Frankreich: Trauer um den Tod von Schwester Emmanuelle
In vier Wochen wäre
sie 100 Jahre alt geworden: Schwester Emmanuelle, weltweit bekannt als „Mutter der
Müllmenschen von Kairo“. In der Nacht zum Montag ist sie im Altersheim ihrer Ordensgemeinschaft
friedlich eingeschlafen. Weltweit löst ihr Tod tiefe Trauer aus. Frankreichs Staatspräsident
Nicolas Sarkozy unterstrich, Schwester Emmanuelle sei eine im Glauben tief verankerte,
lächelnde Frau mit unbändiger Energie gewesen. Es sei ihr als „unser aller Schwester“
gelungen, die Menschen wach zu rütteln und die Herzen zu erreichen. Auch Vatikansprecher
Frederico Lombardi bedauert den Tod von Schwester Emmanuelle. Ihr Einsatz habe wie
der von Mutter Teresa Grenzen überwunden. Gegenüber Radio Vatikan sagte er: „Schwester
Emmanuelle war eine große Figur der christlichen Kirche in unserer Zeit. Sie hat gezeigt,
wie christliche Mildtätigkeit und Nächstenliebe dazu in der Lage sein können, die
Unterschiede von Nationalität, religiösem Bekenntnis und Rasse zu überwinden.“ Unglaubliches
hat sie in Bewegung gesetzt in den Jahren ihres Wirkens in den Müllsiedlungen Kairos.
Durch ihre Initiative entstanden bis heute in drei Müllsammlersiedlungen lebensnotwendige
soziale Einrichtungen: Kliniken, Kindergärten, Schulen, Alphabetisierungszentren,
Tagesbetreuungsstätten und Altersheime. Zunächst hatte Schwester Emmanuels Leben jedoch
einen ganz „normalen“ Verlauf genommen: In Brüssel als Tochter eines wohlhabenden
Geschäftsmannes geboren, schloss sie sich mit 20 den Schwestern „Unserer Lieben Frau
von Sion“ an. Sie studierte in Istanbul und an der Sorbonne in Paris, machte drei
Doktorate und lehrte dann vier Jahrzehnte lang an den vornehmen Mädchenschulen ihres
Ordens im Orient, zuletzt in Ägypten. Bei einem Besuch in den Müllsiedlungen Kairos
stellte sie jedoch schnell fest: Ihr Platz ist nicht mehr bei den „höheren Töchtern“,
sie gehört zu den Armen. Schwester Emmanuelle in einem früheren Interview: „Als
ich in dem Viertel angekommen bin, starben 4 von zehn Kindern an Tetanus. Ich hatte
nichts. Keine Medikamente, keine Ärzte, keine Krankenschwestern. Ich hatte nur mein
kleines Herz. Und die Mütter haben mir ihre sterbenden Kinder gebracht, es ging zu
Ende, und wir haben zusammen geweint.“ Heute kommen die werdenden Mütter schon
in den ersten Monaten ihrer Schwangerschaft in die schöne Klinik mitten im Slum von
Mokattam, der größten Müllsiedlung Kairos; dort prüft eine Gynäkologin per Ultraschall,
ob mit dem Kind alles in Ordnung ist. Ohne Schwester Emmanuelle wäre das alles nicht
möglich gewesen. 1993 zog sich die „Mutter der Müllmenschen von Kairo“ dann aber in
ein Altersheim ihres Ordens zurück. Von dort aus sagte sie uns einmal: „Im Moment
bete ich sehr viel, jeden Tag. Ich bete für die Ehre Gottes, wie man das auch in der
Messe sagt, und für das Heil der Welt. Nur dafür.“
Ihr Tod hinterläßt
eine tiefe Lücke. Schon heute ist sie eine Legende.