2008-10-22 13:35:26

Vatikan: Ratzingers Gesammelte Werke vorgestellt


RealAudioMP3 Sie sind ein verlegerisches Großunterfangen: die „Gesammelten Werke Joseph Ratzingers“, deren erster Band jetzt auf Deutsch im Herder-Verlag erschienen ist. Die Reihe wird „in enger Absprache mit Papst Benedikt XVI.“ herausgegeben, sagt der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der die auf 16 Bände angelegte Werkausgabe auf Wunsch Benedikts betreut. Der erste nun erschienene Band ist in Wahrheit der 11. Band der Serie, doch das Thema war dem Papst so wichtig, dass er es an erster Stelle haben wollte: Es geht um die Liturgie.

Bei der Vorstellung des Projekts, das von einem Institut des Regensburger Bistums ausgeht, meinte Müller im Vatikanischen Pressesaal: „ Jeder Einzelband ist in seiner thematischen Konzeption, aber auch bei der Frage der Textauswahl durch den Heiligen Vater selbst autorisiert. Es wird Vollständigkeit angestrebt.“ Der Papst habe sich gewünscht, dass die Texte unter seinem bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger publiziert würden, so Müller.
 
„Es war der ausdrückliche Wunsch des Heiligen Vaters, mit der Liturgie zu beginnen. Wir sehen es ja auch immer wieder, welche Bedeutung Benedikt XVI. der Liturgie gibt, dem rechten Verständnis, aber auch der richtigen Feier der Liturgie als Verehrung Gottes, um so auch die theozentrische, auf Gott ausgerichtete Dimension der ganzen menschlichen Existenz sichtbar zu machen.“

Zentraler Bestandteil des soeben herausgekommenen Bandes ist Ratzingers Buch „Der Geist der Liturgie“. Hinzu kommen eine Reihe weiterer Artikel, die er da und dort zur Liturgie und zum Verständnis der Sakramente verfasst hat – Bischof Müller erwähnte hier etwa die vier großen Predigten zur Eucharistie im Münchner Liebfrauendom.

„Ebenfalls ein bedeutsames Kapitel ist der Kirchenmusik gewidmet. Da gibt es ja auch den Bezug zu seinem Bruder (dem langjährigen Leiter der Regensburger Domspatzen, Anm.). Wir haben ja die Gregorianik in Regensburger Tradition, auch die Cäcilienbewegung des 19. Jahrhunderts ging von Regensburg aus, womit einer Erneuerung der Liturgie verbunden war. Jetzt ist insgesamt eine gute Perspektive entstanden auf alle wesentlichen Probleme der Liturgie, die in diesem Band gesammelt sind. Ich erhoffe mir auch selber für uns in Deutschland aber auch in den anderen Ländern eine Erneuerung der Kirche aus dem Geist der Liturgie.“

Die Gesammelten Werke werden erstmals auch einige nicht editierte Ratzinger-Schriften enthalten, etwa Vorträge, die bisher nicht publiziert wurden. Unter den ungedruckten Texten finden sich, verriet Müller, beispielsweise einige Mitschriften von Studenten aus Ratzinger-Vorlesungen über das Heilswirken Jesu Christi, die in den entsprechenden Band über die Christologie eingehen werden.

Jedes Jahr wird das Regensburger Institut zwei Bände herausbringen. Der nächste ist also bereits in Bearbeitung, informierte Müller. Dabei geht es um Ratzingers Habilitationsschrift zu Bonaventura.

„Das Besondere daran ist, dass damals nur ein Teil eingereicht werden konnte in München und demnach auch als Buch erschienen ist. Frau Professor Schlosser, die jetzt in Wien ist und zuvor in München gearbeitet hat, eine international anerkannte Spezialistin für Bonaventura, wird nun das gesamte Werk herausgeben, das wird sicher eine Novität sein, weil kaum jemand, auch ich selbst noch nicht, diesen ersten Teil kennt.“

Auf Italienisch wird der erste publizierte Band – der über die Liturgie – im März erscheinen. Übersetzungen ins Spanische, Französische, US-Amerikanische und Portugiesische sind in Arbeit, sagte der Direktor der Vatikanischen Verlagsbuchhandlung, Giuseppe Costa. Für die Übersetzungen wurde eine eigene theologische Kommission gegründet, die Erzbischof Angelo Amato leitet, der frühere Sekretär der vatikanischen Glaubenskongregation.

(rv 22.10.2008 gs)


Hier dokumentieren wir Ihnen die Ansprache von Bischof Müller im vollen Wortlaut.

