2008-11-27 20:13:53

Kuba: Erste Seligsprechung auf der Insel


RealAudioMP3 „Die Kirche war nicht nur schlecht.“ Das soll die erste Seligsprechung auf Kuba den Menschen zeigen, zumindest wenn es nach Meinung eines Pfarrers aus dem Westen der Insel geht. Am Samstag wird der Barmherzige Bruder José Olallo Valdés, der im 19. Jahrhundert in der Armen- und Krankenfürsorge tätig war, auf Kuba selig gesprochen. Von der Bedeutung dieses kirchlichen Großereignisses im kommunistischen Kuba und vom Beispielcharakter des künftigen Seligen hören Sie in diesem Feature, zusammengestellt von Birgit Pottler und Veronica Pohl. Zu Wort kommen Seelsorger, Experten und Vatikanvertreter. (rv 27.11.2008 vp)


Die Welt blickt nach Kuba. Die Kirche tut das an diesem Samstag wohlgesinnt, denn zum ersten Mal findet auf der Insel eine Seligsprechung statt. Mit dem Barmherzigen Bruder José Olallo Valdés, der im 19. Jahrhundert in der Armen- und Krankenfürsorge tätig war, wird zum zweiten Mal ein Kubaner selig gesprochen.

Bevor wir zu Vita des künftigen Seligen kommen, zunächst die Frage an den Kuba-Referenten von „Kirche im Not“, Javier Legoretta: Was heißt dieses kirchliche Großereignis für das kommunistische Kuba?
Diese Seligsprechung hat in einem Land, das isoliert ist, weil es eine Insel ist, eine enorme Bedeutung. Vor allem, wegen dem, was Pater Olallo gemacht hat. Er war ein sehr großzugiger Mann. Er war mitten unter den Leuten, hat Kranke betreut. Und ich glaube, die Kubaner brauchen in den nächsten 20, 30 Jahren Verständnis für ihre Situation und viel Begleitung. Es gibt sehr viele Kranke, viel Armut in dem Land. Und das Beispiel Olallos ist nicht nur ein Beispiel für die katholische Kirche, sondern auch für die offiziellen Krankenhäuser und Hospitäler. Besonders gilt das für Camagüey, denn dort sind viele Krankenhäuser nicht in der Lage, die Kranken und Armen zu betreuen. Deswegen haben die Bischöfe gesagt, dass Olallo nicht nur ein Beispiel für die Kirche oder nur für Camagüey, sondern für das ganze Land, für ganz Kuba gibt.“

Noch eine Premiere: Die Seligsprechung wird - wenn auch zeitversetzt - im kubanischen Fernsehen gesendet. Ist das ein neues Zeichen des Aufbruchs der Fronten zwischen Staat und Kirche? Wird letztere künftig weniger ausgebremst? Eher nein, sagte der „Kirche in Not“-Referent im Gespräch mit Veronica Pohl. Der Sendeplatz für die Kirche - hin und wieder gibt es übrigens auch Radioansprachen an Ostern und Weihnachten - ist vielmehr Teil der üblichen Gangart der Regierung:
Mal sagt sie ja. Mal sagt sie nein. Leider ist dieses Nein oft sehr stark. Zum Beispiel bei der Gewährung eines Kirchenwiederaufbaus, bei der Gewährung von einem Auto für einen Priester oder bei der Genehmigung eines Visums für einen neuen Missionar auf Kuba. Diese Dinge dauern sehr lange, da gibt es eine bürokratische Langsamkeit. Ich glaube, die Regierung will einen guten Eindruck hinterlassen, wenn sich ihr öffentlich die Möglichkeit bietet. Wir wissen genau, dass es bei Diktaturen und kommunistischen Regierungen um Propaganda geht. Es geht ihnen um ihren guten Ruf. In diesem Sinne ist die Übertragung der Seligsprechung wahrscheinlich eine Gelegenheit, einen guten Ruf zu haben.“

Also eher eine Form von Brot und Spiele, als denn eine Öffnung, von der auch gläubige Katholiken und das Volk etwas spüren?
„Ich glaube, da kommt so schnell nichts an. Die katholische Kirche hat immer ihre Mission erfüllt und diese Aufgabe gut gemacht, aber eben unter vielen Einschränkungen. Ich glaube, dass sich da nicht so schnell was in der Beziehung zwischen Regierung und katholischer Kirche verändert. Man braucht viel Dialog und auch viel Zeit nach 50 Jahren kommunistischer Regierung, vor allem in dieser Phase vor einem neuen Präsidenten.“

