Papst zu neuen Technologien - die Botschaft im Volltext
Neue Technologien „sind ein wahres Geschenk für die Menschheit“. Das schreibt Papst
Benedikt XVI. in einer Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel. Sie
wurde an diesem Freitag im Vatikan veröffentlicht. Wörtlich schreibt der Papst: „Wir
müssen sicherstellen, dass die Vorteile, die sie bieten, allen Menschen und Gruppen
zugute kommen, vor allem den Bedürftigen und Schwachen.“ Die „Qualität der Inhalte“
sei wichtig: „Wenn die neuen Technologien dem Wohl des einzelnen und der Gesellschaft
dienen sollen, dürfen die Nutzer dieser Technologien keine Worte und Bilder austauschen,
die für den Menschen entwürdigend sind“. Dementsprechend müsse alles ausgeschlossen
werden, „was Hass und Intoleranz nährt, die Schönheit und Intimität der menschlichen
Sexualität herabsetzt oder die Schwachen und Schutzlosen ausbeutet.“ Der Papst selbst
benutzt bei seiner täglichen Arbeit (noch) keinen Computer, sondern schreibt mit der
Hand.
(rv 23.01.2008 sk)
Hier ist der Wortlaut der Botschaft im offiziellen
deutschen Original. Päpstlicher Rat für die Sozialen Kommunikationsmittel:
43 WELTTAG DER SOZIALEN KOMMUNIKATIONSMITTEL "Neue Technologien - neue Verbindungen.
Für eine Kultur des Respekts, des Dialogs, der Freundschaft."
Liebe Brüder
und Schwestern, kurz vor dem Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel ist es mir
ein Anliegen, mich an euch zu wenden und einige Überlegungen zum für dieses Jahr gewählten
Thema vorzutragen: Neue Technologien - neue Verbindungen. Für eine Kultur des Respekts,
des Dialogs, der Freundschaft. Die neuen digitalen Technologien führen in der Tat
zu grundlegenden Änderungen in der Art und Weise der Kommunikation und in den zwischenmenschlichen
Beziehungen. Dieser Wandel ist bei den jungen Menschen besonders ersichtlich, die
in engem Umgang mit diesen neuen Kommunikationstechniken aufgewachsen sind und sich
daher in einer digitalen Welt zu Hause fühlen. Denjenigen unter uns Erwachsenen, die
die Kommunikationsmöglichkeiten dieser digitalen Welt erst verstehen und schätzen
lernen mußten, erscheint sie hingegen oft fremd. In der diesjährigen Botschaft gelten
meine Überlegungen besonders denen, die Teil der sogenannten digitalen Generation
sind: Mit ihnen möchte ich einige Ideen hinsichtlich des außerordentlichen Potentials
austauschen, das den neuen Technologien innewohnt, wenn sie dazu genutzt werden, Verständnis
und Solidarität unter den Menschen zu fördern. Diese Technologien sind ein wahres
Geschenk für die Menschheit: Wir müssen daher sicherstellen, daß die Vorteile, die
sie bieten, allen Menschen und Gruppen zugute kommen, vor allem den Bedürftigen und
Schwachen. Der Zugang zu Mobiltelefonen und Computern hat in Verbindung mit der
globalen Reichweite und engmaschigen Verbreitung des Internets eine Vielzahl von Wegen
geschaffen, durch die es möglich ist, Worte und Bilder sofort in die entferntesten
und abgeschiedensten Winkel der Welt zu schicken: Diese Möglichkeit war für die früheren
Generationen undenkbar. Insbesondere die jungen Menschen haben das enorme Potential
der neuen Medien erfaßt, Verbindung, Kommunikation und Verständnis unter Menschen
und Gemeinschaften zu fördern. Sie nutzen diese Medien, um sich mit ihren Freunden
auszutauschen und neue zu treffen, um Gemeinschaften und Netze zu schaffen, um Informationen
und Nachrichten zu suchen, um eigene Ideen und Meinungen mitzuteilen. Viele Vorteile
entstehen aus dieser neuen Kommunikationskultur: Familien können in Verbindung bleiben,
selbst wenn sie durch enorme Entfernungen getrennt sind, Studenten und Forscher haben
einen leichteren und unmittelbareren Zugang zu Dokumenten, Quellen und wissenschaftlichen
Entdeckungen und können daher von verschiedenen Orten aus zusammenarbeiten; überdies
erleichtert der interaktive Charakter der neuen Medien dynamischere Formen des Lernens
und der Kommunikation, die zum sozialen Fortschritt beitragen. Obwohl die Geschwindigkeit
erstaunt, mit der sich die neuen Technologien hinsichtlich Zuverlässigkeit und Effizienz
entwickelt haben, sollte uns ihre Beliebtheit bei den Nutzern nicht überraschen, denn
diese Technologien entsprechen dem Grundbedürfnis der Menschen, miteinander in Verbindung
zu treten. Dieses Verlangen nach Kommunikation und Freundschaft hat seine Wurzel in
unserem menschlichen Wesen und darf nicht nur als Antwort auf technologische Innovationen
verstanden werden. Im Licht der biblischen Botschaft muß dieser Wunsch vielmehr als
Ausdruck unserer Teilhabe an der Liebe Gottes verstanden werden, die sich mitteilt
und zur Einheit führt und aus der ganzen Menschheit eine einzige Familie machen will.
