Sie sind ein verlegerisches
Großunterfangen: die „Gesammelten Werke Joseph Ratzingers“, deren erster Band jetzt
auf Deutsch im Herder-Verlag erschienen ist. Die Reihe wird „in enger Absprache mit
Papst Benedikt XVI.“ herausgegeben, sagt der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller,
der die auf 16 Bände angelegte Werkausgabe auf Wunsch Benedikts betreut. Der erste
nun erschienene Band ist in Wahrheit der 11. Band der Serie, doch das Thema war dem
Papst so wichtig, dass er es an erster Stelle haben wollte: Es geht um die Liturgie.
Bei der Vorstellung des Projekts, das von einem Institut des Regensburger
Bistums ausgeht, meinte Müller im Vatikanischen Pressesaal: „ Jeder Einzelband ist
in seiner thematischen Konzeption, aber auch bei der Frage der Textauswahl durch den
Heiligen Vater selbst autorisiert. Es wird Vollständigkeit angestrebt.“ Der Papst
habe sich gewünscht, dass die Texte unter seinem bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger
publiziert würden, so Müller. „Es war der ausdrückliche Wunsch
des Heiligen Vaters, mit der Liturgie zu beginnen. Wir sehen es ja auch immer wieder,
welche Bedeutung Benedikt XVI. der Liturgie gibt, dem rechten Verständnis, aber auch
der richtigen Feier der Liturgie als Verehrung Gottes, um so auch die theozentrische,
auf Gott ausgerichtete Dimension der ganzen menschlichen Existenz sichtbar zu machen.“
Zentraler Bestandteil des soeben herausgekommenen Bandes ist Ratzingers
Buch „Der Geist der Liturgie“. Hinzu kommen eine Reihe weiterer Artikel, die er da
und dort zur Liturgie und zum Verständnis der Sakramente verfasst hat – Bischof Müller
erwähnte hier etwa die vier großen Predigten zur Eucharistie im Münchner Liebfrauendom.
„Ebenfalls ein bedeutsames Kapitel ist der Kirchenmusik gewidmet. Da gibt
es ja auch den Bezug zu seinem Bruder (dem langjährigen Leiter der Regensburger Domspatzen,
Anm.). Wir haben ja die Gregorianik in Regensburger Tradition, auch die Cäcilienbewegung
des 19. Jahrhunderts ging von Regensburg aus, womit einer Erneuerung der Liturgie
verbunden war. Jetzt ist insgesamt eine gute Perspektive entstanden auf alle wesentlichen
Probleme der Liturgie, die in diesem Band gesammelt sind. Ich erhoffe mir auch selber
für uns in Deutschland aber auch in den anderen Ländern eine Erneuerung der Kirche
aus dem Geist der Liturgie.“
Die Gesammelten Werke werden erstmals auch
einige nicht editierte Ratzinger-Schriften enthalten, etwa Vorträge, die bisher nicht
publiziert wurden. Unter den ungedruckten Texten finden sich, verriet Müller, beispielsweise
einige Mitschriften von Studenten aus Ratzinger-Vorlesungen über das Heilswirken Jesu
Christi, die in den entsprechenden Band über die Christologie eingehen werden.
Jedes
Jahr wird das Regensburger Institut zwei Bände herausbringen. Der nächste ist also
bereits in Bearbeitung, informierte Müller. Dabei geht es um Ratzingers Habilitationsschrift
zu Bonaventura.
„Das Besondere daran ist, dass damals nur ein Teil eingereicht
werden konnte in München und demnach auch als Buch erschienen ist. Frau Professor
Schlosser, die jetzt in Wien ist und zuvor in München gearbeitet hat, eine international
anerkannte Spezialistin für Bonaventura, wird nun das gesamte Werk herausgeben, das
wird sicher eine Novität sein, weil kaum jemand, auch ich selbst noch nicht, diesen
ersten Teil kennt.“
Auf Italienisch wird der erste publizierte Band – der
über die Liturgie – im März erscheinen. Übersetzungen ins Spanische, Französische,
US-Amerikanische und Portugiesische sind in Arbeit, sagte der Direktor der Vatikanischen
Verlagsbuchhandlung, Giuseppe Costa. Für die Übersetzungen wurde eine eigene theologische
Kommission gegründet, die Erzbischof Angelo Amato leitet, der frühere Sekretär der
vatikanischen Glaubenskongregation.
(rv 22.10.2008 gs)
Hier
dokumentieren wir Ihnen die Ansprache von Bischof Müller im vollen Wortlaut.
