Bei den schwersten
israelischen Luftangriffen seit Jahrzehnten sind im Gazastreifen am Wochenende 270
Menschen ums Leben gekommen. Das erklärte Ziel der Offensive, die Raketenangriffe
auf Israel zu stoppen, wurde indes nicht erreicht. Mehr als 600 Menschen wurden nach
palästinensischen Angaben verletzt. Die israelische Luftwaffe flog nach Angaben eines
Sprechers seit Samstagmittag etwa 250 Angriffe auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte
unter dem Kommando der Hamas. Der Generaldirektor von Radio Vatikan und Leiter
des Pressesaals, P. Federico Lombardi SJ, ist betroffen über das Ausmaß der Gewalt.
Er fürchtet ein Weiterdrehen der Gewaltspirale: „All dies ist bewusst provoziert
worden. Einerseits macht der Hass blind für die Möglichkeiten zum Frieden, andererseits
schärft er die Wahrnehmung für die Wege des Todes und fördert einen Teufelskreis,
der zu einem weiteren Anwachsen des Hasses führt.“ Beide Seiten seien Gefangene
ihrer selbst, so Lombardi. „Hamas ist gefangen in einer Logik des Hasses. Israel
hingegen in einer Logik des Vertrauens auf die Gewalt als der besten Antwort auf den
Hass. Wir müssen dennoch weiter einen anderen Ausweg suchen, auch wenn dies unmöglich
erscheint.“ Der einzige katholische Pfarrer im Gazastreifen, Manuel Musallam
sagte, es handle sich bei den Angriffen nicht nur um ein Bombardement, sondern regelrecht
um ein Massaker. Die Offensive sei „ein Kriegsverbrechen und keiner spreche dies aus“,
so der Pfarrer. Krankenhäuser seien überfüllt, die Medikamente würden wieder knapp,
und seit einer Woche gebe es keinen Strom . Der Kustos der Franziskaner im Heiligen
Land, Pierbattista Pizzaballa, zeigte sich im Interview mit Radio Vatikan schockiert. „Wir
sind hilflos angesichts dieser Bilder. Auf der einen Seite gab es diese ständige Provokation
von Seiten der Hamas-Regierung; auf der anderen Seite diese ganz ungewöhnlich große
und exzessive Gewalt.. Wir sind sprachlos, wieder einmal, angesichts dieser schwierigen
Situation und wir hoffen, dass der gesunde Menschenverstand siegt und dass es jemandem
gelingt, zwischen den beiden Seiten zu vermitteln.“ Der Franziskaner fordert
von der internationalen Gemeinschaft ein entschiedenes Eingreifen. „Sie muss
Druck auf beide Seiten ausüben. Ich hoffe, dass sie so schnell wie möglich mit Nachdruck
und mit Kraft eingreift. Sicher wird es keinen baldigen Frieden geben, und es wird
nicht leicht werden: Es ist ein gemeinsamer Kraftakt notwendig, einschließlich der
religiösen Führer, und es wird Zeit, Erziehung und viel Geduld nötig sein. Aber wir
müssen sofort damit beginnen!“ Der Angriff kam für die Bewohner überraschend,
weil das Sicherheitskabinett erst am Sonntag über das Vorgehen entscheiden wollte.
Israel hatte den militanten Palästinensergruppen im Gazastreifen ultimativ mit einem
Militärschlag gedroht, falls sie den Raketenbeschuss von israelischen Grenzgemeinden
nicht einstellen sollten. Seit Auslaufen der Waffenruhe am 19. Dezember haben militante
Palästinenser nach Armeeangaben mehr als 180 Raketen und Mörsergranaten auf israelische
Grenzgemeinden abgefeuert. Dort leben 125.000 Israelis mit der ständigen Gefahr, bei
einem Angriff getötet zu werden. Die Vorwarnzeit liegt in einigen Städten und Kibbuzim
bei lediglich 15 Sekunden. Parallel zum Ultimatum hatte Israel als Reaktion auf internationalen
Druck und als Geste der Versöhnung die Grenze zum Gazastreifen kurzfristig für humanitäre
Hilfsgüter geöffnet. Es waren die ersten Hilfslieferungen für Gaza seit zehn Tagen
gewesen