Die österreichischen Diözesanbischöfe haben bei der außerordentlichen Konsultation,
die Kardinal Christoph Schönborn an diesem Montag nach Wien einberufen hatte, einen
gemeinsamen Hirtenbrief verabschiedet. „In dem Hirtenbrief wird auf die verschiedenen
Aspekte der aktuellen kirchlichen Situation in Österreich Bezug genommen“, teilte
die Erzdiözese Wien am Montag Nachmittag mit. Aus den Ereignissen der vergangenen
Wochen müsse man lernen, so die Bischöfe, und „aus den Fehlern die richtigen Konsequenzen
für die Zukunft ziehen“. Die Sondersitzung diente dazu, „die Ereignisse zu beraten,
die in den vergangenen Tagen Sorge und Verärgerung in und außerhalb der Kirche hervorgerufen
haben“. Der von den zehn Diözesanbischöfen unterzeichnete Brief richtet sich an die
Gläubigen und an alle Bürger des Landes. Wörtlich heißt es: „Wir schulden den Menschen
ein Wort der Klärung, wollen aber auch der Hoffnung Ausdruck geben, dass mit jeder
Krise Chancen verbunden sind.“ Die Bischöfe nehmen Bezug auf die Debatten um die
Ernennung von Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof von Linz und die Piusbruderschaft.
Offen sprechen sie Spannungen, gerade die in der Diözese Linz an. Mit der jüngsten
Ernennung sei diese „wieder akut geworden“. Doch „der pastorale Weg“ in den dort offenen
Fragen zum Verhältnis von Weihesakrament und Laienapostolat könne „nur im Einklang
mit der Weltkirche begangen werden“. Das Thema der Bischofsernennungen sei deswegen
„so bedeutsam“, betonen die Bischöfe, „weil es seit Mitte der achtziger Jahre in Österreich
mit etlichen Problemen verbunden war“. „Zu zahlreich waren die Kontroversen um Bischofsernennungen,
zu schmerzlich die Konflikte und die Risse in der Kirche, die sie ausgelöst haben.
Daher ist gerade in diesem Bereich höchste Sensibilität angebracht.“ Für die Ernennungen
in den nächsten Jahren erwarteten die Gläubigen „mit Recht, dass das Verfahren der
Kandidatensuche, die Prüfung der Vorschläge und die letzte Entscheidung sorgfältig
und mit pastoralem Gespür vorgenommen werden“. Dadurch könne sicher gestellt werden,
„dass Bischöfe nicht ,gegen’, sondern ,für’ eine Ortskirche ernannt werden“. Zur
Debatte im Zusammenhang mit der Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der
Piusbruderschaft halten Österreichs Bischöfe fest: „Wir hoffen, dass es gelingen wird,
die unzureichenden Kommunikationsabläufe auch im Vatikan zu verbessern, damit der
weltweite Dienst des Papstes nicht Schaden erleidet.“ (rv 16.02.2009 bp)
Hier
lesen Sie den Hirtenbrief im Wortlaut Liebe Katholikinnen und Katholiken,
liebe Schwestern und Brüder im Glauben, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger unseres
Landes!
Die österreichischen Diözesanbischöfe haben sich am Montag versammelt,
um nach gemeinsamem Gebet über die Ereignisse zu beraten, die in den vergangenen Tagen
Sorge und Verärgerung in und außerhalb der Kirche hervorgerufen haben. Wir schulden
den Menschen ein Wort der Klärung, wollen aber auch der Hoffnung Ausdruck geben, dass
mit jeder Krise Chancen verbunden sind.
Das kann für uns als Kirche nur bedeuten,
dass wir den Blick auf Christus richten und offen halten. Unsere Rede von Gott muss
immer auch eine Rede vom Menschen sein. Für das Miteinander in der Kirche heißt das,
dass wir noch besser aufeinander hören, um gemeinsam "die Zeichen der Zeit" aus dem
Glauben deuten zu können. So kann die Kirche allen Menschen dienen.
