In Italien ist ein
Streit über das Thema Sterbehilfe entbrannt. Es geht um das Schicksal der 37-jährigen
Wachkoma-Patientin Eluana Englaro. Italiens höchstes Berufungsgericht hatte am Donnerstag
juristisch den Weg für einen Abbruch der künstlichen Ernährung für die seit 1992 bewusstlose
Italienerin freigemacht. Nun hat sich der Präsident der italienischen Bischofskonferenz
zu Wort gemeldet. Kardinal Angelo Bagnasco warnte im Gespräch mit Radio Vatikan vor
einer Aufweichung der Personenwürde. Bagnasco fordert eine Läuterung des modernen
Freiheitsverständnisses.
„Ich denke, die Ursache für viele dieser ethischen
Probleme liegt in einem Verständnis von Freiheit,das diese absolut setzt, als ob Selbstbestimmung
– ein sicher wichtiges und gültiges Prinzip– alles sei, ohne Limits und ohne Bezug
auf andere Werte. Es ist für uns alle wichtig, zu einem Freiheitsverständnis zu gelangen,
dass nicht individualistisch verengt ist, sondern das personal geprägt ist, das also
der Bedeutung der Beziehungen Rechnung trägt - und der Tatsache, dass es objektive
Werte gibt, die von uns nicht zur Disposition gestellt werden können.“
Der
Kardinal glaubt trotz des jüngsten Gerichtsurteils nicht, dass in Italien schon das
letzte Wort zum Thema Sterbehilfe gesprochen ist. Er fordert eine gesellschaftliche
Debatte zu dem Thema:
„Der Wunsch und die Hoffnung aller Menschen guten
Willens ist, dass der Dialog vertieft wird und er wahrhaftiger wird, und dass nicht
einfach nur Meinung gegen Meinung steht. All das natürlich in intellektueller Redlichkeit
und in dem Bewusstsein, dass die Werte absolut sind und nicht ein Ergebnis von Mehrheiten.
Diese Werte können erkannt werden, der Mensch muss sie sich zu eigen machen, muss
sie schützen und fördern; denn diese Werte schützen bedeutet, den Menschen respektieren
und so eine menschlichere Gesellschaft zu fördern.“
Nach dem Urteil des
Gerichts hatten zahlreiche Politiker und die katholische Kirche ein Überdenken des
Urteils gefordert sowie klare gesetzliche Regelungen für Sterbehilfe und Patientenverfügungen.
Unterdessen hat sich der Bruder der 2005 in Florida verstorbenen Wachkoma-Patientin
Terri Schiavo mit einem Appell an Englaros Vater gewandt. Terri Schiavo, die nach
dem Abbruch der künstlichen Ernährung innerhalb von 13 Tagen verdurstete, sei „einen
der schrecklichsten und unmenschlichsten Tode gestorben“, schrieb Bobby Schindler
laut „Avvenire“. Wenn Eluanas Vater die Angehörigen Schiavos besuchen würde und sähe,
mit welchen qualvollen Erinnerungen sie lebten, würde er seinen Wunsch nach einem
Ernährungsabbruch aufgeben, so Schindler.