Synode: Abschlussbotschaft gegen biblischen Fundamentalismus
Erkenntnisse der Bibelwissenschaft
und spirituelle wie theologische Tradition müssen „unauflösbar verbunden sein“. Das
haben die Teilnehmer der Weltbischofssynode im Vatikan unterstrichen und gleichzeitig
jede Form des Fundamentalismus zurückgewiesen. Die Bibel erfordere eine historische
und literarische Analyse. Um den vollen Sinn der Texte zu verstehen, brauche es jedoch
die Überlieferung der Gesamtkirche und den Glauben, heißt es in der an diesem Freitag
veröffentlichten „Botschaft an das Volk Gottes“ zum Abschluss der 12. Ordentlichen
Vollversammlung der Bischofssynode.
„Wenn man bei dem bloßen ,Buchstaben’
stehen bleibt, dann bleibt die Bibel nur ein feierliches Dokument der Vergangenheit,
ein edles ethisches und kulturelles Zeugnis. Wenn man jedoch die Inkarnation ausschließt,
kann man in das Missverständnis des Fundamentalismus verfallen oder in einen vagen
Spiritualismus oder Psychologismus.“ In fünf Sprachen wurde die Synodenbotschaft
am Vormittag abschnittsweise verlesen. Eine „geistige Reise“, sollte es sein, „von
der Ewigkeit und Unendlichkeit Gottes in unsere Wohnstätten und auf die Straßen unserer
Städte“, so Erzbischof Gianfranco Ravasi. Der Präsident des Päpstlichen Kulturrats
war mit elf weiteren Synodenvätern für die Endredaktion verantwortlich. Der - um beim
Synodenlatein zu bleiben - neunseitige Nuntius ist in vier Abschnitte unterteilt und
beschreibt die Stimme des Wortes - folglich die Offenbarung, das Antlitz: Jesus Christus,
das Haus: die Kirche und die Wege des Wortes: die Mission. Das Haus der Kirche
ruhe auf vier Säulen, hält die Botschaft entsprechend der Apostelgeschichte fest.
Katechese und Unterricht, Brotbrechen, also die Eucharistie, Gebet, Gemeinschaft.
Die Predigt hat ihren festen Platz in der Eucharistie; die Botschaft fast in diesem
Abschnitt nahezu die ganze erste Woche der Synodendebatten zusammen. Ein Ziel der
Synode war es, zum ökumenischen Dialog zu ermutigen. Die Botschaft erreicht das. Gianfranco
Ravasi gegenüber Radio Vatikan: „Zu dieser Kirche gehören – wenngleich nicht
in voller Art und Weise – unsere orthodoxen und protestantischen Brüder, die dem Wort
eine große Verehrung beimessen, hohen Respekt, und es wie wir ins Zentrum ihres Glaubens
stellen. Deshalb können wir sagen, dass hier rund um das Wort Gottes bereits eine
erste Einheit realisiert ist – im Warten auf die volle Einheit.“ Den jüdisch-christlichen
Dialog im speziellen und den interreligiösen und interkulturellen im weiteren Sinn
sollte die Synode fördern. Die Synodalen haben ihre Hausaufgaben gemacht und verbuchen
die „intensive Begegnung mit dem jüdischen Volk“ - im entsprechenden Kapitel Mission
- auf den Wegen des Wortes. Ravasi: „In diesem Sinn erinnern wir daran, dass
sie immer das berufene Volk bleiben, die sozusagen ideell mit uns verbunden sind.
Sie müssen auch für uns Zeugen sein. Durch die Lesungen des Alten Testaments sind
wir vereint.“ Die Botschaft fordert alle Christen zum Dialog „mit den Männern
und Frauen anderer Religionen“ auf, „die treu die Richtlinien ihrer Heiligen Bücher
hören und befolgen“. „Auch die islamische Welt hat in ihrer Tradition eine Verbindung
zur Bibel. Man kann fast sagen, dass alle biblischen Figuren und Themen, gleichwohl
überarbeitet und manchmal auch entstellt, auch in der muslimischen Tradition auftauchen.
Es ist also wichtig, dass wir uns und die Schriften gegenseitig kennen, damit man
die gemeinsamen Wurzeln erkennen kann.“ Der Dialog mit der Welt von heute zwang
die Synodalen, Kommunikation und ihre Mittel zu beleuchten. Eine neue Sprache für
das Wort Gottes wollen sie finden. „Die Sprache ist heute vielleicht eines der
brennendsten Probleme, die es anzugehen gilt. Das Wort breitet sich nicht nur durch
die Missionare aus, nicht nur, indem wir auf die Straßen unserer Stadt gehen, sondern
auch – oft auch vor allem – über virtuelle Wege.“ Fernsehen und Internet, CDs
und kulturelle wie gesellschaftliche Ereignisse sollen genutzt werden. Die Schlussbotschaft
der Synode erinnert an die Sprache Jesu - die gelte es neu mit Leben zu füllen: Symbole,
tägliche Erfahrungen und Gleichnisse. Kulturfachmann Ravasi erinnerte an den Wortschatz
der heutigen Zeit; er werde immer kleiner und rudimentärer. Jugendliche hätten oft
buchstäblich ein Kommunikationsproblem. Kirche und ihre Mitarbeiter müssten darauf
reagieren. „Die kirchlichen Gemeinschaften müssen eine Sprache, einen Wortschatz
ausarbeiten und entwickeln, der Jugendliche und Kinder anspricht.“ Die Synodalen
würdigen in ihrer Botschaft die Laien. Sie danken den Katecheten, die vor allem in
Ländern mit wenig Priestern und auf großen Gebieten, die wahren Verkünder seien, „die
große Energie, die dafür sorgt, dass das Wort noch auf den Straßen der Welt unterwegs
ist“. Der Text zeigt die Handschrift des Literaten, ist die eingangs versprochene
geistige Reise, ist mehr erbauliche zumindest spirituelle Lektüre als denn konkrete
Handlungsanweisung. Die Botschaft „ist nicht frei von Pathos“, gesteht Ravasi, erst
seit einem Jahr Bischof, aber erfahrener Exeget. Den Mitsynodalen und allen, die aus
dieser Synode ihre Lehren ziehen, legte er ein Wort des dänischen Philosophen Sören
Kierkegaard ans Herz: „Wir müssen die Bibel als Brief sehen, den der Verliebte
von seiner Geliebten erhält. Es braucht nicht nur theologische Finesse und exegetische
Strenge, sondern auch Passion, Gefühl, guten Willen und Zustimmung, die im Herzen
aufblühen.“