Zum ersten Mal in ihrer 800-jährigen Geschichte veranstaltet die Apostolische Pönitentiarie
ein Symposion. Es geht dabei um die Historie dieses päpstlichen Gnadenhofes und über
pastorale Fragen, also über Beichte, Ablässe und dergleichen mehr. Mehr von Anne Preckel.
Die Pönitentiarie ist einer der drei päpstlichen Gerichtshöfe und zuständig
für Gewissensfragen. Sie spricht Gläubige von Sünden frei in Fällen, in denen ein
normaler Beichtvater keine Absolution erteilen kann – Fälle also, in denen der Papst
lossprechen muss. Das Aufgabengebiet der Apostolischen Pönitentiarie umfasst also
die Gewährung von Gnadenerweisen, das Ablasswesen (soweit es nicht in die Kompetenz
der Glaubenskongregation fällt), Absolutionen, Dispensen, Nachlass von Strafen, Umwandlung
von Verpflichtungen und Ähnliches. Bei dem Symposion diskutiert der Vatikan aber auch
erstmals öffentlich von Klerikern begangene Untaten. Großpönitentiär Kardinal James
Stafford:
„Neben den Fehlern der Priester behandeln wir auch die größten
Herausforderungen für die Kirche. Das ist die Umsetzung des Katechismus in einer postmodernen
Gesellschaft. Für die Menschen mit einer postmodernen Moralauffassung ist das Sakrament
der Buße eigentlich wichtiger denn je. Und auch für die Priester, die sich einer schweren
Sünde schuldig gemacht haben, ist es wichtig, dass sie dieses Sakrament ernst nehmen.
Allgemein müssen wir alle den kontemplativen Weg wieder finden. Das heißt, wir müssen
wieder in der Lage sein, still vor Gott zu sein - und dann mit Gott und den Mitmenschen
über die eigenen Fehler zu sprechen.“ An die Pönitentiarie können sich alle
Beichtväter der Welt wenden; sie nennen in den entsprechenden Anträgen keine Namen,
das Beichtgeheimnis bleibt also gewahrt. Die Entscheidung des Gerichtshofs wird dem
Pönitenten dann im Beichtstuhl geheim weitergegeben. Der Gerichtshof darf nur von
rein kirchlichen Gesetzen entbinden – zivile Gesetze stehen auf einem anderen Blatt.
- Schon früh in der römischen Kirchengeschichte erwies sich die Einrichtung eines
entsprechenden Gerichtshofes als Notwendig. Die Pönitentiarie bestand schon im 12.
Jahrhundert – sie ist das älteste Kurienamt überhaupt. Auf welchem Hintergrund ist
sie entstanden? Die Frage geht an den Archivar der Pönitentiarie, den Flamen Johan
Ickx: „Früher dachte man immer, die P sei entstanden von einer Zentralisierung.
Die Kurie habe versucht, einige Disziplinen Privilegien an sich nach Rom zu ziehen.
Man muss sagen, die entzifferte Realität ergibt ein anderes Bild. Im 11., 12. Jahrhundert
sieht man, dass die Not groß war in den Heimatländern, im regionalen Kontext, die
Sache nach Rom zu schicken. Dh bestimmte schwere Fällen, etwa mit Totschlag oder andere
schwere menschliche Fakten, die schickte der Bischof nach Rom, weil ein Bedürfnis
im Kirchenrecht da war und bestimmte kriminelle Angelegenheiten enorme Fehler waren,
die Schaden an der Kirche und der Kirchengemeinschaft anrichteten. Wenn das auch so
ist, dass die Kirche getroffen ist in ihrem Herz, soll es auch das Haupt der Kirche
sein, das Absolution geben kann.“
Dass nun zum ersten Mal ein Symposion
an und über die Pönitentiarie stattfindet, hält Ickx für ein Symbol der Offenheit
des Vatikans für seine eigene Geschichte. Dass es bisher noch nie dazu kam, erklärt
der Historiker so:
„Das hat mit den Kompetenzen des Dikasteriums zu tun.
Die Pönitentiarie ist immer nur für das interne Forum zuständig gewesen, und das hat
die Kirche dazu gebracht, über diese Sache nichts freizugeben und nicht darüber reden
zu wollen. Und das gehört auch so. Aber das (Symposion) ist auch die ehrliche Antwort
auf unsere Geschichte. Es kann nicht sein, dass so ein wichtiges Thema, das über 800
Jahre sich entwickelt hat, aber eigentlich mehr, denn es hat seine Wurzeln im Evangelium,
dass man da nicht auf wissenschaftliche Weise ein Symposion halten kann. Es war auch
notwendig. Man findet immer wieder die alten Fragen, die etwa auch das Zweite Vatikanum
gestellt hat: zwischen allgemeiner und privater Absolution und so weiter. Wo sind
wir jetzt? Und woher kommt das alles? Es kommt uns nur zugute, darüber weiter nachzudenken.“