China und der Vatikan – Wochenkommentar von Otto v. Habsburg
Derzeit spielt sich
eine bedeutende politische Auseinandersetzung zwischen dem Vatikan und China ab.Während
in früheren Zeiten in China starke Verfolgungen stattfanden, und es keine Möglichkeit
eines Gespräches zwischen Beijing und Rom gab, hat sich so manches geändert.
Insbesondere
seit Papst Benedikt dem XVI. ist hier eine ausgesprochene Enthärtung in den gegenseitigen
Beziehungen eingetreten. Und wenn zwei ganz besondere diplomatische Profis wie Vatikan
und China aufeinander stoßen, geht die Operation meist professionel.
Schritt
für Schritt wird ganz vorsichtig eine zweiseitig diplomatische Annäherung durchgeführt,
wobei es geradezu bewundernswert ist, wie von Seiten von Roms sowie Beijing nach den
alten, sehr guten und sehr vorsichtigen Prinzipien der Diplomatie von China und vom
Vatikan vorgegangen wird. Es ist aber ebenso nicht gänzlich zu übersehen, dass nunmehr
eine ständige Änderung in der Atmosphäre zwischen den beiden Mächten festzustellen
ist.
So eigenartig es klingen mag, heute kann man spüren, dass die Position
der Kirche stärker ist als die von Beijing. Da gibt es zwar die große militärische
Macht auf chinesischer Seite. Wohl aber ist nicht zu übersehen, dass mit der von Rom
sehr geschickt eingeleiteten Vorgangsweise, es eine Annäherung zwischen Beijing und
dem Vatikan gibt, von der man ganz klar feststellen kann, dass Beijing die größeren
Konzessionen macht.
Rom ist hier sehr vorsichtig, dass China bei diesen Manövern
sein Gesicht nicht verliert. Es gibt gewisse Symbole, über die man nicht spricht.
Es gibt aber auch gewisse praktische Schritte, die der Kirche die Erfüllung mancher
Wünsche bringen. Das ist ganz besonders der Fall mit dem großen Zuwachs von Katholiken,
die heute nicht zuletzt auch im Lichte der schwächer werdenden Sekten festzustellen
ist:
Viele Menschen, die heute in China sehr stark nach Religion dürsten, wenden
sich viel eher zu Rom als zu den Sekten, was noch vor ein paar Jahren gerade umgekehrt
der Fall gewesen wäre.
Gerade die Sekte Falun Gong, die seinerzeit einen großen
Zulauf hatte, hat nun sehr an Boden verloren und entwickelt sich immer mehr auf den
euro-amerikanischen Raum zurück und verliert damit auch Einfluss bei den Chinesen.
Es
ist geschrieben worden, dass diese Lösung zwischen der Untergrundkirche und der sichtbaren
Kirche sehr bald zu einem Bruch im chinesischen Katholizismus führen wird. An Ort
und Stelle wird man aber viel mehr erkennen, dass dies nicht der Fall sein wird, sondern
dass die so genannte patriotische Kirche Lösungen finden wird, durch die es möglich
ist, die volle Wiedervereinigung herbeizuführen, Schritt für Schritt, wie es einmal
von den Chinesen, aber auch von Rom geplant worden ist.
Hier spielt auch die
Politik eine Rolle, die man nicht unterschätzen darf. China ist sich immer mehr
darüber im Klaren, dass es die religiöse Unterstützung braucht, schon wegen der Atmosphäre
in seiner Bevölkerung. Der Wunsch nach Wiederfinden der verschiedenen Seiten der christlichen
Kirchen ist immer mehr fühlbar.
Es ist daher zu erwarten, dass sehr bald eine
Formel gefunden werden kann, in der es möglich sein wird, eine einheitliche katholische
Kirche Chinas frei arbeiten zu lassen und die tatsächlich ein tragfähiger Kompromiss
zwischen beiden Tendenzen fühlbar werden lässt, der ebenso für die Bevölkerung wie
für den Apparat des chinesischen Staates von größter Bedeutung sein wird.