Wenn wir das Bedürfnis empfinden, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten, wenn
wir möchten, daß wir diese besser kennenlernen und diese uns selbst kennenlernen,
dann antworten wir auf einen Ruf Gottes, einen Ruf, der unserem Wesen als nach dem
Bild und Gleichnis Gottes - des Gottes der Kommunikation und der Gemeinschaft - geschaffenen
Menschen innewohnt. Der Wunsch nach Beziehung und das Verlangen nach Kommunikation
- in der zeitgenössischen Kultur so selbstverständlich - sind in Wahrheit nichts anderes
als moderne Ausdrucksformen der grundlegenden und beständigen Neigung der Menschen,
über sich hinauszugehen und in Beziehung zu anderen zu treten. Wenn wir uns den anderen
zuwenden, stillen wir in Wirklichkeit unsere tiefsten Bedürfnisse und werden in einem
umfassenderen Sinn Mensch. Wir sind vom Schöpfer in der Tat für die Liebe erschaffen.
Ich spreche natürlich nicht von vorübergehenden, oberflächlichen Beziehungen; ich
spreche von der wahren Liebe, die den Kern der Morallehre Jesu darstellt: "Darum sollst
du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit allen deinen
Gedanken und all deiner Kraft" und "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst"
(Mk 12, 30-31). Wenn wir in diesem Licht über die Bedeutung der neuen Technologien
nachdenken, dann ist es wichtig, nicht nur ihr unzweifelhaftes Potential zur Förderung
der zwischenmenschlichen Kontakte zu berücksichtigen, sondern auch die Qualität der
Inhalte, die sie verbreiten sollen. Ich möchte alle Menschen guten Willens, die in
der aufstrebenden Welt der digitalen Kommunikation aktiv sind, dazu ermutigen, sich
für eine Kultur des Respekts, des Dialogs und der Freundschaft einzusetzen. Aus
diesem Grund müssen sich alle, die im Bereich der Produktion und Verbreitung von Inhalten
der neuen Medien tätig sind, dem Respekt vor der Würde und dem Wert des Menschen verpflichtet
fühlen. Wenn die neuen Technologien dem Wohl des einzelnen und der Gesellschaft dienen
sollen, dürfen die Nutzer dieser Technologien keine Worte und Bilder austauschen,
die für den Menschen entwürdigend sind, und müssen daher alles ausschließen, was Haß
und Intoleranz nährt, die Schönheit und Intimität der menschlichen Sexualität herabsetzt
oder die Schwachen und Schutzlosen ausbeutet. Die neuen Technologien haben ebenso
den Weg zum Dialog unter Menschen verschiedener Länder, Kulturen und Religionen eröffnet.
Die neue digitale Welt, der sogenannte Cyberspace, macht es möglich, sich zu treffen
und die Werte und Traditionen der anderen kennenzulernen. Um nutzbringend zu sein,
erfordern derartige Begegnungen jedoch aufrichtige und korrekte Ausdrucksformen sowie
aufmerksames und respektvolles Zuhören. Der Dialog muß in einer ehrlichen und beiderseitigen
Suche nach der Wahrheit gründen, um Verständnis und Toleranz wirklich zu fördern.
