„Ich nehme aus Ihren
Händen diese Gnade Gottes an. Ich bitte, meine menschlichen Schwächen zu verzeihen;
ich bitte Sie um Ihre Hilfe beim Dienst für Gott.“ Das waren die ersten Worte des
neu gewählten Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche. Kyrill I. wandte sich nach
seiner Wahl an die Mitglieder des Lokalkonzils. Die hatten ihn am Dienstagnachmittag
mit 508 von 702 abgegebenen Stimmen zum Oberhaupt der bis zu 170 Millionen russisch-orthodoxen
Gläubigen erkoren.
Wer ist dieser Mann, den die große Mehrheit der russischen
Bevölkerung schon lange als Favoriten ausgemacht hatte? Ein Steckbrief:
Kyrill
wurde am 20. November 1946 als Wladimir Michailowitsch Gundjajew in der Familie eines
Priesters im damaligen Leningrad geboren. Nach dem Schulbesuch trat er in ein Priesterseminar
ein, besuchte die geistliche Akademie, die er mit Auszeichnung abschloss. Das Mönchsgelübde
legte er 1969 ab und erhielt den Namen Kyrill. Schon ein Jahr später wurde er zum
persönlichen Sekretär des damaligen Metropoliten von Leningrad, Nikodim Rotow, ernannt.
Von 1971 bis 1974 amtierte er als Vertreter des Moskauer Patriarchats beim Weltrat
der Kirchen in Genf. In der Phase der „Perestrojka“ von Michael Gorbatschow zählte
Kyrill zu den Autoren des neuen russischen Gesetzes über Religionsfreiheit. 1988 wurde
er Erzbischof, 1991 Metropolit. Seit November 1989 war Kyrill Leiter Außenamtes des
Moskauer Patriarchats.
Der wortgewaltige Metropolit wurde neben dem Patriarchen
selbst zum Gesicht der Kirche in Russland. Er ist ein Medienprofi und versteht es,
stets präzise zu formulieren. Gern und häufig wird er in Talk-Shows eingeladen. Überdies
hat er eine eigene Sonntagsendung: Das „Wort des Hirten“ wird im ersten russischen
Fernsehprogramm gezeigt. In der Predigt bei der Trauerfeier für seinen Vorgänger
sagte Kyrill: „Alexij II. hat uns eine ganz andere Kirche hinterlassen. … Die Kirche
ist nicht mehr gebrechlich. Uns zittern nicht mehr die Hände und Knie. Der Glaube
ist zu materieller Kraft geworden."