Schwester Pascalina: Gottes mächtige Dienerin Sendung Aktenzeichen vom 21.Dezember
2008
Nie hatte eine
Frau im Vatikan so viel Macht, wie eine Ordensschwester aus Altötting: Schwester Pascalina.
Sie stand 40 Jahre an der Seite von Eugenio Pacelli zunächst Nuntius in Deutschland,
später Papst Pius XII. in Rom. Von einer einfachen Haushälterin stieg sie zur Privatsekretärin
des Papstes auf. Über das Schicksal dieser Persönlichkeit wurde schon viel geschrieben.
Aber niemand hat das Leben dieser außergewöhnlichen Frau mit solcher Akribie und belegbaren
historischen Dokumenten gezeichnet wie die deutsche Historikerin Martha Schad mit
ihrem Werk: 'Gottes mächtige Dienerin'. Das Buch wurde jetzt anlässlich des 25. Todestages
von Schwester Pascalina im Vatikan im Beisein hoher kirchlicher und politischer Persönlichkeiten
vorgestellt. Nach der Präsentation haben wir die bekannte Autorin, Wissenschaftlerin
und - was in diesem Zusammenhang nicht unwichtig ist - Protestantin vor das Mikrophon
von Radio Vatikan gebeten. Frau Dr. Schad: wer war Madre Pascalina wirklich? Welche
waren die Kernpunkte im Leben dieser bedeutenden Persönlichkeit? Eigentlich sagt schon
der dramatische Titel des Buches viel aus: Gottes mächtige Dienerin. Also
in meinem Denken und im Denken vieler, die dieses Buch schon kennen, ist es durchaus
richtig:sie diente, sie diente aber einem ganz besonderen Herrn und die Macht muss
man eben definieren. Sie war natürlich nicht mächtiger als der Papst selbst, was leider
immer wieder in dieser Richtung interpretiert wird. Sie sei so unendlich mächtig gewesen:
nein, sie war eine wichtige Person im Leben dieses großen Papstes Ihr Buch
ist 250 Seiten stark, wir haben nur 10 Minuten Zeit. Es war damals ja ungewöhnlich,
eine bayerische Ordensschwester in den Vatikan zu holen. Dazu mußte selbst der Papst
eine eigene Bewilligung einholen. Wie hat das alles begonnen? Worin bestand nun das
Dienen von Schwester Pascalina? Sie war eine Nonne im Kloster in Altötting
und wird als Hausgehilfin nach München zum eben angekommenen Nuntius Pacelli gesandt
und ist erstmal im Haushalt tätig. Ich habe aber Originalbriefe, handgeschriebene
Briefe des damaligen Nuntius bekommen, in denen er schon in der Münchner Zeit, in
dieser frühen Zeit, Pascalina bittet, für ihn schon mal die Korrespondenz, die in
München angekommen war, er war damals in Rom, durchzusehen. Also er sieht in ihr eine
sehr kluge Haushälterin, die dann aus dem Bereich des Haushalts aufsteigt, Privatsekretärin
gefällt mir auch gut, aber letztendlich wird sie eine Vertraute des Nuntius und späteren
Papstes. Schwester Pascalina war also nicht nur für den Haushalt der Nuntiatur
zunächst in München, dann in Berlin und schließlich für den Päpstlichen Haushalt in
Rom verantwortlich, sondern verfügte über entsprechende VollmachtenŠ.hat sie diese
Vollmachten durch ihre besondere Talente, durch ihre Intelligenz, oder mehr durch
ihre praktische Veranlagung Schritt für Schritt erworben? Alles was Sie eben
sagten, stimmt. Es ging Schritt für Schritt. Aber es muss eine große Intelligenz dagewesen
sein, obwohl ihre Schulbildung eine Volksschule war. Sie kann kein Wort italienisch,
als sie nach Rom kommt, sie spricht sehr schnell italienisch, sie bringt sich selbst
englisch bei und sie ist so klug, dass der damalige Kardinalstaatssekretär sie sogar
mit auf Reisen nimmt. Und nocheinmal zurückgeblendet: selbst die Nuntiatur des Gebäudes
in Berlin, legt der Nuntius in die Hand dieser Schwester und bittet sie, hier sich
zu engagieren. Also, sie war auch praktisch sehr klug. Sie kann das Haus aussuchen
und heute würde man sagen, sie hatte so etwas wie eine Bankvollmacht damals. Dritte
und dem Titel Ihre Buches nach vielleicht wichtigste Frage: worin bestand - sagen
wir einmal - die sichtbare Größe von Schwester Pascalina? Darin, dass sie