„Papst Benedikt XVI. ist einer der großen Theologen auf dem Stuhl Petri. In der langen Reihe
seiner Vorgänger drängt sich der Vergleich mit der herausragenden Gelehrtengestalt des 18.
Jahrhunderts, Papst Benedikt XIV. (1740-1758) auf. Ebenso wird man an Papst Leo den Großen
(440-461) denken, der für das christologische Bekenntnis des Konzils von Chalkedon (451) die
entscheidende Einsicht formulierte.
Papst Benedikt XVI. hat in den langen Jahren seines akademischen Wirkens als Professor
für Fundamentaltheologie und Dogmatik ein eigenständiges theologisches Werk erarbeitet, das
ihn in die Reihe der bedeutenden Theologen des 20. und 21. Jahrhunderts hineinstellt. Seit mehr
als 50 Jahren steht der Name Joseph Ratzinger für einen originalen Gesamtentwurf der
systematischen Theologie.
Seine Schriften verbinden die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Theologie mit der
lebendigen Gestalt des Glaubens. Als eine Wissenschaft, die ihren genuinen Platz innerhalb der
Kirche hat, kann uns die Theologie die besondere Bestimmung des Menschen als Geschöpf und
Bild Gottes aufzeigen.
Papst Benedikt XVI. hat in seinem wissenschaftlichen Arbeiten stets auf eine bewundernswerte
Kenntnis der Theologie- und Dogmengeschichte zurückgreifen können, die er so vermittelt
hat, dass Gottes Vision vom Menschen, von der alles getragen wird, zum Leuchten kommt.
Zugänglich wird dies für viele durch den Umgang Joseph Ratzingers mit Wort und Sprache.
Komplexe Sachverhalte werden nicht durch eine komplizierte Reflexion der allgemeinen
Verständlichkeit entzogen, sondern auf ihre innere Einfachheit transparent gemacht. Es geht
immer darum, dass Gott zu jedem Menschen sprechen will und sein Wort zum Licht wird, das
jeden Menschen erleuchtet (Joh 1, 9).
Die akademische Laufbahn hat den Theologieprofessor Joseph Ratzinger an die Hochschulen
und Universitäten Freising, Bonn, Münster i.W., Tübingen und zuletzt nach Regensburg
geführt, wo er von 1969 bis zu seiner Berufung als Erzbischof von München und Freising 1977
gewirkt hat. Mit Stadt und Diözese Regensburg fühlte sich Joseph Kardinal Ratzinger auch
verbunden während der langen Zeit als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre (1982-
2005). Regelmäßig besuchte er seinen Bruder Georg Ratzinger, den langjährigen Domkapellmeister
der berühmten Regensburger Domspatzen (1964-1994). Unvergessen sind auch seine
Predigten im Regensburger Dom, die er an den verschiedensten Festtagen gehalten hat. Das Grab
der Eltern Josef und Maria Ratzinger und der Schwester Maria befindet sich auf dem Friedhof
in Regensburg-Ziegetsdorf. Über seinen Wohnort Pentling vor den Toren der Bischofsstadt
Regensburg sagte er einmal: Nach all den unruhigen Jahren an verschiedenen Wirkungsstätten
„waren wir wieder daheim“.
Während des Pastoralbesuches 2006 in seiner bayerischen Heimat hat er mit seiner
Regensburger Vorlesung, einer Sternstunde nicht nur der deutschen Universitätsgeschichte, noch
einmal den inneren Zusammenhang von Glaube und Vernunft hervorgehoben. Weder die
Vernunft noch der Glaube können unabhängig voneinander gedacht werden und zu ihrer
eigentlichen Bestimmung gelangen. Vernunft und Glaube werden durch die wechselseitige
Korrektur und Reinigung vor gefährlichen Pathologien bewahrt. Papst Benedikt XVI. knüpft