„Papst
Benedikt XVI. ist einer der großen Theologen auf dem Stuhl Petri. In der langen Reihe seiner
Vorgänger drängt sich der Vergleich mit der herausragenden Gelehrtengestalt des 18. Jahrhunderts,
Papst Benedikt XIV. (1740-1758) auf. Ebenso wird man an Papst Leo den Großen (440-461)
denken, der für das christologische Bekenntnis des Konzils von Chalkedon (451) die entscheidende
Einsicht formulierte. Papst Benedikt XVI. hat in den langen Jahren seines akademischen
Wirkens als Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik ein eigenständiges
theologisches Werk erarbeitet, das ihn in die Reihe der bedeutenden Theologen des
20. und 21. Jahrhunderts hineinstellt. Seit mehr als 50 Jahren steht der Name Joseph
Ratzinger für einen originalen Gesamtentwurf der systematischen Theologie. Seine
Schriften verbinden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Theologie mit der lebendigen
Gestalt des Glaubens. Als eine Wissenschaft, die ihren genuinen Platz innerhalb der Kirche
hat, kann uns die Theologie die besondere Bestimmung des Menschen als Geschöpf und Bild
Gottes aufzeigen. Papst Benedikt XVI. hat in seinem wissenschaftlichen Arbeiten
stets auf eine bewundernswerte Kenntnis der Theologie- und Dogmengeschichte zurückgreifen
können, die er so vermittelt hat, dass Gottes Vision vom Menschen, von der alles
getragen wird, zum Leuchten kommt. Zugänglich wird dies für viele durch den Umgang
Joseph Ratzingers mit Wort und Sprache. Komplexe Sachverhalte werden nicht durch
eine komplizierte Reflexion der allgemeinen Verständlichkeit entzogen, sondern
auf ihre innere Einfachheit transparent gemacht. Es geht immer darum, dass Gott
zu jedem Menschen sprechen will und sein Wort zum Licht wird, das jeden Menschen
erleuchtet (Joh 1, 9). Die akademische Laufbahn hat den Theologieprofessor Joseph
Ratzinger an die Hochschulen und Universitäten Freising, Bonn, Münster i.W., Tübingen
und zuletzt nach Regensburg geführt, wo er von 1969 bis zu seiner Berufung als
Erzbischof von München und Freising 1977 gewirkt hat. Mit Stadt und Diözese Regensburg
fühlte sich Joseph Kardinal Ratzinger auch verbunden während der langen Zeit als
Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre (1982- 2005). Regelmäßig besuchte
er seinen Bruder Georg Ratzinger, den langjährigen Domkapellmeister der berühmten
Regensburger Domspatzen (1964-1994). Unvergessen sind auch seine Predigten im Regensburger
Dom, die er an den verschiedensten Festtagen gehalten hat. Das Grab der Eltern
Josef und Maria Ratzinger und der Schwester Maria befindet sich auf dem Friedhof in
Regensburg-Ziegetsdorf. Über seinen Wohnort Pentling vor den Toren der Bischofsstadt Regensburg
sagte er einmal: Nach all den unruhigen Jahren an verschiedenen Wirkungsstätten „waren
wir wieder daheim“. Während des Pastoralbesuches 2006 in seiner bayerischen Heimat
hat er mit seiner Regensburger Vorlesung, einer Sternstunde nicht nur der deutschen
Universitätsgeschichte, noch einmal den inneren Zusammenhang von Glaube und Vernunft
hervorgehoben. Weder die Vernunft noch der Glaube können unabhängig voneinander
gedacht werden und zu ihrer eigentlichen Bestimmung gelangen. Vernunft und Glaube
werden durch die wechselseitige Korrektur und Reinigung vor gefährlichen Pathologien
bewahrt. Papst Benedikt XVI. knüpft dabei an die große Tradition der theologischen
Wissenschaften an, die sich im Gesamtgefüge der Universität als das alles verbindende
Element erweisen kann. So wurde Regensburg gleichsam zum genius loci, der das theologische
Gesamtwerk Joseph Ratzingers sammeln und sichern will. Der Regensburger Bischofstuhl
steht mit seinen großen gelehrten Bischöfen, dem Hl. Albertus Magnus (1260-1262)
und Johann Michael Sailer (1821- 1832) für die Einheit von bischöflichem und akademischem
Lehramt, die die Rationalität des Glaubens und die pastorale Fruchtbarkeit der
Wissenschaft bestätigen. Diese Tradition wurde durch Erzbischof Michael Buchberger
(1927-1961) fortgeführt, unter dessen Leitung das Lexikon für Theologie und Kirche
entstanden ist, das nunmehr als internationales Standardwerk in dritter Auflage
vorliegt. So bot sich diese Bischofsstadt als Sitz des Institutes-Papst-Benedikt
XVI. an. Der Heilige Vater hat mich als Bischof von Regensburg (seit 2002) persönlich
mit der Herausgabe seiner Gesammelten Schriften in 16 Bänden beauftragt. Schon
während meiner Studienzeit hatte ich mich in die theologischen Arbeiten Joseph
Ratzingers vertieft und war besonders beeindruckt und nachhaltig geprägt durch
seine geniale Einführung in das Christentum, die in den Stürmen der Studentenrevolution
und der allgemeinen Desorientierung der Theologie einen sicheren Schlüssel zum
tiefen Geheimnis der christlichen Offenbarung bot. Dies wird dem kundigen Leser
leicht ersichtlich, wenn er einen Blick wirft in meine Katholische Dogmatik. Für
Studium und Praxis, die seit 1995 in mehreren Auflagen im Verlag Herder erschienen
ist. In enger Absprache mit Papst Benedikt XVI. wurde der Gesamteditionsplan erarbeitet.