eine demütige Nonne bleibt, obwohl sie sehr weit 'oben' ist, wenn man dies aus heutiger
Sicht betrachtet. In einer Welt, in der es Frauen kaum gab. Trotz des Vertrauens,
das sie vom Papst hat, bleibt sie loyal, sie gibt keine Interviews, sie läßt sich
nicht fotografieren mit dem Heiligen Vater, sie will also im Hintergrund bleiben und
ebenŠdienen. Wollen wir kurz die Rolle der Frau antasten? Welche Rolle als Frau
würden Sie Schwester Pascalina zugestehen? Also ich sehe die Schwester Pascalina
als Vorreiterin einer Bewegung, die es heute ganz explizit gibt: nämlich Frauen im
Vatikan. Beim ersten Radiointerview mit dem heutigen Papst war ja auch davon die Rede,
dass Frauen durchaus heute in hohe Ämter kommen, auch im Vatikan. Man sieht, ein
Paradebeispiel ist Schwester Pascalina, wie tüchtig Frauen an solchen Stellen sind
und sein können. Etwas überraschend erfährt man aus Ihrem Buch, dass Schwester
Pascalina einen Lieblingsheiligen hatte: den Heiligen Josef. Gibt es dazu einen erkennbaren
Beweggrund? Ja, den gibt es ganz sicher.Also sie hatte den Klosternamen
Pascalina. Aus Berlin gibt es folgende Episode von Kardinal von Galen: Dieser gratulierte
ihr immer zu Ostern und sagte: Also Ostern heißt Pasqua und Pascalina hat demnach
zu Ostern Namenstag. Und sie wehrte sich und sagte: ich bin doch auf den Namen Josefina
getauft und deshalb ist der Heilige Josef auch der Mann, der ihr am nächsten steht.
Dass heute im Dom von Sankt Peter ein schöner Josephsaltar steht - das geht auf Schwester
Pascalina zurück. Ein Altar aus Mosaik, er gefiel ihr nicht ganz so gut, weil der
Hl. Joseph das Jesukindlein ein bisschen lasch im Arm hält, und sie habe dann oft
gesagt, das haben mir Schwestern erzählt,: Heiliger Joseph, pass gut auf das Kindchen
auf! Das Vertrauen des Papstes zu Schwester Pascalina und umgekehrt, das Vertrauen
der Schwester zu Pius XII. muss ja fast grenzenlos gewesen sein: kann man sagen, dass
sie die Hüterin der Geheimnisse von Eugenio Pacelli war ? Ja, das würde ich
schon sagen. Sie war die Hüterin seiner Geheimnisse, ganz profan seines Haushalts
mit allem, was dazugehört. Auch finanzielle Sachen, und in der Zeit , als der Papst
dann nicht mehr so ganz gesund war, war sie auch die Hüterin seiner Gesundheit. Und
da wird sie oft angegriffen, sie habe manche Personen nicht zur Audienz zugelassen.
So etwas muss man hinterfragen, das hat sie getan, um ihn zu schützen, wenn er schwer
krank war. Schwester Pascalina besaß einen starken, vor keiner Mühe zurückschreckenden
Arbeitsdrang. Hat sie diese Veranlagung oder ähnliche Anforderungen nicht nur an sich
selbst, sondern auch an andere, etwa an ihre Mitschwestern gestellt? Ja, das
ist jetzt ein Punkt, der muss schon angesprochen werden. Wer so viel Kraft hat, wie
sie, soviel Energie, erwartet auch viel von ihren Mitschwestern. Die Mitschwestern,
die mit ihr im Vatikan waren - es waren immer drei Schwestern - das lief ziemlich
problemlos. In der späteren Zeit, als sie dann schon im nordamerikansichen Priesterkolleg
war, da hatte sie schon manchmal Probleme mit den jungen Schwestern, die nach Rom
kamen. Eine anderen Anforderung war: Gehorchsam. Gehorchsam auch der Schwester Pascalina
gegenüber. Und da gibt es die hübsche Episode, dass Schwestern ins Mutterkloster nach
Menzingen schreiben: wir haben die Gesetzestafeln der Schwester Pascalina studiert
und die heißen: du darfst und du darfst nicht. Könnte es sein, dass sich Madre
Pascalina manchmal unverstanden gefühlt hat? Mit der römischen Familie des Papstes
soll es immer wieder zu Spannungen gekommen sein. Selbst Kardinäle konnten sich manchmal
gegen Schwester Pascalina nicht durchsetzen. Die Umwelt war ihr ja nicht immer nur
gut gesonnen, Sie hatte freilich den Papst an ihrer Seite, aber viellicht hat sie
dennoch manchmal unter dem hohen Amt, das sie innehatte auch gelitten? Kann das sein?