1. Das
erste Wort gilt den Gläubigen, die mit den Bischöfen in die Bedrängnis einer Krise
geraten sind und doch voll Vertrauen ausgeharrt haben. Die Gläubigen haben manche
Kritik, auch Spott und Ablehnung erfahren müssen, die zum Teil durch Fehler in der
Kirche verursacht waren. Viele haben in dieser Situation ihre Treue und ihre Liebe
zur Kirche bewiesen.
Unser Dank gilt den vielen Beterinnen und Betern, die
so die Kirche tragen und den Menschen den Segen Gottes erbitten. Wir Bischöfe danken
den Priestern und Diakonen für ihr Mittragen des bischöflichen Auftrags, Diener der
Einheit zu sein. Wir danken den vielen Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich großherzig
für die Pfarrgemeinden, für junge Menschen, für Leidende, für Kranke, für Menschen
in jeglicher Not einsetzen und so eine solidarische Gesellschaft stärken. Der Dank
gilt aber auch den zahlreichen Menschen in Österreich, die aus unterschiedlicher Nähe
oder Distanz darauf vertrauen, dass die Kirche diese schwierige Situation bewältigt.
2.
Die katholische Kirche in Österreich ist die größte Gemeinschaft unseres Landes und
zugleich Teil der weltweiten Gemeinschaft der katholischen Kirche. Dazu gehört wesentlich
die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des Heiligen Petrus. So wie
wir Bischöfe die Treue der Gläubigen erfahren, wollen wir dem Papst in schweren und
auch für ihn belastenden Situationen unsere Verbundenheit zeigen - dies als Ausdruck
der Treue, die sich gerade in schweren Zeiten zu bewähren hat. Diese Verbundenheit
ist zugleich ein unaufgebbares Element katholischer Identität.
3. In diesem
Zusammenhang wollen wir auch ein klärendes Wort zur "Aufhebung der Exkommunikation"
für die vier im Jahre 1988 unrechtmäßig geweihten Bischöfe sagen:
Papst Benedikt
XVI. hat unmissverständlich klargestellt, dass sich der lefebvrianische Bischof Richard
Williamson durch die Leugnung der Shoah selbst disqualifiziert hat und dass er diese
unhaltbare Verneinung des Massenmordes am jüdischen Volk öffentlich und eindeutig
widerrufen muss.
Die Maßnahme der "Aufhebung der Exkommunikation" von Seiten
des Papstes bedeutet nur eine dargebotene Hand gegenüber jenen, die sich von der Kirche
getrennt haben. Daraus folgt aber keinesfalls, dass diese vier Bischöfe in der katholischen
Kirche automatisch irgendein Amt innehaben dürfen.
Vielmehr muss die lefebvrianische
Gemeinschaft jetzt ihrerseits klare Zeichen setzen, dass sie diese ausgestreckte Hand
ergreift und damit tatsächlich Versöhnung sucht. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich
die vorbehaltlose Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Wir hoffen, dass
es gelingen wird, die unzureichenden Kommunikationsabläufe auch im Vatikan zu verbessern,
damit der weltweite Dienst des Papstes nicht Schaden erleidet.
4. Um Fragen
der Kommunikation ging es auch bei der jüngsten Ernennung eines Weihbischofs für die
Diözese Linz. Die Bischöfe nehmen die an den Papst gerichtete Bitte von Pfarrer Dr.
Gerhard Maria Wagner um Rücknahme der Ernennung zur Kenntnis. Das Thema der Bischofsernennungen
ist deswegen so bedeutsam, weil es seit Mitte der achtziger Jahre in Österreich mit
etlichen Problemen verbunden war. Zu zahlreich waren die Kontroversen um Bischofsernennungen,
zu schmerzlich die Konflikte und die Risse in der Kirche, die sie ausgelöst haben.
Daher ist gerade in diesem Bereich höchste Sensibilität angebracht.
Es steht
außer Frage, dass dem Papst die freie Ernennung der Bischöfe zukommt. Die Bischöfe
wünschen kein Zurück in Zeiten, in denen – wie bis 1918 - der Kaiser die Bischöfe
in Österreich ernannt hat. Auch eine "Volkswahl" der Bischöfe würde Konflikte und
Parteiungen nicht vermeiden. Wir Bischöfe sind überzeugt, dass das im Kirchenrecht
vorgesehene Verfahren zur Auswahl und zur Prüfung von Kandidaten sich bewährt, wenn
dieses Verfahren auch wirklich eingehalten wird. Denn bevor der Heilige Vater die
letzte Entscheidung trifft, muss es dafür verlässliche und umfassend geprüfte Grundlagen
geben, auf die er sich stützen kann.
