Im Irak sind am nächsten
Samstag Provinzwahlen: ein wichtiger Test, wie weit das Land auf dem Weg zu Sicherheit
und Stabilität ist. Keine Wahl haben weiterhin viele Christen im Irak, die unter dem
Druck von Fundamentalisten die Flucht antreten – ins Ausland oder in andere Teile
des Landes.
Erst wenige Tage alt ist die Meldung, dass im nordirakischen Mossul
(das mal als sicher galt) wieder einem Christen die Kehle durchgeschnitten wurde.
Die antichristliche Säuberung, die geldgierige, nationalistische oder islamistische
Kräfte im Irak durchführen, ist in absehbarer Zeit abgeschlossen. Und dann wären sie
nur noch eine Art Museumswärter, die Bischöfe aus dem Irak, die derzeit mit dem Papst
in Rom beraten. Kaum zu glauben, aber wahr: Die Kirche im Irak hofft auf einen Verbleib
der US-Truppen so lange wie möglich. Das erscheint vielen als die einzige Chance,
um ein Überleben der letzten Christen im Irak zu sichern. Darum ist etwa Louis Sako,
der Erzbischof von Kirkuk, gar nicht so gut auf Barack Obama zu sprechen – denn der
neue US-Präsident will seine Truppen bis Ende 2011 von Euphrat und Tigris abziehen.
„Die
Politik ist nicht nur von einer Person abhängig. Falls es zu einem Truppenabzug kommt,
dann ist das ein Desaster. Es wird unweigerlich einen Bürgerkrieg im Irak geben. Es
gibt nicht genügend irakische Armeeangehörige und Polizisten, die für die Sicherheit
der Zivilbevölkerung sorgen können. Man bedenke, dass über 25 Millionen Menschen hier
leben.“
Die Lage der Christen im Irak ist schrecklich, sagt der chaldäische
Oberhirte. Und trotzdem versucht er, bei der offiziellen Linie seiner Kirche zu bleiben:
Die Christen dürfen das Land nicht verlassen, auch wenn sie das ins Elend oder in
den Tod treibt. Sie sollten um jeden Preis die Stellung halten, damit das jahrtausendealte
christliche Leben im Herkunftsland Abrahams nicht erlischt.
„Wir fühlen uns
isoliert und verlassen. Die wenigen Christen im Irak sind erschöpft und haben keine
Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Das ist tragisch. Denn sie haben Angst um ihre
Kinder und um ihr Schicksal. Die Kirchen im Westen sind deshalb gefordert, ihren Glaubensgeschwistern
zu helfen. Was die Christen im Irak betrifft, so ist es verantwortungslos, wenn sie
ihr Land verlassen. Vielmehr müssen sie zusammen mit den Christen im Westen alles
dafür tun, dass die irakischen Flüchtlinge wieder zurückkehren.“
Das ist eine
Linie, die heroisch klingt, aber in den Ohren vieler Flüchtlinge wie Hohn klingt:
Diese Christen sind unter handfesten Drohungen und Schikanen aus ihren Häusern geflohen,
sitzen zu Hunderttausenden in einem der Nachbarländer fest, haben dort null Perspektiven
und sind von dem, was sie erlebt haben im Irak, noch schwer traumatisiert. Und jetzt
will man sie überreden, in den Irak zurückzukehren? Ja doch, das ist tatsächlich auch
das offizielle Mantra aus dem Vatikan. Papst Benedikt sagte zu den irakischen Bischöfen:
„Indem
sie herzliche Beziehungen zu den Mitgliedern der anderen Gemeinschaften pflegt, ist
die chaldäische Kirche dazu gerufen, eine wesentliche Vermittlerrolle beim Aufbau
einer neuen Gesellschaft zu spielen, in der ein jeder in Eintracht und gegenseitigem
Respekt leben kann. Ich weiß, dass das Zusammenleben zwischen der muslimischen und
der christlichen Gemeinschaft immer Unwägbarkeiten gekannt hat. Die Christen, die
seit jeher im Irak leben, sind vollwertige Bürger mit den Rechten und den Pflichten
aller, ohne Unterschied der Religion.“
Aber natürlich weiß auch der Papst,
dass der Alltag der wenigen im Irak noch verbliebenen Christen vor allem von Gewalt
und Drohungen geprägt ist. Der Zettel, der auf einmal an der Haustür klebt – mit einem
Todesurteil gegen die hier wohnende Familie, verhängt von einem selbstproklamierten
islamischen Tribunal. Die Entführungen von christlichen Vätern, die gefoltert und
verstümmelt wieder zu ihren Familien zurückgeschickt werden. Der ständige Spruch:
„Wenn ihr nicht zum Islam übertretet, dann holen wir uns eure Töchter...“ Christen
unter Dauer-Druck.
„Ich begrüße den Mut und die Beharrlichkeit dieser Gläubigen.
Und ich ermutige euch Bischöfe, die Gläubigen zu unterstützen, damit sie ihre akuten
Schwierigkeiten überwinden und präsent bleiben können. Appelliert an die verantwortlichen
Autoritäten, ihre Menschenrechte und ihre zivilen Rechte anzuerkennen.“
Ausdrücklich
dankte der Papst allen, die irakische Flüchtlinge aufgenommen haben. Den Flüchtlingen
selbst riet Benedikt, die Verbindungen mit ihrem Patriarchat zu intensivieren. „Es
ist unerlässlich, dass die Gläubigen ihre kulturelle und religiöse Identität bewahren“,
so der Papst wörtlich. Er nahm damit auch die Bischöfe der jeweiligen Ortskirchen
in die Pflicht, in deren Gebiet sich Chaldäer aufhalten. Nicht immer geht es gegenüber
christlichen Flüchtlingen aus dem Irak besonders christlich zu: In Istanbul etwa dürfen
sie nur im Keller der St-Antonius-Kirche die Messe feiern, damit man sie nicht sieht.
Sie könnten ja die schicken Gottesdienstbesucher oben, unter denen auch viele Türkei-Touristen
sind, irgendwie stören...