galgano weiß mehr darüber.

Die deutsch-polnische Grenze hat eine bewegende Geschichte hinter sich. Gebiete wie Schlesien wechselten ihre Zugehörigkeit im Laufe von wenigen Jahren. Für die einen sind die Schlesier Deutsche, für andere sind sie Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich deshalb die Kirche als Brückenbauerin verstanden, die an dieser Grenze zwischen den Völkern eine brüderliche Versöhnung anstrebt. Das erklärt der Paderborner Theologe Hubertus Drobner. Er ist auch Dekan des Priesterrates des Visitators für die schlesischen Katholiken im Erzbistum Breslau. Ein Apostolischer Visitator ist ein Beauftragter des Papstes, der mit besonderen und umfassenden Befugnissen ausgestattet ist. In diesem Fall geht es also um die deutschsprachigen Katholiken im polnischen Bistum Breslau. Nun war Dobner als Mitarbeiter des Visitators für die katholischen Schlesier beim Papst – zu einer Art Ad-Limina-Besuch…

„und im Gespräch mit uns war Benedikt XVI. positiv über diese Versöhnungsarbeit zwischen Deutschen und Polen eingestellt. Wir betreiben dies seit Jahrzehnten. Es ist eine wichtig Arbeit, die zukunftsweisend und fruchtbar ist“, sagt Hubertus Dobner.

Die Schlesier waren schon immer konfessionell aufgeteilt: Im nördlichen Schlesien leben mehrheitlich Lutheraner. Im südlichen – heute polnischen Teil – leben vor allem Katholiken. Deshalb spielt Ökumene eine wichtige Rolle in der Versöhnung. Drobner:

„Es ist ja so, dass die katholische Kirche in Polen wie auch in Deutschland ein Teil dieser Kultur ist. Durch den Zweiten Weltkrieg muss aber noch einiges aufgearbeitet werden. Das geschieht bereits. Ich will ganz offen sein: In Deutschland meinen manche, dass die Vertriebenenprobleme längst erledigt seien. Man glaubt, dass die letzten Vertriebenen sowieso bald aussterben werden. Daher brauche man ihrer Meinung nach keine Seelsorger mehr. Doch allein aus dem Erzbistum Breslau gibt es noch 500.000 Gläubige, die nach Polen vertrieben wurden. Wenn wir jeweils eine Veranstaltung durchführen, dann kommen 5.000 und mehr Leute. Das müssen andere Gruppen erst mal nachmachen.“

Ein großes Problem war für die Schlesier die Zeit des Kommunismus. Das Gebiet war nicht nur in zwei Staaten sondern auch in zwei verschiedene soziale Systeme aufgeteilt.

„Die Kontakte zwischen den Menschen waren natürlich schwierig solange Polen kommunistisch war. Inzwischen ist aber so, dass sich in Schlesien selbst ein schlesisches Bewusstsein entwickelt. Und zwar auf polnischer Seite. Die sagen, sie seien durchaus Polen aber gleichzeitig fühlen sie sich Bürger eines Landes, das eine tausendjährige Geschichte hat. Dazu gehört auch die deutsche Geschichte. Die wurde in der sowjetischen Zeit verdrängt. Das macht es für uns nun einfacher, dort präsent zu sein. Das führt zu wechselseitigen Besuchen. Es finden Bildungsveranstaltungen statt. Und es gibt auch die Gesellschaft für die deutsch-polnische Verständigung, die eine aktive Jugendarbeit betreibt. Es gibt eine Vielzahl an Aktivitäten, die wir unternehmen auf beiden Seiten.“

Nach dem Fall des Kommunismus steht die Funktion der Kirche als Brückenbauerin stärker denn je im Vordergrund, sagt Hubertus Drobner.

„Aber darum geht es nicht allein. Das ist kurzsichtig. In einem großen europäischen Kontext geht es um die Verständigung und die Vereinigung der Völker. Wenn die Kirche in dieser Hinsicht keine Rolle spielt, vergeben wir eine riesige Chance. Das haben wir bereits gesehen, mit dem europäischen Verfassungsentwurf. Da will man Gott nicht mehr erwähnen. Da genügt es eben nicht, dass ein solches Vorhaben auf der obersten Ebene wie Kardinäle und Bischöfe protestieren. Das Volk – also von unten aus – muss diese Gemeinsamkeit und Kirchlichkeit pflegen.“

Durch die deutsche Wiedervereinigung hat Schlesien auch ein neues Selbstbewusstsein gefunden, fügt Hubertus Drobner an.

„Denn das hat neue Impulse gebracht. Denn damit hat Deutschland wieder sein Bewusstsein für ihre Einheit gepflegt. Deutschland hat somit selber gespürt – kirchlich wie politisch – was es bedeutet, Einheit mit anderen Völkern zu pflegen. Denn, wenn das eigene Volk geteilt ist – und ich habe das persönlich erlebt – dann gibt es eine Chance, Freiheit und Einheit neu zu gestalten.“

(rv 06.03.2009 mg)







All the contents on this site are copyrighted ©.