Licht und Schatten
sieht die Kirche Boliviens in der neuen Verfassung, die bei der Volksabstimmung am
Sonntag eine satte Mehrheit fand. 60 Prozent der Bolivianer votierten mit „Ja“ für
die neue rechtliche Grundlage des Landes. Die Verfassung ermöglicht Boliviens linksgerichtetem
Indio-Präsidenten Evo Morales eine Wiederwahl und gibt dem Staat mehr Kontrolle über
die Wirtschaft des Landes.
Der Lateinamerka-Fachmann von Radio Vatikan, Luis
Badilla, erklärt:
„Es gibt viel Licht: Zum ersten Mal in 500 Jahren werden
per Verfassung andere Nationalitäten, Ethnien und Volksgruppen anerkannt. Damit wird
Bolivien offiziell der erste multikulturelle Staat Lateinamerikas. Positiv ist auch
der Zuwachs an politischer, sozialer und kultureller Freiheit. Leider gibt es aber
auch viele Schatten. Der Dunkelste davon ist, dass der Staat sich in alles einmischen
kann. Die Verfassung könnte zu einem bedrückenden Etatismus führen, in dem staatliche
Regelungen als Lösung auf jedes denkbare Problem gefunden werden.“ Zu den
Gegnern der Reform zählen die vier wohlhabenden Regionen des Landes. Boliviens politische
und gesellschaftliche Kräfte hatten lange um den Inhalt der Verfassung gerungen, auch
die Kirche hatte ihre Ideen eingebracht.
Luis Badilla weist jedoch Presseberichte
zurück, wonach die Kirche einzelne Artikel redaktionell verantwortet hätte. Das sei
„Propaganda“. Die Kirche habe deutlich gemacht, dass zahlreiche Artikel dieser Verfassung
zu begrüßen seien; andere - „ebenso wichtige“ - gäben dafür Anlass zur Sorge. Bolivien
wird künftig kein „katholischer Staat“ mehr sein, der verfassungsmäßig garantierte
„besondere Schutz“ wird wegfallen; Lebensschützer sehen damit den Weg frei für eine
Legalisierung der Abtreibung.
Nach mehreren gescheiterten Versuchen der Regierung,
die Konstitution vom Parlament verabschieden zu lassen, wo eine Zweidrittelmehrheit
nötig ist, ließ Morales das bolivianische Volk in einem Referendum selbst urteilen.
(rv 26.01.2009 gs)