dabei an die große Tradition der theologischen Wissenschaften an, die sich im Gesamtgefüge der
Universität als das alles verbindende Element erweisen kann.
So wurde Regensburg gleichsam zum genius loci, der das theologische Gesamtwerk Joseph
Ratzingers sammeln und sichern will. Der Regensburger Bischofstuhl steht mit seinen großen
gelehrten Bischöfen, dem Hl. Albertus Magnus (1260-1262) und Johann Michael Sailer (1821-
1832) für die Einheit von bischöflichem und akademischem Lehramt, die die Rationalität des
Glaubens und die pastorale Fruchtbarkeit der Wissenschaft bestätigen. Diese Tradition wurde
durch Erzbischof Michael Buchberger (1927-1961) fortgeführt, unter dessen Leitung das Lexikon
für Theologie und Kirche entstanden ist, das nunmehr als internationales Standardwerk in dritter
Auflage vorliegt.
So bot sich diese Bischofsstadt als Sitz des Institutes-Papst-Benedikt XVI. an.
Der Heilige Vater hat mich als Bischof von Regensburg (seit 2002) persönlich mit der
Herausgabe seiner Gesammelten Schriften in 16 Bänden beauftragt. Schon während meiner
Studienzeit hatte ich mich in die theologischen Arbeiten Joseph Ratzingers vertieft und war
besonders beeindruckt und nachhaltig geprägt durch seine geniale Einführung in das
Christentum, die in den Stürmen der Studentenrevolution und der allgemeinen Desorientierung
der Theologie einen sicheren Schlüssel zum tiefen Geheimnis der christlichen Offenbarung bot.
Dies wird dem kundigen Leser leicht ersichtlich, wenn er einen Blick wirft in meine Katholische
Dogmatik. Für Studium und Praxis, die seit 1995 in mehreren Auflagen im Verlag Herder
erschienen ist.
In enger Absprache mit Papst Benedikt XVI. wurde der Gesamteditionsplan erarbeitet. Jeder
Einzelband ist in seiner thematischen Konzeption, aber auch bei der Frage der Textauswahl
durch den Heiligen Vater selbst autorisiert. Es wird Vollständigkeit angestrebt. Bei einzelnen
kleineren Texten wird nur der Fundort angegeben. So ist es berechtigt von einem lebendigen
Zeugnis der Theologie Joseph Ratzingers/Papst Benedikts XVI. zu sprechen, denn im
Mittelpunkt steht nicht die bloße Sammlung und Archivierung der Texte, sondern die
systematische Erschließung eines Themenbereiches der Theologie mittels einer neu konzipierten
Anordnung, die Zusammenhänge freilegt und eine Gesamtschau ermöglicht.
Auf den persönlichen Wunsch des Heiligen Vaters werden die Gesammelten Schriften unter
dem Namen des Autors Joseph Ratzinger publiziert.
Um dieses Projekt zu verwirklichen, habe ich in Regensburg das Institut-Papst-Benedikt
XVI. gegründet. Es wird der Ort sein, an dem Leben, Denken und Wirken des Theologen,
Bischofs und Papstes Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. umfassend dokumentiert wird. Durch die
Bereitstellung seines gesamten gedruckten und ungedruckten Werkes, durch die Erhebung des
biographischen und theologischen Kontextes und durch den Aufbau einer Spezialbibliothek sind
die idealen Bedingungen für eine umfassende Erforschung des theologischen Gesamtwerkes
gegeben.
Aufrichtig danken möchte ich dem Heiligen Vater, Papst Benedikt XVI. Der große
Vertrauensbeweis, den er mir gegenüber in der Beauftragung zur Herausgabe seiner Werke zum
Ausdruck bringt, ist für mich Freude und Verpflichtung zugleich.

