Nahost: Kirche beklagt „Terrorismus“; Pfarrer warnt vor Papstreise
In Bethlehem sind die Lichter ausgegangen. Als Zeichen der Trauer um die Opfer der
Kämpfe zwischen Israel und Hamas haben die Franziskaner in der Geburtsstadt Jesu die
Lichter am Christbaum auf dem Platz und den überdimensionalen Weihnachtsstern gelöscht.
„Nur das Kreuz haben wir angestrahlt. Alles andere bleibt dunkel, bis die Bombardements
auf Gaza ein Ende haben“, erklärt Pater Marwan Di’des von der Franziskanerkustodie
im Heiligen Land. „Was in Gaza geschieht, kann kein Christ akzeptieren.“
In
Paris beraten an diesem Dienstag die EU-Außenminister über die Lage im Nahen Osten.
Israel hat eine Waffenruhe mit der Hamas abgelehnt, solange die Gefahr von Raketenangriffen
aus dem Gazastreifen nicht gebannt sei, und setzt seine Luftangriffe fort. Seit dem
Beginn der Angriffe am Samstag kamen fast 350 Palästinenser ums Leben. Laut UNO-Angaben
waren mindestens 62 der Toten Zivilisten. Durch die palästinensischen Raketenangriffe
starben in dieser Zeit vier Israelis.
Die christlichen Führer in Jerusalem
haben in einer gemeinsamen Erklärung beide Konfliktparteien zum Gewaltverzicht aufgerufen
und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angefordert. Sie solle zu ihrer
Verantwortung stehen und aktiv gegen das Blutvergießen vorgehen, heißt es in dem an
diesem Dienstag veröffentlichten Aufruf. Eine gerechte Lösung für Israelis und Palästinenser
müsse auf internationalen Resolutionen gründen. Der Kreislauf der Gewalt führe nur
zu noch mehr Feindschaft, so die 13 Patriarchen, Bischöfe und Ordensmänner der im
Heiligen Land vertretenen Konfessionen. Die Palästinenser sollten ihre internen Spannungen
überwinden und so zu nationaler Versöhnung und dauerhaftem Frieden in der Region beitragen.
Den kommenden 4. Januar erklärten die Kirchenführer zum Gebetstag für „Gerechtigkeit
und Frieden im Land des Friedens“. Das Domradio in Köln hat mit dem Nahostexperten
und katholischen Pfarrer Joachim Schrödel gesprochen. Er betreut die deutschsprachige
Gemeinde in Kairo. Sein Kommentar aus dem Nachbarland Ägypten: „Entsetzen ist
noch viel zu wenig ausgedrückt. In Kairo kommt es an der israelischen wie der US-amerikanischen
Botschaft zu Demonstrationen. Die Stimmung im Volk ist ohnehin schon stark anti-israelisch
gewesen. Jetzt schlägt sie geradezu in Hass um, und das ist sehr, sehr bedenklich.“ Die
14 Kilometer lange Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten steht enorm unter
Druck. Zwar entstand die Hamas aus der ägyptischen Muslimbruderschaft, doch die harte
Linie der palästinensischen Rebellen werde abgelehnt, berichtet Schrödel: „Hier
sagt man: Wie kann es sein, dass man nicht zusammen mit dem Präsidenten Abbas ein
Vorgehen gegen die Hamas plant? Israel hätte im Grunde andere, schlauere Mittel, als
brutales Dreinschlagen. Der Überraschungsangriff am Vorabend des Fests der Unschuldigen
Kinder war ja gelungen, große Teile der Zivilbevölkerung sind getroffen worden. Das
ist etwas, das man mit meinem katholischen Mitbruder in Gaza als Terrorismus bezeichnen
kann.“ „Krieg bis zum bitteren Ende“ hat Israel angekündigt und Bereitschaft
zum wochenlangen Kampf angekündigt. Mit dieser Haltung wachse jedoch in der ganzen
Region nur der Hass gegen die Israelis, meint Pfarrer Schrödel, seit langen Jahren
im Nahen Osten. „Denn auch wenn klar ist, dass die Hamas Verursacherin der aktuellen
Situation ist: Durch die Kämpfe der Israelis in und gegen Gaza wird die Sympathie
zur Hamas eher gestärkt, als dass man sie ablehnt und gegen sie vorgeht.“ Die
eineinhalb Millionen Menschen im Gazastreifen leben im Ghetto, berichtet Schrödel
einmal mehr. „Diese Ummauerung palästinensischer Gebiete kann nie zum Frieden
führen. Die Israelis haben die absolute Kontrolle. Es gibt keine Kommunikation und
immense Versorgungsschwierigkeiten. Deshalb hat man versucht, Tunnels zu bauen. Sie
dienen nicht nur dem Waffenschmuggel, sondern auch dazu, dringend notwendige Medikamente
einzuschleusen. Die Situation ist wirklich unter aller Kritik und unvorstellbar.“ Papst
Benedikt XVI. hegt seit seinem Amtsantritt den Wunsch, ins Heilige Land zu reisen.
Seine Diplomaten stehen diesbezüglich mit Israel in Kontakt. Pfarrer Schrödel warnt: „In
dieser Situation würde ich ganz eindringlich bitten, nicht – wie es ja wohl angedacht
und vom lateinischen Patriarchen in Jerusalem schon verkündet worden ist – im Mai
das Heilige Land zu besuchen. Das sollte der Papst vorerst bleiben lassen.“