Der Staat der Vatikanstadt
feiert an diesem Mittwoch Geburtstag: Vor 80 Jahren, am 11. Februar 1929, wurden die
so genannten Lateranverträge zwischen Heiligem Stuhl und Königreich Italien unterzeichnet.
Diese Verträge zogen einen Schlussstrich unter fast 60 Jahre der „Gefangenschaft“
der Päpste auf dem Vatikanhügel – wie die betreffenden Kirchenoberhäupter das nannten
und empfanden. Und sie legten den Grundstein für etwas Neues in der Kirchengeschichte,
einen souveränen Mini-Staat - den Staat der Vatikanstadt. Warum es wichtig ist, dass
der Heilige Stuhl auf seinem eigenen Stück Land sitzt, erklärt Kardinal Giovanni Lajolo:
„Die gesamte Bedeutung dieses Staates liegt darin, den Papst vor jeder
politischen Einmischung in die Kirche und in sein Hirtenamt zu schützen. Der Stellvertreter
Christi muss unabhängig sein, dh. er soll sich nicht vor irgendeiner irdischen Autorität
verantworten müssen. Wir haben in der Geschichte gerade Europas im vergangenen Jahrhundert
so manches Regime gesehen, das durchaus geneigt war, die Stimme des Papstes in Ketten
zu legen. Und heute noch würden manche Politiker wünschen, dass der Papst sich nicht
zu moralischen Themen äußert, die ihnen unangenehm sind.“
In solchen Fällen
wäre es natürlich fatal, würde der Papst etwa zur Miete in irgendeinem römischen Stadtpalast
residieren, der dem italienischen Staat gehört – er müsste fürchten, mitsamt der Kurie
delogiert zu werden. Dass dies ein Gedankenspiel bleibt, ist den Lateranverträgen
zu danken. Unterzeichnet haben sie an jenem Tag vor 80 Jahren im Lateranpalast der
vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri und – für das Königreich Italien
- Benito Mussolini. Dieser Umstand – nämlich dass es ein faschistischer Ministerpräsident
war, dem nach 60 Jahren politischer Feindschaft die Einigung mit dem Vatikan gelang
– wirft aus heutiger, besonders deutscher Sicht einen Schatten auf die Ursprünge des
Papststaates. Allerdings war Mussolinis späterer politischer Kurs 1929 noch nicht
abzusehen.
„Fest steht, dass die Lateranverträge eine neue Phase der Verständigung
und der Zusammenarbeit einläuteten“,
sagt Lajolo. Er leitet das vatikanische
Governatorat, das so etwas wie der Regierungssitz des Stadtstaates ist. Das schmucke
Gebäude des Governatorats liegt in den vatikanischen Gärten, auf gerader Linie hinter
dem Petersdom. Und es entstand, wie überraschend viele Gebäude des heutigen Vatikanstaates,
in den Jahren nach 1929 – ebenso wie der Bahnhof, die Stadttore, die befestigten Straßen,
Kasernen, dutzende Brunnen, Zweckbauten und Garagen, ja sogar weite Teile der Gartenanlage
bis hin zur unterirdischen Bewässerungsvorrichtung. Der technikinteressierte Papst
Pius XI., der die Lateranverträge eingefädelt hatte, entpuppte sich als begeisterter
Bauherr. Er war sogar dafür bekannt, dass er die Bauarbeiten überraschend inspizieren
kam.
Bis heute ist die katholische Kirche die einzige Religionsgemeinschaft,
die auf einem eigenen Staatsgebiet waltet. Alles, was ein normaler Staat hat, ist
im Vatikanstaat en miniature ebenfalls vorhanden: Eine Hymne, eine Verwaltung, eine
Rechtssprechung, eine Feuerwehr, ein Sicherheitscorps – in unserem Fall sogar zwei,
ein Einwohnermeldeamt, eine Straßenverkehrsordnung. All das ist freilich nur die materielle
Grundlage für Höheres: für den Heiligen Stuhl. Kardinal Giovanni Lajolo – er war in
früheren Jahren „Außenminister“ des Heiligen Stuhles, davor Nuntius in Deutschland
– erklärt:
„Die internationalen Aktivitäten des Heiligen Stuhles, besonders
die Diplomatie, betreffen so gut wie nie den Vatikanstaat. Da geht es um technische
Fragen, die keine großen Schwierigkeiten machen.“
Beispiel: Christbäume
aus Österreich oder dem Papst geschenkte Solarzellenanlagen aus Deutschland.
„Demgegenüber
ist das, was der Heilige Stuhl auf diplomatischer Ebene macht, immer eine kirchliche
Aktivität. Das stützt sich nicht auf die politische Macht des Heiligen Stuhles, sondern
auf die Kraft des Wortes, das aus der Vernunft kommt, besonders auf das Wort Gottes.
Und es geht dabei um die großen Fragen der Menschenrechte, angefangen vom Recht auf
Nahrung bis zum Recht auf Religionsfreiheit, es geht um das Recht auf wirtschaftliche
Entwicklung der schwächsten Länder, um den Einsatz für Arme und Benachteiligte.“
Gerade
auch in seiner Doppelstruktur Vatikanstaat – Heiliger Stuhl weckt das kleinste souveräne
Staatsgebilde der Welt viel Neugier. Teils auch ungestillte Neugier. Das zumindest
lässt die lange Reihe von Bestsellern vermuten, die rund um geheime unterirdische
Gänge des Vatikans und dergleichen gestrickt sind. Es ist wahr: Nicht jedermann hat
Zutritt und kann persönlich einen Blick hinter die Mauern des Vatikans werfen – auch
deshalb, weil ein solcher Ansturm den 44 Hektar großen Staat heillos überfordern würde.
Aber das heißt keineswegs, dass der Papststaat mysteriös ist, sagt Kardinal Lajolo.
„Die
angebliche geheime Welt des Vatikans ist ein Mythos. Wer sich seriös informieren will,
kann das ohne großen Aufwand tun. Die Gesetze und Normen des Heiligen Stuhles und
der Vatikanstadt sind veröffentlicht, sie sind die Grundlage, um zu verstehen, was
sich hinter den Mauern des Staates tut. Außerdem kann ich unsere Medien und Web-Auftritte
empfehlen: www.vatican.va für den Heiligen Stuhl, www.vaticanstate.va
für die Vatikanstadt. Die 80-Jahr-Feiern sind auch ein Anlass, um die „geheime Welt“
Vatikan, die in Wahrheit ziemlich einfach und klar ist, besser kennen zu lernen.“ (rv
11.02.2009 gs)