Wocheninterview: „Dialog ist Chance, keine Bedrohung“
Das Katholisch-islamische
Forum hat sich vergangene Woche entschieden zu Religionsfreiheit und Minderheitenschutz
bekannt und religiös motivierter Gewalt jeder Art eine klare Absage erteilt. Die Delegationen
beider Seiten versicherten bei dem dreitägigen Treffen in Rom ihr Engagent für die
Achtung der Menschenwürde und der Person. Das Forum geht auf den Brief von 138 Muslimen
an christliche Führer zurück.
Federführend für die Initiative war auf islamischer
Seite der algerische Intellektuelle Mustapha Cherif. Im Gespräch mit Birgit Pottler
betont Cherif die rein politische Natur von Übergriffen auf Christen in Ländern mit
wie dem Irak:
„Wir haben heutzutage Gläubige, deren Verhalten im Widerspruch
zum Glauben und zu dessen grundlegenden Wurzeln stehen. Unsere Botschaft an unsere
christlichen Brüder ist: Vorfälle dieser Art sind vor allem politischer Natur. Man
muss unterscheiden. So wie christlicher Extremismus nicht aus dem Evangelium heraus
zu erklären ist, haben auch Gewalt und Islam nichts miteinander zu tun. … Wer die
Religionsfreiheit, wer die menschliche Person und ihre Würde nicht achtet, steht in
eklatantem Widerspruch zu Evangelium und Koran.“
Das Verhältnis von Christentum
und Islam ist auch von Missverständnissen und falschen Voraussetzungen geprägt. Sie,
Mustapha Cherif, sagen: „Wir leiden unter einer unguten Vermengung zweier ganz verschiedener
Dinge“… „Das erste und grundlegende Problem ist Unwissenheit und Unkenntnis,
auch des Korans. Zweitens: Wir müssen miteinander sprechen und gemeinsam solidarisch
sein mit den Menschen leiden und Ungerechtigkeiten unterworfen sind, egal wo. Drittens:
Wir haben das Recht zur Kritik, sowohl an den Ausuferungen festgefahrener Traditionen
als auch an den Ausschweifungen der Moderne.“
Damit ergeben sich aber ja
auch Gemeinsamkeiten beider Religionen: Beide wollen beitragen zu einer friedlichen
Welt und beide suchen nach ihrem Platz in der säkularen Gesellschaft. Die gemeinsame
Erklärung des Forums macht noch einmal deutlich. „Wir weisen Totalitarismen
und den Gottesstaat zurück, ebenso eine fundamentale Interpretation der Religion.
Doch genauso verwehren wir uns dagegen, dass die Religion keinen Platz mehr im Leben
hat. Wir brauchen einander also. Wir sind keine Konkurrenz. Wir suchen beide nach
Gläubigen in der Kirche oder in der Moschee. Wir suchen beide nach Möglichkeiten,
uns der Moderne zu öffnen und dennoch die Tradition zu wahren. Es braucht eine Öffnung,
und die geht weder mit in sich verschlossenen Gläubigen, noch mit modernen, so genannten
Atheisten. Christlich-muslimischer Dialog dient für mich eben dazu, den eigenen Glauben
zu vertiefen. Für die Religionen muss das eine Chance sein, keine Bedrohung.“
Das
Konzilsdokument Nostra Aetate spricht vom „Strahl jener Wahrheit“, der in anderen
Religionen zu erkennen ist. Das jetzige Forum betont, dass Christen und Moslems gemeinsam
gerufen sind, „Zeugnis von einer transzendenten Dimension des Lebens zu geben“ und
es betont die Achtung der Würde des Menschen. Gilt das für den Angehörigen jeder Religion? „Ich
muss verstehen, dass er Teil der Wahrheit ist, und dadurch wird er Mensch, von Gott
geschaffen, den ich respektieren muss. Ich muss jeder Aggression und jeder Behinderung
Andersgläubiger widerstehen. Damit es Gerechtigkeit und Frieden gibt, darf ich nichts
unversucht lassen. Ich habe Verantwortung. Die Mehrheit der Muslime weiß, und so war
es über die Jahrhunderte hinweg, dass es keine Alternative zum friedlichen Zusammenleben
gibt.“
Die Teilnehmer des Forums haben sich klar zur Religionsfreiheit
bekannt. Vom Recht auf Religionswechsel ist in der Abschlusserklärung nicht die Rede.
Eine Einigung wäre wohl auch schwierig gewesen. Was ist Ihre Position? „,Nur
Gott hat das Recht, zu richten’, sagt uns der Koran. Er erinnert uns daran, dass wer
den Islam verlässt, von Gott nicht mehr geliebt wird. Aber nur Gott selbst wird ihn
richten. Ich muss den, der den Islam verlassen will, zwar darauf hinweisen, aber ich
habe kein Recht, der Glaubensfreiheit entgegenzustehen.“