„Die Kirche war nicht
nur schlecht.“ Das soll die erste Seligsprechung auf Kuba den Menschen zeigen, zumindest
wenn es nach Meinung eines Pfarrers aus dem Westen der Insel geht. Am Samstag wird
der Barmherzige Bruder José Olallo Valdés, der im 19. Jahrhundert in der Armen- und
Krankenfürsorge tätig war, auf Kuba selig gesprochen. Von der Bedeutung dieses kirchlichen
Großereignisses im kommunistischen Kuba und vom Beispielcharakter des künftigen Seligen
hören Sie in diesem Feature, zusammengestellt von Birgit Pottler und Veronica Pohl.
Zu Wort kommen Seelsorger, Experten und Vatikanvertreter. (rv 27.11.2008 vp)
Die
Welt blickt nach Kuba. Die Kirche tut das an diesem Samstag wohlgesinnt, denn zum
ersten Mal findet auf der Insel eine Seligsprechung statt. Mit dem Barmherzigen Bruder
José Olallo Valdés, der im 19. Jahrhundert in der Armen- und Krankenfürsorge tätig
war, wird zum zweiten Mal ein Kubaner selig gesprochen.
Bevor wir zu Vita des
künftigen Seligen kommen, zunächst die Frage an den Kuba-Referenten von „Kirche im
Not“, Javier Legoretta: Was heißt dieses kirchliche Großereignis für das kommunistische
Kuba? „Diese Seligsprechung hat in einem Land, das isoliert ist, weil
es eine Insel ist, eine enorme Bedeutung. Vor allem, wegen dem, was Pater Olallo gemacht
hat. Er war ein sehr großzugiger Mann. Er war mitten unter den Leuten, hat Kranke
betreut. Und ich glaube, die Kubaner brauchen in den nächsten 20, 30 Jahren Verständnis
für ihre Situation und viel Begleitung. Es gibt sehr viele Kranke, viel Armut in dem
Land. Und das Beispiel Olallos ist nicht nur ein Beispiel für die katholische Kirche,
sondern auch für die offiziellen Krankenhäuser und Hospitäler. Besonders gilt das
für Camagüey, denn dort sind viele Krankenhäuser nicht in der Lage, die Kranken und
Armen zu betreuen. Deswegen haben die Bischöfe gesagt, dass Olallo nicht nur ein Beispiel
für die Kirche oder nur für Camagüey, sondern für das ganze Land, für ganz Kuba gibt.“
Noch
eine Premiere: Die Seligsprechung wird - wenn auch zeitversetzt - im kubanischen Fernsehen
gesendet. Ist das ein neues Zeichen des Aufbruchs der Fronten zwischen Staat und Kirche?
Wird letztere künftig weniger ausgebremst? Eher nein, sagte der „Kirche in Not“-Referent
im Gespräch mit Veronica Pohl. Der Sendeplatz für die Kirche - hin und wieder gibt
es übrigens auch Radioansprachen an Ostern und Weihnachten - ist vielmehr Teil der
üblichen Gangart der Regierung: „Mal sagt sie ja. Mal sagt sie nein. Leider
ist dieses Nein oft sehr stark. Zum Beispiel bei der Gewährung eines Kirchenwiederaufbaus,
bei der Gewährung von einem Auto für einen Priester oder bei der Genehmigung eines
Visums für einen neuen Missionar auf Kuba. Diese Dinge dauern sehr lange, da gibt
es eine bürokratische Langsamkeit. Ich glaube, die Regierung will einen guten Eindruck
hinterlassen, wenn sich ihr öffentlich die Möglichkeit bietet. Wir wissen genau, dass
es bei Diktaturen und kommunistischen Regierungen um Propaganda geht. Es geht ihnen
um ihren guten Ruf. In diesem Sinne ist die Übertragung der Seligsprechung wahrscheinlich
eine Gelegenheit, einen guten Ruf zu haben.“
Also eher eine Form von Brot
und Spiele, als denn eine Öffnung, von der auch gläubige Katholiken und das Volk etwas
spüren? „Ich glaube, da kommt so schnell nichts an. Die katholische Kirche hat
immer ihre Mission erfüllt und diese Aufgabe gut gemacht, aber eben unter vielen Einschränkungen.
