2008-11-28 12:01:25

EU: „Wir nehmen Irak-Flüchtlinge auf“


RealAudioMP3 Die Innenminister der Europäischen Union geben grünes Licht für eine Aufnahme von Irak-Flüchtlingen in den EU-Mitgliedsländern. An die 10.000 Flüchtlinge insgesamt könnten aufgenommen werden, beschlossen die Minister in Brüssel einstimmig. Ein Viertel davon, also 2.500 Menschen, will Deutschland aufnehmen. Im September war noch die Zahl von 5.000 im Gespräch gewesen. Hilfe sollen besonders schutzbedürftige Menschen erhalten, die keine Chance auf eine Rückkehr in den Irak haben. Dazu gehören religiöse Minderheiten, Folteropfer oder sexuell missbrauchte Frauen. In Deutschland sollte der Schwerpunkt auf verfolgten Christen liegen. Allerdings unterliegt die Aufnahme der Flüchtlinge laut dem deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble dem „Prinzip der Freiwilligkeit“.

Schäuble erinnerte daran, dass das Land Niedersachsen angeboten habe, Flüchtlinge aus dem Irak zunächst im ehemaligen Durchgangslager Friedland unterzubringen. Dort sollen sie mehrwöchige Kurse zum Leben in Deutschland und zur deutschen Sprache durchlaufen. Nach Schätzungen des UNHCR sind rund 13 Prozent der etwa 2 Millionen irakischen Flüchtlinge in Syrien und Jordanien Christen und somit in ihrer Heimat besonders gefährdet. Schäuble betonte, verfolgte religiöse Minderheiten und damit Christen stellten voraussichtlich auch die große Mehrheit der von Deutschland aufzunehmenden Flüchtlinge.

Konkrete Angaben, welche anderen EU-Staaten ebenfalls Flüchtlinge aufnehmen werden, konnte Schäuble nicht machen. Durch den Beschluss der EU-Innenminister werde der Druck auf andere EU-Staaten aber doch relativ groß sein, so der CDU-Politiker. Gemeinsam mit dem UNHCR sollten die Neuansiedler für Deutschland jetzt in den Flüchtlingslagern und Syrien und Jordanien ausgewählt werden.

Die Unions-Bundestagsfraktion begrüßte den Beschluss der EU-Innenminister als hervorragende Botschaft. Die Fraktionssprecherin für Menschenrechte, Erika Steinbach (CDU), forderte in Berlin, die Aufnahme vor allem der am schlimmsten verfolgten Christen in Deutschland müsse „jetzt zügig anlaufen“. Die Lage der Christen sei besonders dramatisch. Als religiöse Minderheit seien sie bevorzugtes Ziel von Extremisten.

Die katholische Kirche in Deutschland begrüßt die Nachricht aus Brüssel. Allerdings könne die von den Ministern vereinbarte Zahl von 10.000 Flüchtlingen „nur einen ersten Schritt markieren“, sagte der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, der Katholischen Nachrichten-Agentur in Berlin. Die Innenminister von Bund und Ländern sollten den europäischen Beschluss nun zügig umsetzen. Jüsten verwies auf den Bericht der EU-Beobachtermission, wonach einschließlich palästinensischer Flüchtlinge aus dem Irak rund 75.000 Personen darauf angewiesen seien, in Drittstaaten weiterwandern zu können. Die Lage der Betroffenen vor Ort werde immer schwieriger. Die katholische Kirche in Deutschland sei bereit, mit ihren seelsorgerlichen und karitativen Möglichkeiten bei der Integration der Flüchtlinge in Deutschland zu helfen. Nun müssten die Innenminister der Bundesländer ein tragfähiges Konzept für die Aufnahme der Iraker vereinbaren. Dabei hoffe er auf einen „großzügigen Schritt“.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat den Beschluss der EU- Innenminister hingegen als „Tropfen auf den heißen Stein“ bezeichnet. Es sei zwar begrüßenswert, dass den Not leidenden Flüchtlingen endlich eine helfende Hand entgegen gestreckt werd. Doch es sei beschämend für ganz Europa, dass damit für einzelne Staaten keine Verpflichtung zur Aufnahme einer verbindlichen Anzahl von Flüchtlingen verbunden sei. Der Verband verweist darauf, dass gerade unter den christlichen Flüchtlingen aus dem Irak „eine große Zahl gut ausgebildeter, integrationsfreudiger Menschen“ seien, die sich schnell integrieren würden. Wenn der deutschen Bevölkerung das ganze Ausmaß der Christenverfolgung im Irak vor Augen geführt würde, „wäre die Bereitschaft zur Aufnahme von sehr viel mehr Vertriebenen mit Sicherheit genauso groß wie während des Bosnienkrieges“. Damals fanden rund 320.000 muslimischen Bosniaken Zuflucht in Deutschland. Kritik an dem EU-Beschluss kommt auch von „Pro Asyl“.

Das Kolpingwerk nennt es „ein gutes Zeichen, dass der lautstarke Protest der Kirchen, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und vieler Verbände ... offenbar geholfen hat, das Leid der Flüchtlinge zu lindern“. Für eine Aufnahme von Irak-Flüchtlingen in der EU setzt sich eine breite kirchliche Koalition ein, darunter auch das Päpstliche Missionswerk „missio“.

(rv/afp/kna/pm 28.11.2008 sk)

Im Audiofile hören Sie ein Kollegengespräch zur Lage der Irakflüchtlinge.







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