Bernhard Vogel im Vatikan: „Hoffe, dass man aus Schaden klug wird“
Der langjährige CDU-Ministerpräsident
Bernhard Vogel ist in diesen Tagen zu Gesprächen in Rom. Dabei hat der engagierte
Katholik, der die „Konrad-Adenauer-Stiftung“ leitet, auch mehrere Vatikan-Kardinäle
getroffen. Gegenüber Radio Vatikan bestätigte Vogel, dass er im Vatikan u.a. den „Scherbenhaufen“
angesprochen habe, zu dem der Williamson-Skandal in Deutschland geführt hat. Unter
anderem hatte Bernhard Vogel sich mit Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone ausgetauscht.
„Mein
Gespräch mit dem Herrn Kardinalstaatssekretär behandelte über weite Strecken andere
Themen der Politik und des Vatikans; ganz am Schluß habe ich in der Tat eine Bemerkung
zu dem Scherbenhaufen gemacht – weil ich das schlichtweg nicht verschweigen wollte.
Denn in Deutschland sind eben Scherben entstanden, und jeder Gutwillige kann nur wünschen,
dass sie wieder gekittet werden.“
Vogel fand den vatikanischen Regierungschef
zwar über Details der italienischen Politik überraschend gut informiert. Doch ist
er sich nicht ganz sicher, inwieweit die Debatte in Deutschland in all ihrer Schärfe
auch in Bertones Blick geraten ist.
„Ausgesprochen wurde das relativ wenig;
aber ich habe schon den Eindruck, dass man gemerkt hat, dass da Tassen aus dem Schrank
gefallen sind.“
Dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel den Papst
öffentlich um eine Klarstellung in der Affäre Williamson gebeten hat, erklärt Vogel
aus Merkels Biographie heraus. „Frau Merkel ist zumal als ostdeutsche Politikerin
in einer eindeutigen Klarheit allen Versuchen, auch nur von ferne den Holocaust zu
relativieren, entgegengetreten – in ihrer ganzen politischen Karriere. Ich glaube,
sie hat keinerlei Zweifel an der klaren Position des Heiligen Vaters; aber sie hat
sich schon dagegen zu Wort gemeldet, dass man Vertreter dieser obskuren Ansicht, es
habe den Holocaust nicht gegeben, gut behandelt.“ Dass einige Katholiken sich
von Merkels Wortmeldung düpiert fühlen, kann Vogel nachvollziehen. Er selber fragt
sich, ob es nicht auch ein möglicher Weg gewesen wäre, den Berliner Nuntius zu einem
Gespräch ins Kanzleramt einzubestellen. Aber: „Aus der Geschichte heraus ist
es sehr verständlich, dass es in Deutschland viele Katholiken gibt, die auf den Heiligen
Vater nichts kommen lassen und die sich – gleich, aus welchem Grund – gegen Kritik
am Heiligen Vater wenden. Das hat sich auch hier wieder gezeigt. Aber ich möchte ausdrücklich
sagen: Bei Licht besehen geht es nicht um eine Kritik am Papst, sondern um eine Kritik
an denen, die nicht nachdrücklich vor den negativen Folgen der Aufhebung der Exkommunikation
eines Weihbischofs gewarnt haben.“ Überraschend ist es für Bernhard Vogel,
dass er bei seinen Gesprächspartnern im Vatikan keine Hinweise auf eine mögliche Deutschlandreise
des Papstes gefunden hat. Nach Medienangaben ist eine solche Visite immerhin für den
Herbst 2010 im Gespräch. „Selbstverständlich würde ich mich freuen, wenn der
Heilige Vater Deutschland wieder besuchte – zumal ja die beiden ersten Besuche keinen
spezifischen Deutschland-Bezug hatten, sondern wegen des Weltjugendtages und wegen
des Besuches in seiner engeren Heimat stattgefunden haben. Meines Erachtens wäre es
sehr begrüßenswert, wenn der Heilige Vater bei seinem nächsten Besuch selbstverständlich
in die deutsche Bundeshauptstadt käme, wie das ja in anderen Ländern auch häufig Gepflogenheit
ist. Aber darüberhinaus würde ich mich freuen, wenn er den ostdeutschen Katholiken,
die es in den letzten sechzig Jahren schwerer hatten als die westdeutschen, einen
Besuch machte.“ Aus Vogels Sicht bietet sich da vor allem das Eichsfeld an,
„wo besondere Treue und Verbundenheit mit der katholischen Kirche Tradition hat“.
„... aber wegen der Ökumene gegenüber der evangelischen Kirche natürlich auch
ein Platz wie Erfurt, der sehr eng mit Luther verbunden ist, oder die Wartburg, wo
immerhin das Neue Testament von Luther ins Deutsche übersetzt worden ist.“ Vogel,
früherer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hatte nach der Wiedervereinigung das
gleiche Amt im mitteldeutschen Thüringen inne. Dass die Affäre Williamson Auswirkungen
auf einen möglichen Papstbesuch haben könnte, glaubt er nicht. „Ich hoffe aber
vor allem, dass man aus Schaden klug wird. Jedes Ärgernis kann auch dazu dienen, ein
bißchen nachzudenken, in Zukunft noch sorgsamer aufzupassen und keinen Anlaß zu bieten,
dass erneut Porzellan zu Bruch geht!“ Vogel wurde 1932 in Göttingen geboren.
Er war von 1976 bis 1988 Ministerpräsident in Mainz und von 1992 bis 2003 Ministerpräsident
in Erfurt. Keinem anderen Politiker gelang wie ihm der ost-westdeutsche Spagat. Sein
Bruder ist der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel.