Die Synodalität in
der katholischen Kirche noch mehr leben, dazu hat der Basler Bischof Kurt Koch im
Gespräch mit Radio Vatikan ermuntert. Nach der derzeit im Vatikan statt findenden
Weltbischofssynode müsste darüber „noch viel grundlegender nachgedacht“ werden, so
Koch, der die Schweizer Bischofskonferenz vertritt. Gerade im Westen sei die Kirche
aufgefordert, die „Frische und Unmittelbarkeit“ der christlichen Botschaft bewusst
zu machen, sagte Koch. Nach den Redebeiträgen und Kleingruppendiskussionen sei jetzt
entscheidend, wie die Bischöfe das Gehörte in ihren Diözesen und Gemeinden umsetzten.
Im
Interview mit Birgit Pottler spricht Bischof Koch über den Stand der Synodenarbeiten,
über die Ökumene und die Rolle des Papstes.
Ausschnitte:
Bischof
Koch: Ich glaube, das Grundanliegen ist die Rückbesinnung auf das Wort Gottes
und seine grundlegende Bedeutung im Leben und in der Sendung der Kirche, in dem Sinn
auch eine Relecture der Offenbarungskonstitution des II. Vatikanischen Konzils, Dei
Verbum, als Grundlage der Offenbarung, die uns von Gott in Jesus Christus geschenkt
ist. Es geht darum, sie im Leben der Kirche neu fruchtbar zu machen, auch in der Sendung
nach Außen.
Die konkrete Linie ist das eine, die konkreten Vorschläge und
Auswirkungen das andere. Einige Themen kamen sind in den ersten beiden Synodenwochen
zur Sprache gekommen, darunter der Dialog mit dem Judentum, ebenso der interreligiöse
Dialog und das Miteinander mit dem Islam in sozialen Fragen. Was sind ihrer Meinung
nach bislang die konkretesten Punkte, die auch der Gläubige im Alltagsleben wahrnehmen
wird? Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen dem, was als Text der Synode
herauskommt und dem, was die einzelnen Bischöfe in ihren Diözesen realisieren werden.
Man ist natürlich voll neuer Ideen, wie das geschehen kann, auch angeregt von Überlegungen
von Bischöfen aus anderen Kontinenten, und das ist meines Erachtens sogar das Entscheidende:
Was die Einzelnen daraus gelernt haben und in ihrer konkreten täglichen Arbeit umsetzen.
Das andere ist das, was gemeinsam gesagt werden kann, und da geht es, so glaube ich,
um das neue Bewusstwerden der grandiosen Botschaft, die wir haben, die gerade eine
Botschaft ist, die den heutigen Menschen berührt, weil er in seiner ganzen Sinnfrage,
Schuldfrage und in den Verquickungen, in denen wir in der postmodernen Gesellschaft
leben, diese Grundbotschaft erhält, ich bin von Gott gewollt und geliebt.
… Wir
sind im Westen gemeinsam herausgefordert, als Menschen, die durch die Aufklärung hindurch
gegangen sind, die die Heilige Schrift historisch-kritisch betrachtet haben, gleichsam
in einer zweiten Aufklärung nochmals die Frische und Unmittelbarkeit der Botschaft
entdecken zu lassen und sie in unser Leben hineinsprechen zu lassen. Also: Wie die
hervorstechende Art der historisch-kritischen Exegese mit der spirituellen Bibellesung
verbunden werden kann, ohne dass der Einzelne schizophren zu werden braucht.
Stichwort
Ökumene: Da ist die grundlegende Frage nicht so sehr die Heilige Schrift, sondern
wie sich die Heilige Schrift zur Tradition der Kirche verhält. Da haben wir grundlegende
Unterschiede, insofern die reformatorische Theologie vom Sola Scriptura-Prinzip ausgeht,
also allein die Heilige Schrift, was in sich ja schon eine sehr schwierige Aussage
ist, wenn man sieht, dass die Heilige Schrift ja nicht vom Himmel gefallen ist, sondern
sich in der Geschichte der Kirche auch entwickelt hat. Die katholische Kirche hat
da ein viel unbefangeneres Verhältnis in der Beziehung zwischen Tradition und Schrift.
Das
Instrument Synode ist kein einfaches: Diskussion, Wortmeldung in der großen Aula,
dann Kleingruppe, Zusammenbringen verschiedenster Äußerungen... Ist dieses Instrument
an sich geeignet, am Ende konkrete Vorschläge zu erarbeiten, oder geht es darum gar
nicht so sehr? Wie erleben Sie diese Synode? Ich bin erstaunt darüber, dass
diese Synode überhaupt so funktioniert, wie sie jetzt funktioniert, denn Repräsentanten
aus allen Diözesen und Kontinenten zusammenzubringen und etwas gemeinsam zu erarbeiten,
das ist ein Kunststück mit 253 Vertretern. Dass das überhaupt in dieser Weise gelingt,
halte ich für ein sehr positives Ergebnis. Die Frage wird sein, wie die Synodalität
noch mehr leben kann, denn ganz sicher ist eine solche Synode nicht zu vergleichen
mit der Synodalität der frühen Kirche oder mit der, wie sie in den orthodoxen Kirchen
gelebt wird. Hier müsste noch viel grundlegender nachgedacht werden, aber das kann
man im Grunde erst nach der Synode tun.