Ich glaube, dass sich da nicht so schnell was in der Beziehung zwischen Regierung
und katholischer Kirche verändert. Man braucht viel Dialog und auch viel Zeit nach
50 Jahren kommunistischer Regierung, vor allem in dieser Phase vor einem neuen Präsidenten.“
Die
Bischöfe Kubas sprechen vom Beispielcharakter des neuen Seligen für das Volk. Vielleicht
wird sie ja zur neuen Etappe in der Politik der kleinen Schritte zwischen Kirche und
Kommunismus auf Kuba... „Ich glaube, ein Beispiel ist immer ein kleines Signal,
wo auch die Regierung sagt: Aha, das hat die katholische Kirche gemacht. Die Geschichte
der Kirche in den vergangenen 2000 Jahren war immer ein Beispiel, ein Zeugnis. Und
ein Zeugnis ist etwas, das mit der Zeit wächst und mit dem Gebet und der pastoralen
Arbeit, mit den Bischöfen und Priestern. Ich glaube, hier braucht man Zeit. Ich
glaube, schon der Besuch Johannes Pauls II. vor elf Jahren hat die Bischöfe auf Kuba
bestärkt. Sie haben ihre Missionsarbeit ausgeweitet und viel beeindruckende Initiative
gezeigt. Dieser Besuch hat wohl die Regierung etwas zurückgedrängt, aber dennoch arbeiten
die Bischöfe mit limitierten Mitteln. Dabei ist die Hoffnung die Hauptbotschaft geblieben.
Für die Kubanerinnen und Kubaner ist die Hoffnung die letzte Chance, nicht verlieren
zu müssen. Ich glaube, dass alle Kubaner in einer sehr spirituellen Hoffnung leben.
Aber nur 3-4 Prozent der elf Millionen Kubaner sind praktizierende Christen, obwohl
30-50 Prozent getauft sind. Deswegen müssen die Bischöfe immer wieder die Hoffnung
betonen und wiederholen, dass es eine bessere Zukunft für das Land geben kann.“
Hoffnung
für das Staat-Kirchen-Verhältnis? Welche Anknüpfungspunkte hat die katholische Kirche
konkret? „Kardinal Tarcisio Bertone hat bei seinem Besuch im Januar 2008 auch
eine neue Phase zusammen mit den Bischöfen eingeleitet. Ich glaube, dass sich die
Regierung nicht so bald ändert, was den Präsidenten und die zukünftige Partei betrifft.
Ich denke, auch der Dialog wird sich schwierig gestalten. Es wird immer wieder Schritte
geben, die nicht gut, nicht förderlich sind. Im Moment glaube ich, die katholische
Kirche hat eine Dialogchance in Zusammenhang mit der Situation der Konjunktur. In
dieser Situation warten die Bischöfe auf eine neue Phase. Hier sind die Bischöfe schon
in den Dialog getreten und tun das auch weiterhin. Aber wie lange dauert es, bis der
heutige Präsident und Fidel Castro wirklich Änderungen vornehmen? Das müssen die Bischöfe
abwarten.“ Soweit Javier Legoretta, gebürtiger Mexikaner und beim
Hilfswerk „Kirche in Not“ Fachmann für Kuba. Doch wer ist dieser neue Selige? José
Olallo Valdés - ein Portrait von ihm und seinem Land zeichnet - noch einmal - Veronika
Pohl:
Bruder José Olallo Valdés wurde 1820 in Havanna geboren und verbrachte
sein ganzes Leben – er wurde 69 Jahre alt - auf Kuba. Er gehörte dem Orden des heiligen
Johannes von Gott an, und war der letzte Bruder dieser Gemeinschaft vor Ort – denn
im Zuge der Säkularisierung im 19. Jahrhundert wurden die Ordensgemeinschaften in
Spanien und Lateinamerika von der spanischen Regierung verboten. Doch was genau
macht den zukünftigen Seligen für uns heute zum Vorbild? Kurienkardinal José Saraiva
Martins, der am Samstag auf Kuba die Seligsprechung vornehmen wird, beantwortet die
Frage: „José Olallo Valdés wird als ,Vater der Armen’ und ,Vorbild der Nächstenliebe’
bezeichnet, weil er sein ganzes Leben in den Dienst der Armen und Kranken gestellt
hat. Das war sein Ideal. Er hat sich den Ärmsten der Armen zugewandt und gesagt: Das
sind meine Brüder! Nein, mehr noch: Er hat sie als seine Kinder bezeichnet. Somit
ist Bruder Olallo zu einem lebenden Beispiel christlicher Nächstenliebe geworden“. Dabei
habe Olallo frohen Herzens gedient, betont Martins: „Er ist ein wunderbares
Beispiel für die Christusnachfolge. Er hat sich den Armen nämlich nicht einfach irgendwie
zugewandt, sondern hat sich ihrer mit Freude angenommen. Freude und echte Hingabe
machen den christlichen Weg aus. Ein Dienst an den Armen ohne diese Freude wäre kein
wirklich christlicher Dienst.“ Der Sekretär des Päpstlichen Rates
für die Krankenseelsorge, Bischof José Luis Redrado Marchite, wird bei der Seligsprechung
in Camagüey, der Wirkungsstätte Olallos, anwesend sein und ergänzt: „Er ist
ein Beispiel für uns alle, besonders in dieser Zeit des gesellschaftlichen Wandels
und voller großer Krisen. Besonders heute brauchen wir jemanden, der uns zeigt, wie
wichtig es ist, unseren Weg mit der Unterstützung des Heiligen Geistes zu gehen. Und
Bruder Olallo führt uns das mit seinem Leben vor Augen. Die Heiligen zeigen
uns hier ganz konkret einen Weg in der irdischen Welt auf. Sie schenken uns Vertrauen
und Zuversicht in die Zukunft. So gibt Bruder Olallo nicht nur ein Beispiel für die
kubanische Kirche, sondern für die ganze kubanische Gesellschaft.“
Blickt
man auf Kuba, so wird die Seligsprechung Bruder Olallos mit großer Freude aufgenommen.