Das Leben ist nicht einfach eine Abfolge von Tatsachen und Erfahrungen, es ist vielmehr
Suche nach dem Wahren, dem Guten und dem Schönen. Eben wegen dieser Zielsetzung treffen
wir unsere Entscheidungen, üben wir unsere Freiheit aus und finden darin, d.h. in
der Wahrheit, im Guten und im Schönen, Glück und Freude. Man darf sich nicht täuschen
lassen von denen, die einfach Konsumenten auf einem Markt undifferenzierter Möglichkeiten
suchen, wo die Entscheidung selbst das Gute ist, die Neuigkeit als Schönheit ausgegeben
wird und die subjektive Erfahrung die Wahrheit ersetzt. Der Begriff der Freundschaft
hat im Vokabular der digitalen sozialen Netze, die in den letzten Jahren entstanden
sind, eine neue Blüte erlebt. Dieser Begriff ist eine der höchsten Errungenschaften
menschlicher Kultur. In unseren Freundschaften und durch sie reifen und entfalten
wir uns als Menschen. Gerade deshalb wird die wahre Freundschaft seit jeher als eines
der größten Güter betrachtet, die der Mensch besitzt. Aus diesem Grund muß man darauf
achten, den Begriff und die Erfahrung der Freundschaft nicht zu banalisieren. Es wäre
traurig, wenn unser Wunsch, Freundschaften online zu fördern und zu unterhalten, sich
auf Kosten der Verfügbarkeit für die Familie, für die Nachbarn und für diejenigen,
denen wir im Alltag am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der Freizeit begegnen,
verwirklichte. Wenn der Wunsch nach virtuellem Anschluß obsessiv wird, dann wirkt
sich dies tatsächlich dahingehend aus, daß sich der Mensch isoliert, indem er die
wirkliche soziale Interaktion abbricht. Das führt schließlich auch zu Störungen im
Hinblick auf die Art und Weise der Erholung, der Stille und des Nachdenkens, die für
eine gesunde menschliche Entwicklung nötig sind. Freundschaft ist ein großes menschliches
Gut, aber sie wäre wertlos, wenn sie als Selbstzweck betrachtet würde. Freunde müssen
sich in der Entwicklung ihrer Anlagen und Talente gegenseitig unterstützen und ermutigen
und diese in den Dienst der Gesellschaft stellen. In diesem Zusammenhang ist es schön
zu sehen, daß neue digitale Netze entstehen, die die zwischenmenschliche Solidarität,
den Frieden und die Gerechtigkeit, die Menschenrechte sowie die Achtung vor dem Leben
und dem Gut der Schöpfung zu fördern suchen. Diese Netze können Formen der Zusammenarbeit
unter Völkern verschiedener geographischer und kultureller Gegebenheiten erleichtern
und es ihnen möglich machen, das gemeinsame Menschsein und das Bewußtsein der Mitverantwortung
für das Wohl aller zu vertiefen. Man muß sich jedoch darum bemühen sicherzustellen,
daß die digitale Welt, in der diese Netze eingerichtet werden können, eine wirklich
für alle zugängliche Welt ist. Es wäre ein schwerer Schaden für die Zukunft der Menschheit,
wenn die neuen Instrumente der Kommunikation, die es möglich machen, Wissen und Informationen
schneller und wirksamer zu teilen, nicht für jene zugänglich gemacht würden, die schon
ökonomisch und sozial am Rande stehen, oder nur dazu beitrügen, die Kluft zu vergrößern,
die die Armen von den neuen Netzen trennt, die sich im Dienst der Information und
der menschlichen Sozialisierung gerade entwickeln. Ich möchte diese Botschaft
schließen, indem ich mich besonders an die jungen Katholiken wende, um sie zu ermuntern,
das Zeugnis ihres Glaubens in die digitale Welt zu tragen. Liebe junge Menschen, fühlt
euch verantwortlich, in die Kultur dieser neuen kommunikativen und informativen Umwelt
die Werte einzubringen, auf denen euer Leben ruht! In den ersten Zeiten der Kirche
haben die Apostel und deren Schüler die Frohe Botschaft Jesu in die griechisch-römische
Welt getragen: Wie damals die Evangelisierung, um fruchtbringend zu sein, das aufmerksame
Verständnis für die Kultur und die Sitten jener heidnischen Völker verlangte mit dem
Ziel, Herz und Sinn dieser Völker zu erreichen, so setzt heute die Verkündigung Christi
in der Welt der neuen Technologien deren vertiefte Kenntnis für einen entsprechenden
angemessenen Gebrauch voraus. Euch jungen Menschen, die ihr euch fast spontan im Einklang
mit diesen neuen Mitteln der Kommunikation befindet, kommt in besonderer Weise die
Aufgabe der Evangelisierung dieses "digitalen Kontinents" zu. Seid bereit, euch mit
Begeisterung die Verkündigung des Evangeliums bei euren Altergenossen zur Aufgabe
zu machen! Ihr kennt deren Ängste und Hoffnungen, deren Begeisterung und Enttäuschungen:
Das kostbarste Geschenk, das ihr ihnen machen könnt, besteht darin, ihnen die "Gute
Nachricht" eines Gottes mitzuteilen, der Mensch geworden ist, gelitten hat, gestorben
und auferstanden ist, um die Menschheit zu retten. Das Herz des Menschen sehnt sich
nach einer Welt, in der Liebe herrscht, wo man die Gaben miteinander teilt, wo man
Einheit herbeiführt, wo die Freiheit ihre eigentliche Bedeutung in der Wahrheit findet
und wo jeder seine Identität in respektvoller Gemeinschaft verwirklicht. Auf diese
Erwartungen kann der Glaube Antwort geben: Seid Boten dieses Glaubens! Der Papst steht
euch mit seinem Gebet und seinem Segen zur Seite. Aus dem Vatikan, am 24. Januar
2009, dem Gedenktag des heiligen Franz von Sales.