Der Vatikan hätte
vor der Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe die nationalen Bischofskonferenzen
einbeziehen müssen. Das sagte der Religionsphilosoph und frühere Präsident des Zentralkomitees
der deutschen Katholiken, Hans Maier, an diesem Montag gegenüber Radio Vatikan. Die
derzeitige Krise hätte vermieden werden können, wären mehr Menschen an der Entscheidung
beteiligt gewesen, so Maier im Gespräch mit Birgit Pottler.
„Es ist ein
unverzeihlicher Fehler, auch ein politisch handwerklicher Fehler, dass man diejenigen
Bischofskonferenzen, wo die meisten Leute der Bruderschaft leben, also die schweizerisch,
deutsche und französische nicht vorher unterrichtet wurde; daher auch die Hilflosigkeit
in den Äußerungen der Bischöfe, daher auch das Stimmengewirr, das aus Rom kam. Auch
Kardinal Walter Kasper hat ja deutlich diese Holocaust-Leugnung kritisiert und verurteilt,
auch der Papst hat das klar gestellt. Aber wenn das so ist, warum hat man nicht früher
eine breitere Einigung, einen Konsens über diese Fragen herbeigeführt? Eine so wichtige
und entscheidende Frage muss in einem größeren Kreis behandelt werden.“
Wer
sollte zu so einem größeren Kreis gehören, welche Berater braucht Ihrer Ansicht nach
der Papst?
„Ich habe ja seit Jahren vorgeschlagen, dass im Vatikan wie in
allen Hauptstädten der Welt ein Kabinett, eine Regierung, installiert sein müsste.
Zu dieser Regierung müssen natürlich alle Präfekten der Dikasterien gehören und alle
Präsidenten der Räte. Die müssen vereinigt sein, und wie ein weltliches Kabinett jede
Woche wichtige Dinge erörtert und eine gemeinsame Meinung bildet, die dann für alle
verbindlich ist, so müsste es auch in Rom sein. Dann wäre die Krise jetzt im Augenblick
dann leichter auszuhalten, weil dann viele erklärend und erläuternd in die Presche
springen. So entsteht im Augenblick der Eindruck, niemand weiß so genau, wie das gelaufen
ist.“
Ist das die eigentliche Krise - dass der Eindruck entstanden ist,
im Vatikan laufen gewisse Entscheidungen nicht konzertiert? Wie würden Sie die langfristigen,
bzw. längerfristigen Folgen der derzeitigen Situation beschreiben?
„Ich
würde meinen, diese Kommunikationskrise verstärkt die allgemeine Krise, die bei dem
Versuch entstanden ist, die Piusbruderschaft wieder in den Schoß der Kirche zurückzuholen.
Wenn man so etwas unternimmt - und ich kann ja verstehen, dass die Einheit der Kirche
für den Papst ein wichtiges Gut ist, er ist ja der Hüter dieser Einheit -, dann muss
man aber von vornherein die strittigen Fragen klären. Ich entdecke mit einem gewissen
Unbehagen, sogar manchmal mit Schrecken, dass Benedikt XVI. bei seinem bisherigen
Vorgehen dem Zeitplan und dem vorgeschlagenen Vorgehen der Bruderschaft folgt. Ich
zitiere aus einem Papier aus Zeizkofen (,Die Zeitbomben des Zweiten Vatikanischen
Konzils’ von 2008); da heißt es: ,Wir erbitten als Vorleistung von Rom die öffentliche
Rehabilitierung der überlieferten Heiligen Messe.’ Das ist durch das Motu Proprio
einigermaßen erfüllt worden. ,Darüberhinaus erbitten wir die Zurücknahme des Exkommunikationsdekrets’
– inzwischen auch erfolgt. Drittens wollen sie über die großen Linien bezüglich der
Neuausrichtung der Kirche ,mit den römischen Behörden oder eigens dazu ernannten Theologen
offen debattieren’. Im Dekret der Kongregation für die Bischöfe steht jetzt tatsächlich,
die Bruderschaft solle keine Mühen scheuen, um die Gespräche mit dem Heiligen Stuhl
in den noch offenen Fragen zu vertiefen. Man hat wirklich den Eindruck, sie haben
das Vorgehen einer möglichen Wiederversöhnung gewissermaßen ultimativ formuliert,
und der Papst hat jetzt schon die Punkte eins und zwei erfüllt. Wie soll das mit dem
dritten Punkt weitergehen? Wie kann eine in der Gesamtkirche relativ kleine und isolierte
Gruppe dem Papst Bedingungen stellen, unter welchen Umständen sie bereit sind, in
die Kirche zurückzukehren?“
Der Papst wollte die Einheit vorantreiben.
Doch es mehren sich Schlagzeilen der Art , Katholiken entfernen sich vom Vatikan’.
Könnte man es so formulieren, dass um die Einheit zu erreichen, seitens des Vatikans
Schritte in die andere Richtung der katholischen Bandbreite fehlen, nicht nur zu den
Traditionalisten?
„Man muss, wenn man in einer Situation der Entfremdung
Einheit erreichen will, immer auch den Preis bedenken. Der Preis hinsichtlich der
Traditionalisten, also Aufnahme eines offenkundigen bekennenden Holocaust-Leugners,
erscheint mir auf jeden Fall zu hoch. Auf der anderen Seite, wenn Sie wollen, bei
den mehr an der Zukunft orientierten Kräften, den Liberalen, den Progressiven oder
wie man sie nennen will, da gibt es ja kein Schisma, da gibt es höchstens Unbehagen.
In dieser Hinsicht einen Schritt zu tun würde also ganz sicher viel größere Kreise
erreichen. Durch die drei Punkte im Plan der Piusbruderschaft, von denen nun zwei
erfüllt sind, entsteht der Eindruck, man versucht nur nach Rechts – wenn ich abkürzend
so sprechen darf – die Front zu bereinigen. Aber wenn das dazu führt, dass viele sich
abwenden - es gibt ja Aussagen von Theologen und Bischöfen, die sehr kritisch sind
-, dann kümmert einen das weniger. Dieser Eindruck ist verheerend und dem muss der
Papst entgegentreten.“