2009-02-22 13:28:55

Pius XII. - Ein Papst in Bedrängnis


Die geplante Reise des Papstes ins Heilige Land, die bevorstehende Seligsprechung Pius XII., aber auch die jüngsten Ereignisse im Umfeld der Traditionalisten haben die Debatte um die Rolle dieses Papstes während des Zweiten Weltkriegs neu angeheizt. Hätte der Papst die Greueltaten Hitlers stoppen können, in dem er Krieg und Judenverfolgung öffentlich verurteilte?  Professor Karl-Joseph Hummel ist Direktor der Kommission für Zeitgeschichte mit Sitz in Bonn. Aldo Parmeggiani fragte ihn, wie er das „Schweigen“ Pius XII. zum Holocaust beurteilt.

„Dazu muss man sagen, dass der Papst zunächst die Möglichkeit gar nicht gehabt hat und es muss schon die Frage erlaubt sein, warum die Nationalsozialisten gerade an diesem Punkt, der in ihrem Rassismus an erster Stelle stand, auf den Papst in Rom hätten hören sollen, wenn sie in anderen Punkten nicht auf ihn gehört haben und wir wissen ja, dass aus dem Streit um das Reichskonkordat 1933, dass die Nationalsozialisten auch da nicht bereit waren auch nur an einem einzigen Punkt nachzugeben. Tatsächlich war das Schweigen für Pius XII. die Voraussetzung, dass er handeln konnte, also die Nichtöffentlichkeit war die Voraussetzung dafür, dass zum Beispiel über die Nuntiaturen, Roncalli in Ankara oder der Nuntius in Budapest,Pässe ausgestellt worden sind, die die Ausreise nach Südamerika ermöglicht haben oder Taufen vorgenommen worden sind, oder jüdische Kinder in katholische Familien oder in Klöster vermittelt worden sind.“

Welche Leitlinien haben Ihres Erachtens Herr Hummel Pius XII. zu seinem Verhalten veranlasst? Hätte es dazu überhaupt Alternativen gegeben?

„Pius XII. war Zeit seines Lebens ein abwägender, überlegender Diplomat, der mit juristischer Bildung sehr bedacht reagiert hat und nicht vorschnelle Entscheidungen getroffen hat. Diese eher abwartende diplomatische Haltung steht nun in Konkurrenz zu einer moralischen Führungsrolle, die von ihm erwartet worden war, auch von vielen Katholiken erwartet worden war. Natürlich ist es vorstellbar, dass ein anderer Papst sich anders verhalten hätte, und sein persönlicher Sekretär, Pater Leiber, hat in einem Interview einmal gesagt, er glaube, dass Pius XI. sich anders entschieden hätte und in dem Protest gegen die Ermordung der europäichen Juden an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Aber er wollte sich nicht festlegen, welches Ergebnis das bessere gewesen wäre. Für Pius XII. war es wichtig, ad maiora mala evitanda.“

Nach der Öffnung der vatikanischen Archive wissen wir auch, dass es sehr viele alternative Überlegungen gab, die dann aus ganz verschiedenen Gründen verworfen worden sind. Ein Beispiel?

„1937 hat der Vatikan überlegt, nach dem Scheitern der Enzyklika 'Mit brennender Sorge', die in Deutschland nur dazu geführt hat, dass die Verfolgungsmaßnahmen zugenommen haben, aber damit die Situation der Katholiken nicht verbessert worden war, nach diesem Scheitern auf nationaler Ebene eine weltweite Offensive gegen den Nationalsozialismus zu inszenieren, und diese weltweite Initiative ist dann unterbleiben, weil Kardinal Faulhaber in München davon abgeraten hat, mit der Begründung, diese Offensive würde dem Druck der Nationalsozialisten auf die katholische Kirche weiter erhöhen und würde in Deutschland zu einer Kirchenspaltung führen, weil es die Katholiken zwingt, sich zwischen Staat und Kirche zu entscheiden.“

Fünf Jahre nach dem Tod Pius XII. - 1963 - wird in Berlin ein Drama eines jungen protestantischen Schriftstellers, Rolf Hochhuth, aufgeführt, die das Geschichtsbild Pius XII. auf Jahrzehnte von weiß auf schwarz veränderte. Kritiker behaupten, die Darstellung Pius XII beruhe auf völlig unseriöse wissenschaftliche Recherchen, andere sprechen von einer gelungenen Dramaturgie?

„Die Öffnung der vatikanischen Archive bis 1939 erlaubt es nun schon in einer ganzen Reihe von Punkten mit Dokumenten, die bisher nicht zur Verfügung waren, gegen Hochhuth zu argumentieren, und wenn Rolf Hochhuth bereit wäre, sich auf diese  Diskussion einzulassen, wäre sein Theaterstück auch nicht mehr aufführbar. Die einzige Möglichkeit für Hochhuth, seine Position zu halten, ist, dass er dem Gespräch mit der Wissenschaft konsequent aus dem Weg geht und gegen die Erkenntnisse der zeitlichen erforschungen moralische Positionen behauptet, die aber deshalb so schwach sind, weil die Personen auf der Bühne und die Wirklichkeit nichts miteinander zu tun haben.“

(rv 22.02.2009 sk)







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