Angaben über die Gesamtedition
Die vorliegende Ausgabe der Gesammelten Schriften Joseph Ratzingers versteht sich als
„Ausgabe letzter Hand“ des Theologen Joseph Ratzinger in deutscher Sprache. Angezielt ist die
möglichst vollständige Präsentation des gedruckten Werkes, ergänzt um bislang ungedruckte
oder noch nicht auf deutsch publizierte Texte in einer systematischen Ordnung, die chronologische
und sachliche Gesichtspunkte miteinander verbindet.
Sofern Monographien vorliegen, werden sie in sich unverändert in die Gesammelten
Schriften aufgenommen, ergänzt allerdings jeweils um weitere thematisch verwandte Texte. Wie
vom Autor auch früher selbst vielfach praktiziert, werden den ausdrücklich wissenschaftlichen
Texten auch solche beigefügt, die anderen literarischen Gattungen angehören, wie beispielsweise
Lexikonartikel, Buchbesprechungen und schließlich auch Predigten und Meditationen.
Die Aufsatzbände Joseph Ratzingers, die zu bestimmten Etappen des Wirkens des
Theologen, Bischofs und Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre thematisch
zusammengehörige Beiträge vereinen, werden aufgelöst und die einzelnen Schriften in die neue
Systematik eingefügt.
Die Gesammelten Schriften werden eröffnet – hinsichtlich der Bandzählung, nicht unbedingt
was den tatsächlichen Zeitpunkt des Erscheinens betrifft – mit den beiden wissenschaftlichen
Qualifikationsschriften Joseph Ratzingers: seiner Dissertation über das Kirchenverständnis
Augustins, und seiner Habilitationsschrift über das Offenbarungsverständnis Bonaventuras.
Angefügt werden jeweils weitere Studien und Texte zu Augustinus bzw. Bonaventura.
Band III nimmt die Antrittsvorlesung von Professor Ratzinger Der Gott des Glaubens und
der Gott der Philosophen 1959 in Bonn zum Ausgangspunkt und ordnet ihr alle weiteren Texte
im Themenbereich fides et ratio zu. Hierher gehören beispielsweise auch alle Reflexionen über
die geistesgeschichtlichen Grundlagen Europas.
Band IV geht aus von der Einführung in das Christentum (1968) und schließt weitere Texte
im Themenbereich von Bekenntnis des Glaubens, Taufe, Umkehr, Nachfolge und Christlicher
Existenzvollzug an.
Die Bände V bis XII orientieren sich im weitesten Sinne am Themenkanon der systematischen
Theologie.
Band V vereint die Texte, die den Traktaten Schöpfungslehre, Anthropologie und
Gnadenlehre zuzurechnen sind, wobei die Mariologie als heilsgeschichtlich konkretisierte
Gnadenlehre präsentiert wird.
Band VI stellt, ausgehend von Jesus von Nazareth (2007), die Studien zur Christologie
zusammen.
Band VII und Band VIII decken mit der Ekklesiologie einen weiteren Arbeitsschwerpunkt
Joseph Ratzingers ab, wobei Band VII zunächst alle Texte zusammenstellt: die im Zuge der
Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils entstandenen, dann aber auch die aus
unmittelbarem Erleben geschriebenen Berichte sowie die im Anschluss verfassten Kommentare
und nicht zuletzt eine Reihe von Wortmeldungen hinsichtlich der Rezeption der Konzilstexte.
Band VIII bringt die ekklesiologischen Arbeiten im engeren Sinne und integriert vor allem auch
Joseph Ratzingers Schriften zur Ökumene.
Am Schnittpunkt von Fundamentaltheologie und Dogmatik steht Band IX, der Joseph
Ratzingers über den gesamten Zeitraum seines Wirkens entstandene Arbeiten zur Theologischen
Erkenntnislehre und Hermeneutik versammelt, insbesondere auch seine Studien zum
Schriftverständnis und zur spezifischen Zuordnung von Offenbarung, Tradition, Schrift und
Lehramt.
Band X nimmt die Eschatologie (1977), das einzige von Joseph Ratzinger veröffentlichte
dogmatisch-theologische Lehrbuch zum Ausgangspunkt und ordnet ihm alle weiteren Studien
und Texte im Themenbereich Hoffnung, Tod, Auferstehung, Ewiges Leben zu.
Mit den Bänden XI und XII unterstreicht der Autor ausdrücklich weitere Hauptanliegen
seines Denkens. Mit der Theologie der Liturgie in Band XI, womit der Heilige Vater die
Veröffentlichung seiner Gesammelten theologischen Schriften eröffnen will, stellt er das
Gesamtwerk unter das Vorzeichen einer konsequenten Theozentrik. Band XII versammelt eigens
die ansonsten auch in die Ekklesiologie oder Sakramentenlehre zu integrierenden Texte zum
Geistlichen Dienstamt und präsentiert sie als Band XII unter dem Titel Künder des Wortes und
Diener eurer Freude.
Band XIII versammelt Joseph Ratzingers zahlreiche Interviews, sowohl frühe und kürzere
wie auch die drei in Buchform erschienenen, wobei das Gespräch mit Vittorio Messori 1984/85
den Anfang machte und die beiden Bücher von und mit Peter Seewald (1996 und 2000) folgten.
Band XIV präsentiert eine möglichst große Auswahl aus dem umfangreichen homiletischen
Werk Joseph Ratzingers, wobei auch weniger bekannte und bislang unveröffentlichte
Ansprachen und Meditationen Berücksichtigung finden.
Band XV vereint, ausgehend von Joseph Ratzingers 1997/98 erschienenen Autobiographie
Aus meinem Leben weitere biographische Texte und Beiträge persönlichen Charakters,
beispielsweise die zahlreichen Wortmeldungen im Bezug auf seinen Vorgänger Papst Johannes
Paul II., seinen Bruder Georg Ratzinger und viele weitere Ansprachen zu Jubiläen, Würdigungen
etc.
Band XVI wird eine vollständige Bibliographie der Werke Joseph Ratzingers in deutscher
Sprache bieten sowie ein ausführliches systematisches Register zu allen Bänden, welches das
Gesamtwerk in seiner inneren Vernetzung erfassen lässt. Die einzelnen Bände werden jeweils
durch ausführliche Inhaltsverzeichnisse sowie Personen- und Schriftstellenregister erschlossen.“

(rv 22.10.2008 sk)








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