Wenige Priester für
sehr viele und sehr große Gemeinden – so sieht häufig die Realität der jungen Kirche
in Afrika aus. Dass die sonntägliche Eucharistiefeier nur einmal im Monat stattfindet,
ist dort keine Seltenheit. Nach 51 Jahren pastoraler Tätigkeit auf dem schwarzen Kontinent
kennt der emeritierte Afrika-Missionsbischof Fritz Lobinger die Problematik ganz genau:
„Die
jungen Pfarrer und ihre Katholiken sind mit der Situation der seltenen Eucharistiefeier
aufgewachsen: „Das war schon immer so! Das war noch nie anders! Das wird auch immer
so bleiben, denn es kann ja gar nicht anders werden!“ Das ist eine Zuspitzung der
Ämterfrage in den jungen Kirchen. Dort ist diese Krankheit bereits chronisch geworden.
Man nimmt sie nicht mehr als eine Krankheit wahr .“
Doch aus dieser Not
haben viele südafrikanischen Gemeinden eine Tugend gemacht. So fällt dort der Priestermangel
auch deshalb nicht mehr so sehr ins Gewicht, weil die Christen in den Gemeinden selbst
aktiv geworden sind. Wo kein Priester zur Verfügung stehen kann, gestalten die Laien
das Gemeindeleben. Sie übernehmen katechetische Aufgaben, halten Wortgottesdienste
oder leiten sogar Begräbnisse. Das hat Lobinger, der seit 1986 für 21 Jahre die kleine
Diözese Aliwa in Südafrika leitete, selbst miterlebt. Er sieht in dieser Selbstversorgung
der Gemeinden ein innovatives Konzept auch für Europa, wo sich immer weniger für den
Priesterberuf entscheiden:
„In den Jahrzehnten meiner Arbeit in den jungen
Kirchen hat mich eigentlich nicht die Frage des Priestermangels beschäftigt, sondern
die Frage nach der Partizipation der Gemeinden. Wie können in den Gemeinden möglichst
viele aktiv teilnehmen? Und was heißt das konkret? Wieviel kann eine Gemeinde aus
sich selbst leisten? Und wie viel hängt sie davon ab, dass jemand von außen kommt
und für sie sorgt? Die Frage nach der Form des kirchlichen Amtes wird also von der
Seite der Partizipation her gesehen.“
In den jungen, aktiven Gemeinden
Afrikas habe sich, so Lobinger, in der Praxis bereits das etabliert, was von der Kirche
als Ganzer jetzt noch institutionell zu schaffen wäre – nämlich neue Formen des Priesteramtes.
Konkret schlägt Lobinger vor, so genannte „Gemeindeälteste“ zu ordinieren, die bestimmte
priesterliche Aufgaben übernehmen. Sie sollten den traditionellen Priester nicht ersetzen
oder nachahmen, sondern ergänzen, meint Bischof Lobinger und weißt Skepsis zurück:
„Eine Verunsicherung scheint unvermeidlich, wenn man für die gleiche Rolle
von einigen sehr hohe Voraussetzungen verlangt und von anderen viel niedrigere. Also
kann die Lösung dieses Problems nur darin bestehen, dass nicht die gleiche Rolle ausgeübt
wird, dass man also eine neue, verschiedene Art priesterlicher Rolle schafft. Das
eine Sakrament der Priesterweihe muss zu zwei verschiedenen priesterlichen Rollenformen
führen.“
Auch für den traditionellen Priester brächte dieses Modell neue
Aufgaben mit sich. Er wäre nach Lobinger nicht mehr „Versorgerpfarrer", sondern der
geistliche Motor für ein Netzwerk von Gemeinden. Daneben müsse er sich um die Ausbildung
der Laien kümmern und die „charismatischsten“ unter ihnen für das Amt der Gemeindeältesten
„befähigen“. Damit könne man nicht nur dem Priestermangel entgegenwirken, ohne dafür
das Zölibat abzuschaffen. Auch der Sonntagsgottesdienst werde dadurch wieder zur „ureigensten
Sache der Gemeinde“, meint Bischof Lobinger. In dieser Hinsicht könne das alte Europa
von der jungen Kirche noch einiges lernen:
„Es ist völlig klar, dass nicht
jede Diözese und nicht jede Gemeinde die Vorbedingungen dafür erfüllt. Vor der Bildung
eines Kreises von ordinierten Gemeindeältesten müssen vorhandensein: sich selbst tragende
Gemeinden, Ausbilderpriester, kontinuierliche Weiterbildung und Stützung durch die
Diözesanleitung.“