2009-02-03 11:38:22

D: Debatte über Traditionalisten und Vatikan


Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann verlangt aus Rom eine klare Entschuldigung sowie Konsequenzen für die Verantwortlichen. Die Entscheidung Papst Benedikts, Williamson zu rehabilitieren, sei eine Katastrophe für die Überlebenden des Holocaust. Das sagte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem Südwestrundfunk. Der Papst müsse klarstellen, dass die Leugnung des Holocaust kein Kavaliersdelikt sei.

Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, ruft zu einer scharfen Abgrenzung gegen den Antisemitismus und zum Dialog zwischen Juden und Christen auf. „Wie kann man nur auf den Gedanken kommen, in der katholischen Kirche gäbe es Platz für Antisemiten und Leugner des Holocaust? Dem müssen wir entgegentreten“, forderte Marx in einer Predigt am Montag Abend. Mit Blick auf die umstrittene Piusbruderschaft sagte er: „Diese Gruppe muss nun klar machen, wo sie in dieser Frage steht.“ Jesus Christus sei nicht zu begreifen ohne das Wissen, dass er Jude war. Die Verbindung zwischen Juden und Christen sei eine besondere. Marx bedauerte, dass dies in der Geschichte von Gewalt und Verfolgung der jüdischen Mitbürger  immer wieder vergessen worden sei. „Das sind Verirrungen, die wir immer wieder überwinden müssen“, verlangte der Erzbischof. Das II. Vatikanische Konzil habe unterstrichen, dass das Verhältnis zum jüdischen Volk ein spezielles bleiben müsse.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner nennt die Äußerungen von Bischof Williamson zum Holocaust „unglaublich dumm und völlig indiskutabel“. Das Aufsehen darum habe dabei „leider das eigentliche Anliegen des Papstes“, nämlich die Einheit der Kirche, überlagert. „Mit der Aufhebung der Exkommunikation wird keine Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückgenommen“, betont Meisner. Zur Einheit der katholischen Kirche gehöre die Anerkennung ihres Lehramtes und die Akzeptanz aller Konzilien. Die vier Traditionalisten-Bischöfe hätten selbst um Aufhebung der Exkommunikation gebeten und in einem Brief an den Papst die kirchlichen Lehren anerkannt. An diesen Aussagen müssen sie sich jetzt messen lassen, so der Kardinal.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick betonte am Montag Abend seinen Respekt vor dem Judentum. Solchen Respekt lehre Jesus die Christen. Dazu gehöre auch die Anerkennung, dass in Europa, und besonders im Deutschland des 20. Jahrhunderts, den Juden großes Unrecht angetan und entsetzlich viel Leid zugefügt wurde. „Die Shoah darf nicht geleugnet werden“, das fordere die historische Wahrheit und die Treue zu Jesus selbst, betonte Schick.

Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke schlägt vor, die Rehabilitierung der Traditionalisten zunächst einmal auszusetzen. Es sei ein Fehler des Papstes gewesen, den Holocaust-Leugner Richard Williamson wieder in die Kirche aufzunehmen, sagte Jaschke der BILD-Zeitung.
Der ernannte Bischof von Münster, Felix Genn, sieht hingegen durch die Papst-Geste an die Traditionalisten die Einheit der Kirche nicht gefährdet. Allerdings müssten die Bischöfe der St.-Pius-Bruderschaft „nun Farbe bekennen“ und sich den Vorgaben der Kirche und allen Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils beugen. Das sagte Genn in Essen. Nach seinem Eindruck will Papst Benedikt verhindern, dass die Bischöfe der Pius-Bruderschaft weitere Bischöfe weihen und es so zur Bildung einer zusätzlichen Kirche komme. Im Unterschied zum linken Rand der Kirche sei der rechte institutionalisiert, wodurch die Gefahr einer weiteren Spaltung drohe. Möglicherweise komme es in diesem Prozess auch noch zur Spaltung dieser Bewegung, so Genn. Den Umgang mit Williamson und seinen, so Genn, abscheulichen Äußerungen müssten die Verantwortlichen in Rom prüfen.
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige betont, es könne kein Zurück hinter das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Bekenntnis zur Ökumene geben. Die Aufhebung der Exkommunikationen durch den Papst habe bei vielen Menschen in der Kirche „Unverständnis und Enttäuschung“ hervorgerufen, meinte Feige am Dienstag. „Der Petrusdienst an der Einheit der Kirche lässt sich nicht als Gegenpol zum Zweiten Vatikanischen Konzil begreifen“, meint Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst aus Limburg. „Die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils sind wesenhaft und grundlegend für das Leben der Kirche.“
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sagte dem NDR, es herrsche viel Unmut unter den Katholiken über das Vorgehen des Vatikan. Die Menschen seien irritiert. Ein Holocaust-Leugner dürfe in der katholischen Kirche nicht geduldet werden. Bode nahm den Papst aber in Schutz. Benedikt habe die Hand ausstrecken wollen. Er habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass er ein Freund des Judentums sei. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker betont: „Das Zweite Vatikanische Konzil steht auch heute für die Öffnung der katholischen Kirche zur Welt, für eine konstruktive Ökumene, für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen, allen voran dem Judentum, und für die Respektierung der Religions- und Gewissensfreiheit. Das Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils verpflichtet auch in der Zukunft!“

