Man sollte Abtreibungen nicht mit dem Holocaust vergleichen. Das meint der Vorsitzende
der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. In der ARD wandte er
sich gegen angebliche Äußerungen des Augsburger Bischofs Walter Mixa. Dieser soll
die Zahl der in den letzten Jahrzehnten abgetriebenen Kinder mit der Zahl der unter
Hitler ermordeten Juden verglichen haben. Wörtlich meinte Zollitsch dazu: „Der Holocaust
ist etwas Furchtbares. Und es gibt gar keine Möglichkeit, den Holocaust einfach mit
anderen Elementen zu vergleichen.“ Er hoffe auf eine Klarstellung durch seinen Amtsbruder
in Augsburg. Zollitsch wörtlich: „Wir werden über diese Frage miteinander sprechen.“
Mixas Äußerung war nach Angaben einer fränkischen Regionalzeitung letzte Woche
bei einem Besuch in Dinkelsbühl gefallen. Das Bistum Augsburg weist den Bericht entschieden
zurück. Es könne gar keine Rede davon sein, dass Bischof Mixa das „grauenvolle Unrecht
gegen das jüdische Volk“ relativieren wolle.
Der Generalsekretär des Zentralrats
der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, hat erneut schwere Kritik an der Kirche
geübt. Bischof Mixas angebliche Äußerung und der Fall Williamson zeigten, dass die
Kirche derzeit „geradezu auf der Überholspur zurück ins Mittelalter“ sei. Das schreibt
Kramer in einem Gastbeitrag der Zeitung „Die Welt“. Mit seinem Vergleich zwischen
den Opferzahlen durch Abtreibungen und den Holocaust liege Bischof Mixa auf der „geistigen
Linie der Pius-Bruderschaft“; damit folge er dem Holocaust-Leugner Richard Williamson
„auf subtileren Wegen“. Kramer äußert sich häufig sehr pointiert; von seinen heftigen
Anschuldigungen gegen den deutschen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert hat sich
künftig sein eigener Verband distanziert.
Das Bistum Augsburg hat die Kritik
Kramers als „abwegig und völlig überzogen“ zurückgewiesen. Das Missverständnis eines
angeblichen Vergleichs der Abtreibungspraxis in Deutschland mit dem Holocaust durch
Bischof Walter Mixa sei überhaupt nur entstanden, weil der Bischof zu Beginn eines
Vortrags zunächst aus aktuellem Anlass und in scharfer Form jegliche Leugnung des
Holocausts zurückgewiesen und sich mit den Juden solidarisiert habe. Das sagte Mixas
Pressesprecher am Montag. Der Bischof habe den Mord an über sechs Millionen Juden
als „entsetzliches und absolut singuläres Verbrechen“ bezeichnet und betont, dass
der Holocaust für alle Zeiten eine Mahnung sei, Leben und Menschenwürde jedes Einzelnen
zu achten.
Anschließend habe der Bischof dann darauf hingewiesen, dass es auch
in der Gegenwart Verbrechen gegen das Leben in unvorstellbarem Ausmaß gebe. Dabei
habe er dann die Zahl der Abtreibungen von 9 Millionen in den letzten dreißig Jahren
genannt. Wer versuche, daraus eine antijüdische Haltung zu konstruieren oder gar die
Kirche als mittelalterlich zu beschimpfen, diene nicht dem fruchtbaren und brüderlichen
Gespräch zwischen Juden und Christen. Gleichzeitig müsse einem katholischen Bischof
aber zugestanden werden, dass er das Unrecht der Abtreibung in aller Deutlichkeit
anspreche. Der Pressesprecher erinnerte daran, dass Bischof Mixa als eine seiner ersten
Amtshandlungen in Augsburg der jüdischen Kultusgemeinde einen Freundschaftsbesuch
abgestattet habe.