Jeder Einzelband ist in seiner thematischen Konzeption, aber auch bei der Frage
der Textauswahl durch den Heiligen Vater selbst autorisiert. Es wird Vollständigkeit
angestrebt. Bei einzelnen kleineren Texten wird nur der Fundort angegeben. So ist
es berechtigt von einem lebendigen Zeugnis der Theologie Joseph Ratzingers/Papst
Benedikts XVI. zu sprechen, denn im Mittelpunkt steht nicht die bloße Sammlung
und Archivierung der Texte, sondern die systematische Erschließung eines Themenbereiches
der Theologie mittels einer neu konzipierten Anordnung, die Zusammenhänge freilegt
und eine Gesamtschau ermöglicht. Auf den persönlichen Wunsch des Heiligen Vaters
werden die Gesammelten Schriften unter dem Namen des Autors Joseph Ratzinger publiziert. Um
dieses Projekt zu verwirklichen, habe ich in Regensburg das Institut-Papst-Benedikt XVI.
gegründet. Es wird der Ort sein, an dem Leben, Denken und Wirken des Theologen, Bischofs
und Papstes Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. umfassend dokumentiert wird. Durch die Bereitstellung
seines gesamten gedruckten und ungedruckten Werkes, durch die Erhebung des biographischen
und theologischen Kontextes und durch den Aufbau einer Spezialbibliothek sind die
idealen Bedingungen für eine umfassende Erforschung des theologischen Gesamtwerkes gegeben. Aufrichtig
danken möchte ich dem Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI. Der große Vertrauensbeweis,
den er mir gegenüber in der Beauftragung zur Herausgabe seiner Werke zum Ausdruck
bringt, ist für mich Freude und Verpflichtung zugleich.
Angaben über die
Gesamtedition Die vorliegende Ausgabe der Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers
versteht sich als „Ausgabe letzter Hand“ des Theologen Joseph Ratzinger in deutscher
Sprache. Angezielt ist die möglichst vollständige Präsentation des gedruckten Werkes,
ergänzt um bislang ungedruckte oder noch nicht auf deutsch publizierte Texte in
einer systematischen Ordnung, die chronologische und sachliche Gesichtspunkte miteinander
verbindet. Sofern Monographien vorliegen, werden sie in sich unverändert in die
Gesammelten Schriften aufgenommen, ergänzt allerdings jeweils um weitere thematisch
verwandte Texte. Wie vom Autor auch früher selbst vielfach praktiziert, werden
den ausdrücklich wissenschaftlichen Texten auch solche beigefügt, die anderen literarischen
Gattungen angehören, wie beispielsweise Lexikonartikel, Buchbesprechungen und schließlich
auch Predigten und Meditationen. Die Aufsatzbände Joseph Ratzingers, die zu bestimmten
Etappen des Wirkens des Theologen, Bischofs und Präfekten der Kongregation für
die Glaubenslehre thematisch zusammengehörige Beiträge vereinen, werden aufgelöst
und die einzelnen Schriften in die neue Systematik eingefügt. Die Gesammelten
Schriften werden eröffnet – hinsichtlich der Bandzählung, nicht unbedingt was den
tatsächlichen Zeitpunkt des Erscheinens betrifft – mit den beiden wissenschaftlichen Qualifikationsschriften
Joseph Ratzingers: seiner Dissertation über das Kirchenverständnis Augustins, und
seiner Habilitationsschrift über das Offenbarungsverständnis Bonaventuras. Angefügt
werden jeweils weitere Studien und Texte zu Augustinus bzw. Bonaventura. Band III
nimmt die Antrittsvorlesung von Professor Ratzinger Der Gott des Glaubens und der
Gott der Philosophen 1959 in Bonn zum Ausgangspunkt und ordnet ihr alle weiteren Texte im
Themenbereich fides et ratio zu. Hierher gehören beispielsweise auch alle Reflexionen
über die geistesgeschichtlichen Grundlagen Europas. Band IV geht aus von der
