Der Vatikan wehrt sich gegen „schwere Kritik“ auf internationaler Bühne. Sie war laut
geworden, weil der Heilige Stuhl nicht die französische Homosexuellen-Initiative bei
der UNO unterstützt und nicht die Behindertenkonvention unterzeichnet. In einem Leitartikel
seiner Zeitung „L’Osservatore Romano“ vom Dienstag geht der Vatikan nun auf die Kritik
ein.
Vorab betont die Autorin Lucetta Scaraffia: Die Kirche hat sich in einem
Gutteil ihrer Geschichte als Institution der Nächstenliebe bewährt, die die Rechte
der Schwächsten schützt. Wer das übersehe, zeichne ein Zerrbild. Der Heilige Stuhl
leugne auch gar nicht, dass sowohl die französische Initiative für Homosexuelle als
auch die Behindertenkonvention „viele positive Elemente“ enthielten. Warum also trotzdem
das Nein aus dem Vatikan? Weil die Homosexuellen-Initiative durch die Hintertür (sprich:
durch eine „zweideutige Formulierung“) eine „Ehe zwischen Homosexuellen“ einführe
– „und damit auch das Recht auf Adoption von Kindern durch solche Paare und auf künstliche
Befruchtung für sie“. Und weil die Behindertenkonvention „die Möglichkeit zur Abtreibung
für Behinderte“ festschreibe.
Dagegen stelle sich die Kirche, auch wenn sie
im Gegenzug wüst beschimpft und ihr Bild in der Öffentlichkeit „manipuliert“ und „schwer
beschädigt“ werde. Der Artikel wörtlich: „Das ist der Preis, den die katholische Kirche
dafür zahlt, dass sie weltweit die einzige wichtige Institution ist, die sich in vernünftiger
Weise gegen Praktiken wendet, die der Würde des Menschen widersprechen“. Die Kirche
sei auch die einzige, die „stets und ohne Furcht die wahren Opfer benennt“: „Nicht
nur die Homosexuellen, sondern auch die Kinder, die diese zu haben wünschen; nicht
nur die Frauen, die abtreiben oder dazu gezwungen werden, sondern auch die Föten,
denen das Recht verwehrt wird, zur Welt zu kommen; nicht nur die Kranken, sondern
auch die Embryonen, denen man die Entfaltung ihres Lebens verweigert.“
Nach
dem Zusammenbruch der Ideologien sei der Glaube an die Zukunft mittlerweile von einer
„ohnmächtigen Tyrannei des richtigen Fühlens“ abgelöst worden, analysiert der Aufsatz
in Anlehnung an den französischen Philosophen Marcel Gauchet. Gesucht werde heute
nicht mehr nach Gerechtigkeit und Wahrheit, sondern nach der „Fähigkeit, sich als
Opfer zu sehen“. Der „Wettlauf um das Opfersein“ aber – so das Vatikan-Urteil, das
dem Essay seinen Titel gibt – „verdunkelt die Realität.“