Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann verlangt aus Rom eine klare Entschuldigung
sowie Konsequenzen für die Verantwortlichen. Die Entscheidung Papst Benedikts, Williamson
zu rehabilitieren, sei eine Katastrophe für die Überlebenden des Holocaust. Das sagte
der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem Südwestrundfunk. Der Papst
müsse klarstellen, dass die Leugnung des Holocaust kein Kavaliersdelikt sei.
Der
Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, ruft zu einer scharfen
Abgrenzung gegen den Antisemitismus und zum Dialog zwischen Juden und Christen auf.
„Wie kann man nur auf den Gedanken kommen, in der katholischen Kirche gäbe es Platz
für Antisemiten und Leugner des Holocaust? Dem müssen wir entgegentreten“, forderte
Marx in einer Predigt am Montag Abend. Mit Blick auf die umstrittene Piusbruderschaft
sagte er: „Diese Gruppe muss nun klar machen, wo sie in dieser Frage steht.“ Jesus
Christus sei nicht zu begreifen ohne das Wissen, dass er Jude war. Die Verbindung
zwischen Juden und Christen sei eine besondere. Marx bedauerte, dass dies in der Geschichte
von Gewalt und Verfolgung der jüdischen Mitbürger immer wieder vergessen worden sei.
„Das sind Verirrungen, die wir immer wieder überwinden müssen“, verlangte der Erzbischof.
Das II. Vatikanische Konzil habe unterstrichen, dass das Verhältnis zum jüdischen
Volk ein spezielles bleiben müsse.
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner
nennt die Äußerungen von Bischof Williamson zum Holocaust „unglaublich dumm und völlig
indiskutabel“. Das Aufsehen darum habe dabei „leider das eigentliche Anliegen des
Papstes“, nämlich die Einheit der Kirche, überlagert. „Mit der Aufhebung der Exkommunikation
wird keine Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückgenommen“, betont Meisner.
Zur Einheit der katholischen Kirche gehöre die Anerkennung ihres Lehramtes und die
Akzeptanz aller Konzilien. Die vier Traditionalisten-Bischöfe hätten selbst um Aufhebung
der Exkommunikation gebeten und in einem Brief an den Papst die kirchlichen Lehren
anerkannt. An diesen Aussagen müssen sie sich jetzt messen lassen, so der Kardinal.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick betonte am Montag Abend seinen
Respekt vor dem Judentum. Solchen Respekt lehre Jesus die Christen. Dazu gehöre auch
die Anerkennung, dass in Europa, und besonders im Deutschland des 20. Jahrhunderts,
den Juden großes Unrecht angetan und entsetzlich viel Leid zugefügt wurde. „Die Shoah
darf nicht geleugnet werden“, das fordere die historische Wahrheit und die Treue zu
Jesus selbst, betonte Schick.
Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke
schlägt vor, die Rehabilitierung der Traditionalisten zunächst einmal auszusetzen.
Es sei ein Fehler des Papstes gewesen, den Holocaust-Leugner Richard Williamson wieder
in die Kirche aufzunehmen, sagte Jaschke der BILD-Zeitung. Der ernannte Bischof
von Münster, Felix Genn, sieht hingegen durch die Papst-Geste an die Traditionalisten
die Einheit der Kirche nicht gefährdet. Allerdings müssten die Bischöfe der St.-Pius-Bruderschaft
„nun Farbe bekennen“ und sich den Vorgaben der Kirche und allen Dekreten des Zweiten
Vatikanischen Konzils beugen. Das sagte Genn in Essen. Nach seinem Eindruck will Papst
Benedikt verhindern, dass die Bischöfe der Pius-Bruderschaft weitere Bischöfe weihen
und es so zur Bildung einer zusätzlichen Kirche komme. Im Unterschied zum linken Rand
der Kirche sei der rechte institutionalisiert, wodurch die Gefahr einer weiteren Spaltung
drohe. Möglicherweise komme es in diesem Prozess auch noch zur Spaltung dieser Bewegung,
so Genn. Den Umgang mit Williamson und seinen, so Genn, abscheulichen Äußerungen müssten
die Verantwortlichen in Rom prüfen. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige
betont, es könne kein Zurück hinter das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Bekenntnis
zur Ökumene geben. Die Aufhebung der Exkommunikationen durch den Papst habe bei vielen
Menschen in der Kirche „Unverständnis und Enttäuschung“ hervorgerufen, meinte Feige
am Dienstag. „Der Petrusdienst an der Einheit der Kirche lässt sich nicht als Gegenpol
zum Zweiten Vatikanischen Konzil begreifen“, meint Bischof Franz-Peter Tebartz-van
Elst aus Limburg. „Die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils sind wesenhaft
und grundlegend für das Leben der Kirche.“ Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef
Bode sagte dem NDR, es herrsche viel Unmut unter den Katholiken über das Vorgehen
des Vatikan. Die Menschen seien irritiert. Ein Holocaust-Leugner dürfe in der katholischen