Die Bischöfe Kubas sprechen vom Beispielcharakter des neuen Seligen für das Volk. Vielleicht wird sie ja zur neuen Etappe in der Politik der kleinen Schritte zwischen Kirche und Kommunismus auf Kuba...
„Ich glaube, ein Beispiel ist immer ein kleines Signal, wo auch die Regierung sagt: Aha, das hat die katholische Kirche gemacht. Die Geschichte der Kirche in den vergangenen 2000 Jahren war immer ein Beispiel, ein Zeugnis. Und ein Zeugnis ist etwas, das mit der Zeit wächst und mit dem Gebet und der pastoralen Arbeit, mit den Bischöfen und Priestern. Ich glaube, hier braucht man Zeit.
Ich glaube, schon der Besuch Johannes Pauls II. vor elf Jahren hat die Bischöfe auf Kuba bestärkt. Sie haben ihre Missionsarbeit ausgeweitet und viel beeindruckende Initiative gezeigt. Dieser Besuch hat wohl die Regierung etwas zurückgedrängt, aber dennoch arbeiten die Bischöfe mit limitierten Mitteln. Dabei ist die Hoffnung die Hauptbotschaft geblieben. Für die Kubanerinnen und Kubaner ist die Hoffnung die letzte Chance, nicht verlieren zu müssen. Ich glaube, dass alle Kubaner in einer sehr spirituellen Hoffnung leben. Aber nur 3-4 Prozent der elf Millionen Kubaner sind praktizierende Christen, obwohl 30-50 Prozent getauft sind. Deswegen müssen die Bischöfe immer wieder die Hoffnung betonen und wiederholen, dass es eine bessere Zukunft für das Land geben kann.“

Hoffnung für das Staat-Kirchen-Verhältnis? Welche Anknüpfungspunkte hat die katholische Kirche konkret?
„Kardinal Tarcisio Bertone hat bei seinem Besuch im Januar 2008 auch eine neue Phase zusammen mit den Bischöfen eingeleitet. Ich glaube, dass sich die Regierung nicht so bald ändert, was den Präsidenten und die zukünftige Partei betrifft. Ich denke, auch der Dialog wird sich schwierig gestalten. Es wird immer wieder Schritte geben, die nicht gut, nicht förderlich sind. Im Moment glaube ich, die katholische Kirche hat eine Dialogchance in Zusammenhang mit der Situation der Konjunktur. In dieser Situation warten die Bischöfe auf eine neue Phase. Hier sind die Bischöfe schon in den Dialog getreten und tun das auch weiterhin. Aber wie lange dauert es, bis der heutige Präsident und Fidel Castro wirklich Änderungen vornehmen? Das müssen die Bischöfe abwarten.“
 
Soweit Javier Legoretta, gebürtiger Mexikaner und beim Hilfswerk „Kirche in Not“ Fachmann für Kuba. Doch wer ist dieser neue Selige? José Olallo Valdés - ein Portrait von ihm und seinem Land zeichnet - noch einmal - Veronika Pohl:

Bruder José Olallo Valdés wurde 1820 in Havanna geboren und verbrachte sein ganzes Leben – er wurde 69 Jahre alt - auf Kuba. Er gehörte dem Orden des heiligen Johannes von Gott an, und war der letzte Bruder dieser Gemeinschaft vor Ort – denn im Zuge der Säkularisierung im 19. Jahrhundert wurden die Ordensgemeinschaften in Spanien und Lateinamerika von der spanischen Regierung verboten.
Doch was genau macht den zukünftigen Seligen für uns heute zum Vorbild? Kurienkardinal José Saraiva Martins, der am Samstag auf Kuba die Seligsprechung vornehmen wird, beantwortet die Frage:
„José Olallo Valdés wird als ,Vater der Armen’ und ,Vorbild der Nächstenliebe’ bezeichnet, weil er sein ganzes Leben in den Dienst der Armen und Kranken gestellt hat. Das war sein Ideal. Er hat sich den Ärmsten der Armen zugewandt und gesagt: Das sind meine Brüder! Nein, mehr noch: Er hat sie als seine Kinder bezeichnet. Somit ist Bruder Olallo zu einem lebenden Beispiel christlicher Nächstenliebe geworden“.
 
