2008-12-20 17:28:12

Sonntagsbetrachtung: "Hören und geschehen lassen"


Von Veronika Prueller-Jagenteufel
Immer wieder beeindruckt mich diese Szene des Engels bei der jungen Maria, der Jungfrau, wohl fast noch ein Kind. Mit dieser Szene beginnt eigentlich Weihnachten. Es beginnt nicht erst auf dem Weg nach Bethlehem, nicht erst im Stall in der Krippe, sondern hier. Es beginnt in dem Moment, in dem Maria hört und geschehen lässt, dass in ihr wachsen und dass sie gebären soll den Messias, den Sohn Gottes. Damit beginnt Weihenachten. Denn bevor noch irgendwer auf dem Weg nach Bethlehem ist, ja überhaupt sein kann, begibt sich Gott auf den Weg der Menschwerdung. Bei Gott liegt der Ursprung und die Initiative. Alle Wege zur Krippe damals und heute, auch alle unsere Bemühungen, das Weihnachtsfest schön und würdig zu feiern, entstehen aus diesem Ursprung. Sie sind Antwort auf Gottes Handeln.Um antworten zu können, muss ich zuerst hören – hinhören auf das, was mir gesagt wird. Genau dafür ist diese Szene der Verkündigung das klassische Vorbild. Maria ist das Urbild für den hörenden Menschen. Gerade damit ist sie ein Modell, in unserer Tradition ja DAS Modell, wie Menschensein aus der Hoffnung auf Gott gelingt, wie das also geht: leben im Zeichen der Ankunft Gottes.
Wir können bei Maria in die Schule gehen, können lernen von dem Mädchen aus Nazareth, von der das Evangelium erzählt: jung, verlobt, aber noch nicht verheiratet; doch schon könnte ein Fehltritt nicht nur ihre Eheschließung, sondern auch sie selbst gefährden: Würde sie sich mit einem anderen als ihrem Verlobten einlassen, könnte das schwere Strafen nach sich ziehen, unter Umständen sogar die Todesstrafe.
Der Evangelist Lukas überliefert, dass zu dieser Maria ein Engel kommt. Der Gruß des Engels gleicht den Begrüßungen, mit denen Engel schon anderen aus dem Volk Israel: Propheten und Heerführern, Botschaften von großen Aufträgen und Berufungen überbracht haben. Vielleicht erschrickt Maria deshalb über seinen Gruß, weil sie die heiligen Schriften kennt und beim Hören schon weiß, dass es nun um Großes und Bedeutendes geht. Aber von Maria wird keine Leistung erwartet, sie bekommt keinen Auftrag im Sinne eines: geh und verkünde meinem Volk – oder: geh und befreie mein Volk.
Maria wird statt dessen gesagt, dass etwas an ihr und mit ihr geschehen wird, etwas, das weit über sie hinausweist. Marias Nachfrage, wie das denn genau passieren soll, gibt dem Boten Gottes Gelegenheit zu verkünden, dass Gott das Wunder aller Wunder tut: nämlich den Messias zu schicken, selbst Mensch zu werden – und das beginnt damit, dass in einem Menschen, in Maria, die Kraft Gottes neues Leben schafft. Denn: Es gibt kein Geschehen, das nicht von Gottes Kraft gewirkt werden kann. Diesem Geschehen gibt sich Maria hin, indem sie einwilligt: Mir geschehe nach Deinem Wort.
Im griechischen Text wird hier mit einem Wort gespielt, in dem noch die hebräische Sprachwelt durchklingt. Im Hebräischen nämlich meint das Wort Gottes zugleich Gottes Schöpferkraft – in Gottes Wort liegt die Kraft, die hervorbringt, Wort und Tat sind bei Gott eins. Das zeigt sich ganz deutlich im Schöpfungsbericht der Genesis, in dem es heißt: Gott sprach und es wurde ... Maria hört also nicht nur auf Gottes Wort, sie ist bereit, dieses Wort an sich geschehen zu lassen. – Und das, obwohl es nicht ungefährlich für sie war, ohne ihren Verlobten schwanger zu werden.
Maria hört und ihre Antwort ist weder Aktivität noch Gegenrede, sondern sie stimmt zu und lässt an sich geschehen. Hören und geschehen lassen – das sind zwei üblicherweise als passiv charakterisierte Haltungen. Sie liegen damit quer zu dem Zug unserer Zeit, der Aktivität fordert, zugreifen und selbst gestalten. Wer das eigene Schicksal nicht in die Hand nimmt, kommt schnell unter die Räder. Wer sich nicht laut meldet, wird leer ausgehen. Hören und Geschehen-lassen mag in heutigen Ohren da fast wie eine Aufforderung klingen, das Leben fade an sich vorbeiziehen zu lassen.
Hören und Geschehen-lassen sind aber nicht nur für Macher und ständig Betriebsame eine schwierige Herausforderung, sondern auch für Faule und allzu Bequeme: Denn diese Haltungen sind zwar in gewisser Weise passiv, verlangen aber doch innere Gespanntheit und Aufmerksamkeit – eigentlich höchste Aktivität, nur eben anderer Art. Darin liegt eine andere Neugier auf das Leben: eine, die es nicht in den Griff kriegen will, sondern bereit ist, sich einer Kraft und Macht zu öffnen, die über unser Leben weit hinausgeht. Die Impulse dieser Macht wahrzunehmen und mit ihnen mitzugehen, bedeutet eben nicht Passivität, sondern erfordert mein Mittun, Mitdenken, Mitfühlen – fordert mich. Mich Gottes Macht zu überlassen, mich in ihren Strom zu begeben und tragen zu lassen, ist nichts Bequemes, sondern eine zuweilen höchst spannende Bewegung. Es bedeutet Hingabe und kann viel Mut brauchen und die Entscheidung zum Vertrauen.
Die Schöpferkraft Gottes geschehen lassen, auf Gottes wirksames Wort zu hören, bringt vielleicht keinen schnellen Geschäftserfolg, und es ist auch keine Garantie für ein unbehelligtes Dasein: Auf die Kraft des Zuspruchs Gottes zu vertrauen, braucht klare Wachsamkeit und risikobereite Hingabe. Hören und geschehen lassen sind dabei eins: entsprechend der Einheit von Wort und Tat bei Gott: Wer wirklich auf Gottes Wort hinhört, öffnet sich dem Handeln Gottes. Es lohnt sich, sich in der Stille darin einzuüben, auch auf die leisen Töne hinhorchen zu lernen, auf die sanften Bewegungen in mir. Die großen Schulen der Kontemplation beginnen zumeist damit, einfach den eigenen Körper aufmerksam wahrzunehmen. Meditation und Gebet beruhen auf dem Vertrauen: Wer ins Hören kommt, der und dem geschieht Heil.
Dabei ist natürlich nicht jede Stimme, die sich vernehmen lässt, schon identisch mit Gottes Wort. Eine wichtige Unterscheidungshilfe der Geister ist die Frage, ob das, was ich höre und was ich daraufhin tue, dem guten Leben aller dient.
Hören und geschehen lassen sind Haltungen eines gelingenden adventlichen Menschseins, eines Lebens im Zeichen der Zukunft Gottes. Sie sind die Antwort, die uns einschwenken lässt auf Gottes Weg der Menschwerdung. Rechtzeitig, um mit Weihnachten zu beginnen.







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