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, forderte vom Papst eine Klarstellung zum Verhältnis zwischen der Kirche und den Juden. Die Rücknahme der Exkommunikation für Williamson stelle alle Äußerungen des Vatikan in Frage, die die Verbindungen zur jüdischen Gemeinschaft verbessert hätten. Kramer wörtlich: „Wir stehen jetzt im Prinzip vor einem Scherbenhaufen.“ Derweil meldet die Tageszeitung „Die Welt“, dass die christlich-jüdische „Woche der Brüderlichkeit“ derzeit auf dem Prüfstand steht. Es sei fraglich, ob die Initiative wie geplant stattfinden könne, berichtet das Blatt unter Berufung auf Kramer. Die zentrale Auftaktveranstaltung sollte in diesem Jahr am 1. März in Hamburg im Beisein von Bundespräsident Horst Köhler stattfinden. Der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam, Rabbiner Walter Homolka, warnte in der Zeitung, dass eine Absage jüdischerseits auch den protestantischen Part treffen würde.
Der Tübinger Theologe Hans Küng sagte im Bayerischen Rundfunk, der Papst versuche immer noch, den Eindruck persönlicher Unfehlbarkeit in wichtigen Entscheidungen aufrechtzuerhalten, auch wenn er den Entschluss eigentlich zurücknehmen müsste, die Bischöfe wieder aufzunehmen. „Wer unfehlbar sich fühlt, macht auch unfehlbare Fehler“, so Küng wörtlich. Natürlich habe man in der katholischen Kirche nicht gedacht, dass die Rückführung der Traditionalisten ein solches Aufsehen erregen würde, aber man nehme den Konflikt, gerade mit den Juden, nicht allzu tragisch, erläuterte der Theologe. „Es ist leider so, dass diese Bischofsernennung genau auf der Linie liegt, es ist einfach ein Restaurationskurs, man möchte das Zweite Vatikanische Konzil möglichst ungeschehen machen“, so Küng im BR weiter, angesprochen auf den neuen Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner.
Der Protest deutscher Theologieprofessoren gegen die angestrebte Aussöhnung zwischen dem Vatikan und der Priesterbruderschaft Pius X. zieht Kreise. Am Montag schlossen sich Theologen aus Bochum und Bamberg der Kritik ihrer Kollegen aus Münster, Tübingen und Freiburg an. Dort hatten die Professorenkollegien vor wenigen Tagen nahezu vollständig ihre Vorbehalte gegen die Aufhebung der Exkommunikation gegen vier Traditionalistenbischöfe öffentlich gemacht. Vom Vatikan verlangen die Theologen disziplinarische Konsequenzen aus dem Eklat um Traditionalistenbischof Richard Williamson. „Ein Bischof, der die Schoah leugnet, ist untragbar“, so die Bochumer Theologen. Auch die bisher bekanntgewordenen Distanzierungen aus Reihen der Priesterbruderschaft seien „voller Zweideutigkeiten“. Verständnis äußerten die Bochumer Professoren für die Kritik der jüdischen Gemeinschaft, baten jedoch um eine differenzierte Sichtweise. Die jüngsten Vorgänge seien zu unterscheiden von der „beständig erneuerten Position der katholischen Kirche zu Israel wie zum Judentum“. Es bleibe zu hoffen, dass der jüdisch-christliche Dialog schnellstmöglich fortgeführt werden könne.


Das „Forum Deutscher Katholiken“ stellt sich hinter Papst Benedikt. Was jetzt medial über den Papst hereinbreche, sei zu erwarten gewesen. Den Kritikern passe offenbar „die ganze Richtung“ nicht. Wörtlich heißt es in der Erklärung: „Der eigentliche Grund für die „Entrüstung“ liegt darin, dass der Papst an der ganzen Lehre der Kirche festhält, die Einhaltung des 2.Vatikanischen Konzils nach Geist und Buchstaben einfordert und Fehlentwicklungen korrigiert.“

Auch der Journalist Peter Seewald verteidigt Papst Benedikt. Seewald, der durch zwei Gesprächsbücher mit dem jetzigen Papst bekannt wurde, findet: „Manchmal sagen die Reaktionen auf eine Entscheidung mehr als die Entscheidung selbst.“ Es sei doch Aufgabe des Papstes, Brücken zu bauen und auf Andersgläubige zuzugehen. „Aber welche Brücken gebaut werden und welche „Andersgläubige“ die richtigen Andersgläubigen sind, dass bestimmen bitteschön die Oberpäpste in den Redaktionen.“ „Der Pulverdampf um Benedikt wird auch diesmal verfliegen“, sagt Seewald in einem kath-net-Kommentar voraus.

(rv/kna/pm/kath-net 03.02.2009 sk)









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