2008-12-30 13:54:32

Nahost: Kirche beklagt „Terrorismus“; Pfarrer warnt vor Papstreise


In Bethlehem sind die Lichter ausgegangen. Als Zeichen der Trauer um die Opfer der Kämpfe zwischen Israel und Hamas haben die Franziskaner in der Geburtsstadt Jesu die Lichter am Christbaum auf dem Platz und den überdimensionalen Weihnachtsstern gelöscht. „Nur das Kreuz haben wir angestrahlt. Alles andere bleibt dunkel, bis die Bombardements auf Gaza ein Ende haben“, erklärt Pater Marwan Di’des von der Franziskanerkustodie im Heiligen Land. „Was in Gaza geschieht, kann kein Christ akzeptieren.“

In Paris beraten an diesem Dienstag die EU-Außenminister über die Lage im Nahen Osten. Israel hat eine Waffenruhe mit der Hamas abgelehnt, solange die Gefahr von Raketenangriffen aus dem Gazastreifen nicht gebannt sei, und setzt seine Luftangriffe fort. Seit dem Beginn der Angriffe am Samstag kamen fast 350 Palästinenser ums Leben. Laut UNO-Angaben waren mindestens 62 der Toten Zivilisten. Durch die palästinensischen Raketenangriffe starben in dieser Zeit vier Israelis.

Die christlichen Führer in Jerusalem haben in einer gemeinsamen Erklärung beide Konfliktparteien zum Gewaltverzicht aufgerufen und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angefordert. Sie solle zu ihrer Verantwortung stehen und aktiv gegen das Blutvergießen vorgehen, heißt es in dem an diesem Dienstag veröffentlichten Aufruf. Eine gerechte Lösung für Israelis und Palästinenser müsse auf internationalen Resolutionen gründen. Der Kreislauf der Gewalt führe nur zu noch mehr Feindschaft, so die 13 Patriarchen, Bischöfe und Ordensmänner der im Heiligen Land vertretenen Konfessionen. Die Palästinenser sollten ihre internen Spannungen überwinden und so zu nationaler Versöhnung und dauerhaftem Frieden in der Region beitragen. Den kommenden 4. Januar erklärten die Kirchenführer zum Gebetstag für „Gerechtigkeit und Frieden im Land des Friedens“.
Das Domradio in Köln hat mit dem Nahostexperten und katholischen Pfarrer Joachim Schrödel gesprochen. Er betreut die deutschsprachige Gemeinde in Kairo. Sein Kommentar aus dem Nachbarland Ägypten:
„Entsetzen ist noch viel zu wenig ausgedrückt. In Kairo kommt es an der israelischen wie der US-amerikanischen Botschaft zu Demonstrationen. Die Stimmung im Volk ist ohnehin schon stark anti-israelisch gewesen. Jetzt schlägt sie geradezu in Hass um, und das ist sehr, sehr bedenklich.“ 
Die 14 Kilometer lange Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten steht enorm unter Druck. Zwar entstand die Hamas aus der ägyptischen Muslimbruderschaft, doch die harte Linie der palästinensischen Rebellen werde abgelehnt, berichtet Schrödel:
„Hier sagt man: Wie kann es sein, dass man nicht zusammen mit dem Präsidenten Abbas ein Vorgehen gegen die Hamas plant? Israel hätte im Grunde andere, schlauere Mittel, als brutales Dreinschlagen. Der Überraschungsangriff am Vorabend des Fests der Unschuldigen Kinder war ja gelungen, große Teile der Zivilbevölkerung sind getroffen worden. Das ist etwas, das man mit meinem katholischen Mitbruder in Gaza als Terrorismus bezeichnen kann.“ 
„Krieg bis zum bitteren Ende“ hat Israel angekündigt und Bereitschaft zum wochenlangen Kampf angekündigt. Mit dieser Haltung wachse jedoch in der ganzen Region nur der Hass gegen die Israelis, meint Pfarrer Schrödel, seit langen Jahren im Nahen Osten.
„Denn auch wenn klar ist, dass die Hamas Verursacherin der aktuellen Situation ist: Durch die Kämpfe der Israelis in und gegen Gaza wird die Sympathie zur Hamas eher gestärkt, als dass man sie ablehnt und gegen sie vorgeht.“ 
Die eineinhalb Millionen Menschen im Gazastreifen leben im Ghetto, berichtet Schrödel einmal mehr.
„Diese Ummauerung palästinensischer Gebiete kann nie zum Frieden führen. Die Israelis haben die absolute Kontrolle. Es gibt keine Kommunikation und immense Versorgungsschwierigkeiten. Deshalb hat man versucht, Tunnels zu bauen. Sie dienen nicht nur dem Waffenschmuggel, sondern auch dazu, dringend notwendige Medikamente einzuschleusen. Die Situation ist wirklich unter aller Kritik und unvorstellbar.“
 
Papst Benedikt XVI. hegt seit seinem Amtsantritt den Wunsch, ins Heilige Land zu reisen. Seine Diplomaten stehen diesbezüglich mit Israel in Kontakt. Pfarrer Schrödel warnt:
„In dieser Situation würde ich ganz eindringlich bitten, nicht – wie es ja wohl angedacht und vom lateinischen Patriarchen in Jerusalem schon verkündet worden ist – im Mai das Heilige Land zu besuchen. Das sollte der Papst vorerst bleiben lassen.“

(dr/rv 30.12.2008 bp)







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