Einführung in das Christentum (1968) und schließt weitere Texte im Themenbereich
von Bekenntnis des Glaubens, Taufe, Umkehr, Nachfolge und Christlicher Existenzvollzug
an. Die Bände V bis XII orientieren sich im weitesten Sinne am Themenkanon der
systematischen Theologie. Band V vereint die Texte, die den Traktaten Schöpfungslehre,
Anthropologie und Gnadenlehre zuzurechnen sind, wobei die Mariologie als heilsgeschichtlich
konkretisierte Gnadenlehre präsentiert wird. Band VI stellt, ausgehend von Jesus
von Nazareth (2007), die Studien zur Christologie zusammen. Band VII und Band
VIII decken mit der Ekklesiologie einen weiteren Arbeitsschwerpunkt Joseph Ratzingers
ab, wobei Band VII zunächst alle Texte zusammenstellt: die im Zuge der Vorbereitung
des Zweiten Vatikanischen Konzils entstandenen, dann aber auch die aus unmittelbarem
Erleben geschriebenen Berichte sowie die im Anschluss verfassten Kommentare und
nicht zuletzt eine Reihe von Wortmeldungen hinsichtlich der Rezeption der Konzilstexte. Band
VIII bringt die ekklesiologischen Arbeiten im engeren Sinne und integriert vor allem
auch Joseph Ratzingers Schriften zur Ökumene. Am Schnittpunkt von Fundamentaltheologie
und Dogmatik steht Band IX, der Joseph Ratzingers über den gesamten Zeitraum seines
Wirkens entstandene Arbeiten zur Theologischen Erkenntnislehre und Hermeneutik
versammelt, insbesondere auch seine Studien zum Schriftverständnis und zur spezifischen
Zuordnung von Offenbarung, Tradition, Schrift und Lehramt. Band X nimmt die
Eschatologie (1977), das einzige von Joseph Ratzinger veröffentlichte dogmatisch-theologische
Lehrbuch zum Ausgangspunkt und ordnet ihm alle weiteren Studien und Texte im Themenbereich
Hoffnung, Tod, Auferstehung, Ewiges Leben zu. Mit den Bänden XI und XII unterstreicht
der Autor ausdrücklich weitere Hauptanliegen seines Denkens. Mit der Theologie
der Liturgie in Band XI, womit der Heilige Vater die Veröffentlichung seiner Gesammelten
theologischen Schriften eröffnen will, stellt er das Gesamtwerk unter das Vorzeichen
einer konsequenten Theozentrik. Band XII versammelt eigens die ansonsten auch in
die Ekklesiologie oder Sakramentenlehre zu integrierenden Texte zum Geistlichen
Dienstamt und präsentiert sie als Band XII unter dem Titel Künder des Wortes und Diener
eurer Freude. Band XIII versammelt Joseph Ratzingers zahlreiche Interviews, sowohl
frühe und kürzere wie auch die drei in Buchform erschienenen, wobei das Gespräch
mit Vittorio Messori 1984/85 den Anfang machte und die beiden Bücher von und mit
Peter Seewald (1996 und 2000) folgten. Band XIV präsentiert eine möglichst große
Auswahl aus dem umfangreichen homiletischen Werk Joseph Ratzingers, wobei auch
weniger bekannte und bislang unveröffentlichte Ansprachen und Meditationen Berücksichtigung
finden. Band XV vereint, ausgehend von Joseph Ratzingers 1997/98 erschienenen Autobiographie Aus
meinem Leben weitere biographische Texte und Beiträge persönlichen Charakters, beispielsweise
die zahlreichen Wortmeldungen im Bezug auf seinen Vorgänger Papst Johannes Paul
II., seinen Bruder Georg Ratzinger und viele weitere Ansprachen zu Jubiläen, Würdigungen etc. Band
XVI wird eine vollständige Bibliographie der Werke Joseph Ratzingers in deutscher Sprache
bieten sowie ein ausführliches systematisches Register zu allen Bänden, welches das Gesamtwerk
in seiner inneren Vernetzung erfassen lässt. Die einzelnen Bände werden jeweils durch
ausführliche Inhaltsverzeichnisse sowie Personen- und Schriftstellenregister erschlossen.“