Ja, das hat sie sicher, denn dieses Vetrauenverhältnis zum Heiligen Vater,
das hat manche doch gestört und ich nenne vielleicht einmal einen Namen: Kardinal
Tisserant war wohl auch -wie mir bei Recherchen bestätigt wurde - ein schwieriger
Kardinal, oder der engste Mitarbeiter damals - Montini, das hat es ganz bestimmt oft
auch mal Punkte gegeben, wo man sich nicht einig war oder wo sie dann doch nicht beliebt
war, weil sie eben dieses Vertrauen hatte und da kommen eben auch - ich wußte nicht,
dass es so etwas gibt - im Vatikan - Eifersüchteleien auf. Schwester
Pascalina war ja nicht nur - wie wir vernommen haben - die Hüterin des Nuntius und
späteren Papstes Pius XII. im häuslichen Bereich, sondern auch auf dessen Reisen ins
Ausland, nach Südamerika und in die USA. War sie so etwas wie heute ein Reisemarschall
des Papstes? Ein Padre Tucci, oder ein Herr Gasparri? Oder gar eine Privatsekretärin,
wie etwa heute der Privatsekretär des Papstes, Monsignore Georg Gänswein? Das
haben Sie sehr schön gesagt, sie war wirklich alles zusammen. Denn es war sonst niemand
an seiner Seite und diese Reisen erscheinen ja nicht in ihren eigenen Erinnerungen
und da bin ich ganz glücklich darüber, dass ich Archivmaterial gefunden habe, Postkarten,
auf denen Pascalina selber von diesen Reisen nach Südamerika schreibt. Jetzt muss
ich Ihnen sagen, was mir schon unangenehm ist, aber es gibt ein Buch über Schwester
Pascalina, von einem Amerikaner geschrieben, der nun ziemlich viele romanhafte Details
über diese Reise schreibt, die nicht belegbar sind, aber durch das gute Archivmaterial
in Menzingen durch mein Buch belegt sind. Sie reist zum Beispiel nach Nordamerika
mit einem anderen Schiff, als der Kardinalstaatssekretär. Man kann aber dann lesen,
wie geheimnisvoll sie diese Reise gemacht hat. Und da bin ich ganz froh, dass ich
dieses Archivmaterial aufzeigen kann. Die Reisen waren für die Katholiken in Amerika
sehr, sehr wichtig, und da ist die Schwester dabei. Also ihr Horizont erweitert sich
durch diese Reisen ungemein. War Madre Pascalina nach dem Tod Papst Pius XII.
im Grunde eine einsame Frau, ein einsamer Mensch geworden? Das würde ich schon
so sehen. Alle ihre Versuche, sich sehr dafür einzusetzen, dass 'ihr' Heiliger Vater
selig- oder heiligesprochen werde, da ist sie dann nicht mehr die hochwillkommene,
wo immer sie auftritt. Sie hat große Probleme mit dem 2.vatikanichen Konzil, sie kann
sich nicht mit allem anfreunden, Es ist nicht ihre glücklichste Zeit nach dem Tod
von Papst Pius XII., aber sie wird eine angesehene Persönlichkeit und lebt dann in
einem Haus das 'Casa Pastor Angelicus' heißt, und ist dann eine graue Eminenz in Rom
und hat dann noch die große Freude am 25. Todestag des Papstes nach München und nach
Wien eingeladen zu werden. Sie haben auf Grund Ihres profunden Studiums und
Ihrer wissenschaftlichen Recherchen eine Menge Fragen beantworten können, Frau Dr.
Schad: welche Facetten im Leben von Schwester Pascalina würden Sie unbedingt noch
erwähnen wollen? Vielleicht folgendes: Die engsten Verbindungen hatte Schwester
Pascalina zum Münchner Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber, dem sie sehr zugetan
war. Sie hat mit ihm das große Hilfsprogramm nach dem 2. Weltkrieg für das zerstörte
Deutschland und München in der Hand gehabt. Damit sie auch genügend finanzielle Mittel
zur Verfügung hatte, spielt Kardinal Francis Spellmann eine große Rolle, der natürlich
auch mit der Nordamerikareise sehr involviert ist.
Zwei Schlussbemerkungen:
Schwester Pascalina wurde im Jahr 1894 in Ebersberg bei München als Josefine Lehnert
geboren. und starb hochbetagt 1983 in Wien an einer Gehirnblutung. Sie liegt auf dem
Camposanto Teutonico - dem deutschen Friedhof im Vatikan begraben. Das bekannte Buch
"Gottes mächtige Dienerin" von Martha Schad , mit zahlreichen bisher unveröffentlichten
Fotos ausgestattet, ist im Herbig Verlag München erscheinen. Aldo
Parmeggiani