Dabei habe Olallo frohen Herzens gedient, betont Martins:
„Er ist ein wunderbares Beispiel für die Christusnachfolge. Er hat sich den Armen nämlich nicht einfach irgendwie zugewandt, sondern hat sich ihrer mit Freude angenommen. Freude und echte Hingabe machen den christlichen Weg aus. Ein Dienst an den Armen ohne diese Freude wäre kein wirklich christlicher Dienst.“
 
Der Sekretär des Päpstlichen Rates für die Krankenseelsorge, Bischof José Luis Redrado Marchite, wird bei der Seligsprechung in Camagüey, der Wirkungsstätte Olallos, anwesend sein und ergänzt:
„Er ist ein Beispiel für uns alle, besonders in dieser Zeit des gesellschaftlichen Wandels und voller großer Krisen. Besonders heute brauchen wir jemanden, der uns zeigt, wie wichtig es ist, unseren Weg mit der Unterstützung des Heiligen Geistes zu gehen. Und Bruder Olallo führt uns das mit seinem Leben vor Augen.
Die Heiligen zeigen uns hier ganz konkret einen Weg in der irdischen Welt auf. Sie schenken uns Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft. So gibt Bruder Olallo nicht nur ein Beispiel für die kubanische Kirche, sondern für die ganze kubanische Gesellschaft.“

Blickt man auf Kuba, so wird die Seligsprechung Bruder Olallos mit großer Freude aufgenommen. Kardinal Martins hat die Vorbereitungen beobachtet und stellt fest:
„Es ist ein wirklich außergewöhnliches Ereignis, ein historischer Moment für Kuba. Besonders wichtig ist das natürlich für die Kirche. Und die Kubaner treffen sehr aufgeregt und voller Hingabe Vorbereitungen für diese Seligsprechung. … Es scheint als habe Bruder Olallo seine Hingabe den Kubanern hinterlassen. Sie verehren ihn ähnlich stark, wie in Italien Padre Pio verehrt wird. Den Glauben zu leben, die Solidarität mit den Mitmenschen zu leben, dass hat Bruder Olallo die Kubaner gelehrt.“

 
Aber hat diese Botschaft aus dem Leben Olallos auch ganz Kuba erreicht? Josef Bocktenk, der im Westen der Insel als Pfarrer tätig ist, erzählt uns, dass dort vor allem die heilige Barbara verehrt wird.
„Der Pater Olallo ist da ein bisschen in den Hintergrund getreten. Erst 2006 wurde ja der Prozess der Seligsprechung in Rom beschleunigt. Und erst seit dem hört man dann mehr von Pater Olallo, ist er wieder allgemein bekannt.“

Pfarrer Bocktenk erzählt von Prospekten über Pater Olallo, die seit dem verteilt worden sind und meint, dass nur langsam mehr vom Leben des Ordensmanns bis in alle Teile der Insel vordringt.
„In der Diözesanzeitschrift ,Vital’ kamen in den letzten zwei Nummern Artikel zu Olallo raus. Und 80 Personen fahren jetzt zu der Seligsprechung nach Camagüey. Von hier sind das immerhin 800 Kilometer. Dann wird im Februar – am 11. Februar ist der Tag der Kranken – eine Novene gefeiert. Und mehr ist dazu hier nicht rüber gekommen.“
 
Weiter bemängelt Pfarrer Bocktenk, dass in nicht kirchlichen Medien kaum über Pater Olallo berichtet wird. Nach der Medienpräsenz der Kirche allgemein befragt, antwortet er:
„Ich kann sagen: null und nichtig. Das ist ja unser Problem in Kuba, wir haben ja keinen Zugang zu den Kommunikationsmedien. Das wird ja unterdrückt, wenn ich mal so sagen darf.“

Also ist es doch umso bedeutsamer, dass die Seligsprechung auch im kubanischen Staatsfernsehen zu sehen sein wird. Vatikanbischof Redrado meint, dass es dabei um eine stärkere Sichtbarkeit der Kirche in Kuba geht.
„Die Seligsprechung wird deswegen auch im Fernsehen übertragen, weil die breite Öffentlichkeit Notiz von dem Ereignis nimmt und nehmen soll. Es ist wichtig, dass sich die Kirche bemerkbar macht, dass man sie in der Medienvielfalt wahrnimmt. Sie geht so auf die Menschen zu. Und das will sie ja, sie will sich in die sozialen Belange der Menschen einmischen.“

Pfarrer Bocktenk kommt zu dem Schluss:
„Es ist schwer, den Leuten beizubringen, was überhaupt ein Heiliger ist. Ich glaube aber, dass die Seligsprechung von Olallo sicher etwas bewirkt. Ich bin fest davon überzeugt, dass das nach dieser Seligsprechung hier tiefer geht.“

 
So hofft er besonders darauf, dass viele Kubaner, die bislang bei dem Wort „Kirche“ nur an die von Gewalt geprägte Kolonialzeit denken...
„… jetzt wach werden und sagen: Die Kirche war doch nicht nur schlecht, sie war doch nicht nur auf Seiten der Ausbeuter.“ (rv)
 







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