Seit Ende Januar hat
Somalia einen neuen Präsidenten: Sheik Scharif Sheik Ahmed ist Vorsitzender der Allianz
zur Wiederbefreiung Somalias und seit rund einer Woche neuer Staatschef des Landes.
Noch vor zwei Jahren hatten äthiopische Truppen den gemäßigten Islamistenführer ins
Exil geschickt. Jetzt wird er international als „Obama Somalias“ und Hoffnungsträger
für einen neuen Frieden am Horn von Afrika gefeiert. Er wolle Somalia wieder versöhnen,
sagte er bei seiner Vereidigung am 31. Januar. Doch das wird keine leichte Aufgabe.
Das Land ist zersplitert vom Bürgerkrieg und weite Teile sind in der Kontrolle radikalislamistischer
Milizen, die einen Friedensprozess bisher ablehnten. Ein Beitrag von Antje Dechert:
18
Jahre herrschte Bürgerkrieg in Somalia. Seit dem Sturz des ehemaligen Diktators Siad
Barre 1991 hatte das Land keine funktionierende Regierung mehr. Rivalisierende Clans
kämpften um die Macht. Das soll jetzt ein Ende haben. Somalias neu gewählter Präsident,
Scheich Scharif Achmed, hat angekündigt, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen.
Auch Experten geben dem studierten Geografielehrer, Ahmed, eine Chance, die Somalier
wieder zusammenzuführen. Darunter ist auch Helmut Hess, Somalia-Experte und langjähriger
Mitarbeiter bei „Brot für die Welt“. Was konkret macht den neuen Präsidenten zum
Hoffnungsträger? Dazu Hess im Kölner Domradio:
Es gibt verschiedene Richtungen
im Islam und er gehört eindeutig zu den moderaten Suffi-Muslimen, im Gegensatz zu
den Schabaab, die sehr stark von den Wahabiten beeinflusst sind. Ihm wird als Stärke
angerechnet, dass er sehr moderat ist und verhandeln kann, allerdings aber auch eindeutige
Positionen bezieht, nämlich auf der Basis von Scharia-Gestzgebung. Als Anführer
der islamischen Scharia-Bewegung, die zwischen Mitte und Ende 2006 die Macht in der
Hauptstadt Mogadischu und im Süden Somalias eingenommen hatte, konnte Scheich Ahmed
schon einmal für so etwas wie Stabilität im Land sorgen. Viele Somalier haben ihn
daher in guter Erinnerung. Doch 2006 marschierten äthiopische Truppen in Somalia ein,
unterstützt von der internationalen Gemeinschaft, die einen Aufstand der Islamisten
fürchtete. Scheich Ahmed wurde für zwei Jahre ins Exil geschickt – eine verpatzte
Chance für die Einheit des Landes, findet Helmut Hess:
Für mich ist das
ein typischer Fall von „missed opportunities“, also versäumten Möglichkeiten. Es wäre
möglich gewesen, mit diesem Menschen vor zweieinhalb Jahren zu verhandeln. Damals
waren weder die Übergangsregierung, noch die Äthiopier noch die USA bereit, ihn als
Gesprächspartner zu akzeptieren. Heute wären sie froh, wenn er wieder eine Machtbasis
etablieren könnte. Weil es wohl die einzige Person ist, die in der Lage sein kann,
Somalia wieder zu vereinigen. Es war eindeutig falsch, die Verhandlungen zu unterlassen
und dafür die „Islamic courts“ zu zerschlagen. Das Ergebnis: Das Land ist
heute zersplitterter als je zuvor...
...in verschiedene Clans und Warlords,
die jeweils unterstützende Gruppen hinter sich gescharrt haben. Und dann, was ich
ganz wichtig finde, hat die Intervention von USA und Äthiopien ganz sicher nicht zur
Harmonisierung beigetragen. Die Zerissenheit hat zugenommen.
In dieser
Situation ist es für den neuen Präsidenten nicht leicht, Verhandlungen zwischen den
Konfliktparteien in Gang zu bringen, meint Hess. Ahmed sei zwar von der breiten Bevölkerung
akzeptiert. Doch die radikalislamischen Schabaab-Milizen haben bereits ihren Widerstand
angekündigt. Um alle Fraktionen an einen Tisch zu bringen müsse Ahmed vor allem eins
zeigen:
Bereitschaft, mit allen zu verhandeln und zwar auf gleicher Augenhöhe.
Er muss auch die Radikalen in die Diskussion einbeziehen. Andernfalls hat er keine
Chancen sich zu stabilisieren. Es gibt zwei Gruppen, die Mehrheit, die eindeutig das
Ganze positiv bewertet, aber es gibt auch die andere Gruppe, die Widerstand angekündigt
hat. Ich hoffe, es wird gelingen zu verhandeln. Die erste Bewährungsprobe
für den neuen Präsidenten, Scheich Ahmed, steht schon fest: Er muss in diesen Wochen
eine Regierung benennen. Dabei darf er sich weder neue Feinde im eigenen Land machen
noch die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft enttäuschen. Die Versöhnung
des Landes bleibt somit ein schwieriger Balanceakt.