2008-11-09 11:55:38

Wocheninterview: „Dialog ist Chance, keine Bedrohung“


RealAudioMP3 Das Katholisch-islamische Forum hat sich vergangene Woche entschieden zu Religionsfreiheit und Minderheitenschutz bekannt und religiös motivierter Gewalt jeder Art eine klare Absage erteilt. Die Delegationen beider Seiten versicherten bei dem dreitägigen Treffen in Rom ihr Engagent für die Achtung der Menschenwürde und der Person. Das Forum geht auf den Brief von 138 Muslimen an christliche Führer zurück.

Federführend für die Initiative war auf islamischer Seite der algerische Intellektuelle Mustapha Cherif. Im Gespräch mit Birgit Pottler betont Cherif die rein politische Natur von Übergriffen auf Christen in Ländern mit wie dem Irak:

„Wir haben heutzutage Gläubige, deren Verhalten im Widerspruch zum Glauben und zu dessen grundlegenden Wurzeln stehen. Unsere Botschaft an unsere christlichen Brüder ist: Vorfälle dieser Art sind vor allem politischer Natur. Man muss unterscheiden. So wie christlicher Extremismus nicht aus dem Evangelium heraus zu erklären ist, haben auch Gewalt und Islam nichts miteinander zu tun. … Wer die Religionsfreiheit, wer die menschliche Person und ihre Würde nicht achtet, steht in eklatantem Widerspruch zu Evangelium und Koran.“

Das Verhältnis von Christentum und Islam ist auch von Missverständnissen und falschen Voraussetzungen geprägt. Sie, Mustapha Cherif, sagen: „Wir leiden unter einer unguten Vermengung zweier ganz verschiedener Dinge“…
„Das erste und grundlegende Problem ist Unwissenheit und Unkenntnis, auch des Korans. Zweitens: Wir müssen miteinander sprechen und gemeinsam solidarisch sein mit den Menschen leiden und Ungerechtigkeiten unterworfen sind, egal wo. Drittens: Wir haben das Recht zur Kritik, sowohl an den Ausuferungen festgefahrener Traditionen als auch an den Ausschweifungen der Moderne.“

Damit ergeben sich aber ja auch Gemeinsamkeiten beider Religionen: Beide wollen beitragen zu einer friedlichen Welt und beide suchen nach ihrem Platz in der säkularen Gesellschaft. Die gemeinsame Erklärung des Forums macht noch einmal deutlich.
„Wir weisen Totalitarismen und den Gottesstaat zurück, ebenso eine fundamentale Interpretation der Religion. Doch genauso verwehren wir uns dagegen, dass die Religion keinen Platz mehr im Leben hat. Wir brauchen einander also. Wir sind keine Konkurrenz. Wir suchen beide nach Gläubigen in der Kirche oder in der Moschee. Wir suchen beide nach Möglichkeiten, uns der Moderne zu öffnen und dennoch die Tradition zu wahren. Es braucht eine Öffnung, und die geht weder mit in sich verschlossenen Gläubigen, noch mit modernen, so genannten Atheisten. Christlich-muslimischer Dialog dient für mich eben dazu, den eigenen Glauben zu vertiefen. Für die Religionen muss das eine Chance sein, keine Bedrohung.“

Das Konzilsdokument Nostra Aetate spricht vom „Strahl jener Wahrheit“, der in anderen Religionen zu erkennen ist. Das jetzige Forum betont, dass Christen und Moslems gemeinsam gerufen sind, „Zeugnis von einer transzendenten Dimension des Lebens zu geben“ und es betont die Achtung der Würde des Menschen. Gilt das für den Angehörigen jeder Religion?
„Ich muss verstehen, dass er Teil der Wahrheit ist, und dadurch wird er Mensch, von Gott geschaffen, den ich respektieren muss. Ich muss jeder Aggression und jeder Behinderung Andersgläubiger widerstehen. Damit es Gerechtigkeit und Frieden gibt, darf ich nichts unversucht lassen. Ich habe Verantwortung. Die Mehrheit der Muslime weiß, und so war es über die Jahrhunderte hinweg, dass es keine Alternative zum friedlichen Zusammenleben gibt.“

Die Teilnehmer des Forums haben sich klar zur Religionsfreiheit bekannt. Vom Recht auf Religionswechsel ist in der Abschlusserklärung nicht die Rede. Eine Einigung wäre wohl auch schwierig gewesen. Was ist Ihre Position?
„,Nur Gott hat das Recht, zu richten’, sagt uns der Koran. Er erinnert uns daran, dass wer den Islam verlässt, von Gott nicht mehr geliebt wird. Aber nur Gott selbst wird ihn richten. Ich muss den, der den Islam verlassen will, zwar darauf hinweisen, aber ich habe kein Recht, der Glaubensfreiheit entgegenzustehen.“

(rv 09.11.2008 bp)







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