Kirche nicht geduldet werden. Bode nahm den Papst aber in Schutz. Benedikt habe die
Hand ausstrecken wollen. Er habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass er ein Freund
des Judentums sei. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker betont: „Das
Zweite Vatikanische Konzil steht auch heute für die Öffnung der katholischen Kirche
zur Welt, für eine konstruktive Ökumene, für den Dialog mit den nichtchristlichen
Religionen, allen voran dem Judentum, und für die Respektierung der Religions- und
Gewissensfreiheit. Das Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils verpflichtet auch in
der Zukunft!“
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Stephan Kramer, forderte vom Papst eine Klarstellung zum Verhältnis zwischen
der Kirche und den Juden. Die Rücknahme der Exkommunikation für Williamson stelle
alle Äußerungen des Vatikan in Frage, die die Verbindungen zur jüdischen Gemeinschaft
verbessert hätten. Kramer wörtlich: „Wir stehen jetzt im Prinzip vor einem Scherbenhaufen.“
Derweil meldet die Tageszeitung „Die Welt“, dass die christlich-jüdische „Woche der
Brüderlichkeit“ derzeit auf dem Prüfstand steht. Es sei fraglich, ob die Initiative
wie geplant stattfinden könne, berichtet das Blatt unter Berufung auf Kramer. Die
zentrale Auftaktveranstaltung sollte in diesem Jahr am 1. März in Hamburg im Beisein
von Bundespräsident Horst Köhler stattfinden. Der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs
in Potsdam, Rabbiner Walter Homolka, warnte in der Zeitung, dass eine Absage jüdischerseits
auch den protestantischen Part treffen würde. Der Tübinger Theologe Hans Küng
sagte im Bayerischen Rundfunk, der Papst versuche immer noch, den Eindruck persönlicher
Unfehlbarkeit in wichtigen Entscheidungen aufrechtzuerhalten, auch wenn er den Entschluss
eigentlich zurücknehmen müsste, die Bischöfe wieder aufzunehmen. „Wer unfehlbar sich
fühlt, macht auch unfehlbare Fehler“, so Küng wörtlich. Natürlich habe man in der
katholischen Kirche nicht gedacht, dass die Rückführung der Traditionalisten ein solches
Aufsehen erregen würde, aber man nehme den Konflikt, gerade mit den Juden, nicht allzu
tragisch, erläuterte der Theologe. „Es ist leider so, dass diese Bischofsernennung
genau auf der Linie liegt, es ist einfach ein Restaurationskurs, man möchte das Zweite
Vatikanische Konzil möglichst ungeschehen machen“, so Küng im BR weiter, angesprochen
auf den neuen Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner. Der Protest deutscher Theologieprofessoren
gegen die angestrebte Aussöhnung zwischen dem Vatikan und der Priesterbruderschaft
Pius X. zieht Kreise. Am Montag schlossen sich Theologen aus Bochum und Bamberg
der Kritik ihrer Kollegen aus Münster, Tübingen und Freiburg an. Dort hatten die Professorenkollegien
vor wenigen Tagen nahezu vollständig ihre Vorbehalte gegen die Aufhebung der Exkommunikation
gegen vier Traditionalistenbischöfe öffentlich gemacht. Vom Vatikan verlangen die
Theologen disziplinarische Konsequenzen aus dem Eklat um Traditionalistenbischof Richard
Williamson. „Ein Bischof, der die Schoah leugnet, ist untragbar“, so die Bochumer
Theologen. Auch die bisher bekanntgewordenen Distanzierungen aus Reihen der Priesterbruderschaft
seien „voller Zweideutigkeiten“. Verständnis äußerten die Bochumer Professoren für
die Kritik der jüdischen Gemeinschaft, baten jedoch um eine differenzierte Sichtweise.
Die jüngsten Vorgänge seien zu unterscheiden von der „beständig erneuerten Position
der katholischen Kirche zu Israel wie zum Judentum“. Es bleibe zu hoffen, dass der
jüdisch-christliche Dialog schnellstmöglich fortgeführt werden könne.
Das
„Forum Deutscher Katholiken“ stellt sich hinter Papst Benedikt. Was jetzt medial
über den Papst hereinbreche, sei zu erwarten gewesen. Den Kritikern passe offenbar
„die ganze Richtung“ nicht. Wörtlich heißt es in der Erklärung: „Der eigentliche Grund
für die „Entrüstung“ liegt darin, dass der Papst an der ganzen Lehre der Kirche festhält,
die Einhaltung des 2.Vatikanischen Konzils nach Geist und Buchstaben einfordert und
Fehlentwicklungen korrigiert.“
Auch der Journalist Peter Seewald verteidigt
Papst Benedikt. Seewald, der durch zwei Gesprächsbücher mit dem jetzigen Papst bekannt
wurde, findet: „Manchmal sagen die Reaktionen auf eine Entscheidung mehr als die Entscheidung
selbst.“ Es sei doch Aufgabe des Papstes, Brücken zu bauen und auf Andersgläubige
zuzugehen. „Aber welche Brücken gebaut werden und welche „Andersgläubige“ die richtigen
Andersgläubigen sind, dass bestimmen bitteschön die Oberpäpste in den Redaktionen.“
„Der Pulverdampf um Benedikt wird auch diesmal verfliegen“, sagt Seewald in einem
kath-net-Kommentar voraus.