Kardinal Martins hat die Vorbereitungen beobachtet und stellt fest: „Es ist
ein wirklich außergewöhnliches Ereignis, ein historischer Moment für Kuba. Besonders
wichtig ist das natürlich für die Kirche. Und die Kubaner treffen sehr aufgeregt und
voller Hingabe Vorbereitungen für diese Seligsprechung. … Es scheint als habe Bruder
Olallo seine Hingabe den Kubanern hinterlassen. Sie verehren ihn ähnlich stark, wie
in Italien Padre Pio verehrt wird. Den Glauben zu leben, die Solidarität mit den Mitmenschen
zu leben, dass hat Bruder Olallo die Kubaner gelehrt.“
Aber
hat diese Botschaft aus dem Leben Olallos auch ganz Kuba erreicht? Josef Bocktenk,
der im Westen der Insel als Pfarrer tätig ist, erzählt uns, dass dort vor allem die
heilige Barbara verehrt wird. „Der Pater Olallo ist da ein bisschen in den Hintergrund
getreten. Erst 2006 wurde ja der Prozess der Seligsprechung in Rom beschleunigt. Und
erst seit dem hört man dann mehr von Pater Olallo, ist er wieder allgemein bekannt.“
Pfarrer Bocktenk erzählt von Prospekten über Pater Olallo, die seit dem verteilt
worden sind und meint, dass nur langsam mehr vom Leben des Ordensmanns bis in alle
Teile der Insel vordringt. „In der Diözesanzeitschrift ,Vital’ kamen in den
letzten zwei Nummern Artikel zu Olallo raus. Und 80 Personen fahren jetzt zu der Seligsprechung
nach Camagüey. Von hier sind das immerhin 800 Kilometer. Dann wird im Februar – am
11. Februar ist der Tag der Kranken – eine Novene gefeiert. Und mehr ist dazu hier
nicht rüber gekommen.“ Weiter bemängelt Pfarrer Bocktenk, dass
in nicht kirchlichen Medien kaum über Pater Olallo berichtet wird. Nach der Medienpräsenz
der Kirche allgemein befragt, antwortet er: „Ich kann sagen: null und nichtig.
Das ist ja unser Problem in Kuba, wir haben ja keinen Zugang zu den Kommunikationsmedien.
Das wird ja unterdrückt, wenn ich mal so sagen darf.“
Also ist es doch
umso bedeutsamer, dass die Seligsprechung auch im kubanischen Staatsfernsehen zu sehen
sein wird. Vatikanbischof Redrado meint, dass es dabei um eine stärkere Sichtbarkeit
der Kirche in Kuba geht. „Die Seligsprechung wird deswegen auch im Fernsehen
übertragen, weil die breite Öffentlichkeit Notiz von dem Ereignis nimmt und nehmen
soll. Es ist wichtig, dass sich die Kirche bemerkbar macht, dass man sie in der Medienvielfalt
wahrnimmt. Sie geht so auf die Menschen zu. Und das will sie ja, sie will sich in
die sozialen Belange der Menschen einmischen.“
Pfarrer Bocktenk kommt zu
dem Schluss: „Es ist schwer, den Leuten beizubringen, was überhaupt ein Heiliger
ist. Ich glaube aber, dass die Seligsprechung von Olallo sicher etwas bewirkt. Ich
bin fest davon überzeugt, dass das nach dieser Seligsprechung hier tiefer geht.“
So
hofft er besonders darauf, dass viele Kubaner, die bislang bei dem Wort „Kirche“ nur
an die von Gewalt geprägte Kolonialzeit denken... „… jetzt wach werden und sagen:
Die Kirche war doch nicht nur schlecht, sie war doch nicht nur auf Seiten der Ausbeuter.“
(rv)