In Österreich werden in den nächsten Jahren
eine Reihe von Bischöfen zu ernennen sein. Die Gläubigen erwarten mit Recht, dass
das Verfahren der Kandidatensuche, die Prüfung der Vorschläge und die letzte Entscheidung
sorgfältig und mit pastoralem Gespür vorgenommen werden. Dadurch kann sicher gestellt
werden, dass Bischöfe nicht "gegen", sondern "für" eine Ortskirche ernannt werden.
Wir
Bischöfe werden alles Mögliche tun, um die bevorstehenden Bischofsernennungen im Sinn
dieser Verfahrensregeln zu begleiten, in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen
vatikanischen Stellen.
5. Es ist ein höchst wünschenswertes Zeichen für die
Einheit in der Kirche, wenn die Ernennung eines Bischofs für die Gläubigen Freude
und Ermutigung bedeutet. Trotz möglicher Vorbehalte gehört es zu einem guten menschlichen
und christlichen Klima, einem neu ernannten Bischof mit Wohlwollen zu begegnen. Es
ist aber auch zu erwarten, dass ein Bischof den Gläubigen mit Sensibilität begegnet
und so ihr Vertrauen gewinnt.
6. Die Situation in der großen Diözese Linz macht
den Bischöfen Sorgen - dies auch nach dem Rücktritt von Pfarrer Dr. Gerhard Wagner.
Es gibt in dieser Diözese viel Erfreuliches, das oft zu wenig gesehen wird, wenn von
manchen Problemen die Rede ist. Oberösterreich hat eine sehr lebendige Kirche, ein
dichtes Netz aktiver Pfarrgemeinden und Seelsorgezentren, ein ausgeprägtes Gespür
für die soziale Dimension des Christseins, eine großartige Hilfsbereitschaft in der
weltkirchlichen Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten. Bedeutende Klöster und
Ordensgemeinschaften prägen das Land. Die katholischen Laienorganisationen sind hier
besonders aktiv. Uns Bischöfe bewegt aber auch die in der Diözese Linz seit Jahren
spürbare Spannung, die mit der jüngsten Ernennung wieder akut geworden ist. Es geht
hierbei nicht nur um unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich Strukturen und Methoden,
sondern letztlich um die Frage der sakramentalen Identität der katholischen Kirche.
Besonders betrifft dies das Weihesakrament für Priester und Diakone im Verhältnis
zum allgemeinen Priestertum aller Getauften. Der pastorale Weg kann nur im Einklang
mit der Weltkirche begangen werden. Bei allen Differenzen muss dieser Weg der Kirche
im beharrlichen Gebet und im Gespräch mit der Universalkirche auf der Grundlage des
Zweiten Vatikanischen Konzils gegangen werden.
7. Im Vertrauen auf Gottes Hilfe
werden wir die Krise der letzten Wochen überwinden können. Wir müssen aber aus den
Ereignissen lernen, aus den Fehlern die richtigen Konsequenzen für die Zukunft ziehen.
Ohne andere anstehende Fragen außer Acht zu lassen, werden wir uns vor allem wieder
deutlich der Mitte des Glaubens nähern. Das bedeutet: Auf Christus schauen, der seine
Kirche nicht verlässt und dessen Wort und Tat Maß für unser Wort und unsere Tat sind.
In dieser Zeit, in der große wirtschaftliche Probleme und existenzielle Sorgen bestehen,
sollen die Christinnen und Christen Hand, Herz und Hirn frei haben für den Auftrag,
das Evangelium zu leben und es als gute Botschaft für alle Menschen weiter zu geben.
Dazu
erbitten wir auf die Fürsprache Mariens, der Magna Mater Austriae, den Segen Gottes
des Vaters, die Kraft Jesu Christi und das Licht des Heiligen Geistes.