Während in Rom der
Tiber übergelaufen ist, hat der Papst in der Stadt einen ungewöhnlichen Besuch gemacht:
Er fuhr am Samstag Morgen in die italienische Botschaft beim Heiligen Stuhl. Eine,
wie er sagte, „familiäre Geste“, die das gute Verhältnis zwischen Italien und dem
Vatikan betont. Die grundlegenden Lateranverträge, die dieses Verhältnis regeln, feiern
in zwei Monaten ihren achtzigsten Geburtstag.
Land unter – das galt am Samstag
nur für direkte Tiber-Anrainer, nicht aber für die Beziehungen des italienischen Staates
zum Heiligen Stuhl. Eigentlich hätte auch Ministerpräsident Silvio Berlusconi gern
Papst Benedikt im Palazzo Borromeo begrüßt – er war aber verhindert, wegen der Hochzeit
seiner Tochter. So war es Außenminister Franco Frattini, der den Pontifex aus Deutschland
für eine Stunde in der Botschaft zu Gast hatte.
„Es gibt eine gemeinsame Grundstimmung
zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl: Das zeigt sich in der konstanten Verteidigung
des Menschen und seiner Würde in aller Welt“, so Frattini. „Im Bereich der Menschenrechte
scheint uns der Schutz der Kultfreiheit zentral. Das bedeutet nicht nur, seinen eigenen
Glauben im Privaten zu leben – es bedeutet vor allem die Freiheit für Einzelne wie
für Gruppen, ihre religiösen Überzeugungen auch öffentlich auszudrücken. Von hier
kommt auch die Sensibilität Italiens für das Schicksal christlicher Minderheiten in
vielen Ländern der Welt, etwa in Irak und dem Nahen Osten.“
Frattini hat erst
kürzlich geäußert, dass italienische Außenpolitik in gewisser Weise immer auch die
Ziele des Vatikans mitverfolge. Giulio Andreotti, einer der herausragenden Politiker
der italienischen Nachkriegszeit, galt zu Zeiten, als er italienischer Außenminister
war, nicht umsonst zugleich als „bester Außenminister des Vatikans“.
„In der
Stadt Rom leben und arbeiten der italienische Staat und der Apostolische Stuhl friedlich
und fruchtbar zusammen“, stellte der Papst fest. „Unser Einverständnis ist in der
heutigen Weltlage, in der es so viele Konflikte und Spannungen zwischen den Völkern
gibt, umso wichtiger. Wir brauchen diese Zusammenarbeit zwischen allen, die Gerechtigkeit,
Solidarität und Frieden zum Ideal haben.“
Benedikt XVI. betonte die klare „Unterscheidung“
zwischen Staat und Kirche. Diese Unterscheidung bedeute keine Schikane für die Kirche,
sondern helfe ihr sogar, ihre Rolle richtig wahrzunehmen. Allerdings liege der Kirche
viel daran, „in der Gesellschaft die moralischen und spirituellen Kräfte zu wecken“
– das sei ein Beitrag zum Gemeinwohl.
Benedikt erzählte den Angestellten der
Botschaft, dass der Palazzo, in dem sie arbeiten, einmal einem Heiligen gehört habe:
dem heiligen Karl Borromäus nämlich. Das Gebäude sei dem Heiligen und seinem Bruder
von Papst Pius IV. geschenkt worden. In gewisser Weise stünden sie also in dieser
Botschaft unter dem Schutz des großen Machers der Gegenreformation.
Während
seines Besuchs im Palazzo Borromeo wurde dem Papst ein wertvolles Kruzifix gezeigt,
das der italienische Staat vor kurzem erworben hat. Das hölzerne Kreuz wird seit neuestem
Michelangelo zugeschrieben; es wäre ein Frühwerk des Florentiner Meisters. Der Leiter
der Vatikanischen Museen, ein bekannter Kunsthistoriker, erläuterte dem Papst die
wertvolle Schnitzerei.