Bartholomaios predigt auf Synode im Vatikan – „Wie könnten wir nicht Brüder sein?“
Premiere im Vatikan:
Zum ersten Mal hat ein nicht-katholischer Kirchenführer auf einer Welt-Bischofssynode
im Vatikan gepredigt. In der Sixtinischen Kapelle wandte sich der orthodoxe Patriarch
Bartholomaios I. von Konstantinopel an die Bischöfe, die an der Synode teilnehmen.
Im Beisein des Papstes, der ihn eingeladen hatte, betonte das Ehrenoberhaupt der orthodoxen
Christen in aller Welt die fundamentale Bedeutung der Heiligen Schrift für die Christen
und ihre Einheit. Unter den Fresken des Michelangelo nahmen Papst und Patriarch auf
gleicher Augenhöhe Platz. „Natürlich wäre die Evangelisierung sehr viel stärker
und wirksamer, wenn alle Christen mit einer Stimme in einer vereinten Kirche sprechen
würden... Deshalb ist es angemessen, dass diese Synode ihre Türen für die ökumenischen
Bruderdelegierten geöffnet hat, damit wir alle uns unserer gemeinsamen Pflichten in
der Evangelisierung und auch der Probleme bei ihrer Umsetzung in der heutigen Welt
bewußt werden.“
Ausführlich legte Bartholomaios die Lehre der Kirchenväter
zur Heiligen Schrift dar. Der heilige Johannes Chrysostomus erinnere daran, dass vom
„Sakrament des Altars“ das „Sakrament unseres Nächsten“ nicht getrennt werden könne.
„Traurigerweise
haben wir die Berufung und die Verpflichtung zu teilen nicht beachtet. Soziale Ungerechtigkeit
und Ungleichheit, weltweite Armut und Krieg, Umweltverschmutzung und –zerstörung sind
Folgen unserer Unfähigkeit oder Widerwillens zu teilen. Wenn wir am Sakrament des
Altars festhalten wollen, können wir nicht auf das Sakrament des Nächsten verzichten
oder es vergessen – es ist eine grundlegende Bedingung dafür, das Wort Gottes in der
Welt, im Leben und in der Sendung der Kirche zu verwirklichen.“
Die theologische
Ansprache des Ökumenischen Patriarchen war ein Höhepunkt der Bischofssynode. Sie findet
vom 5. bis 26. Oktober im Vatikan statt und befasst sich mit dem Wort Gottes – von
der Bibel bis zur Predigt. Benedikt XVI. bedankte sich zum Abschluss für die Rede
des Patriarchen, die eine Erfahrung echter Gemeinschaft gezeigt habe. Die Christen
in Ost und West hätten gemeinsame Kirchenväter, betonte er unter Hinweis auf die vielen
Zitate des Patriarchen aus dem religiösen Erbe des Orients. „Wenn wir gemeinsame Kirchenväter
haben, wie können wir dann nicht Brüder sein?“, so der Papst. In der traditionellen
Kapelle der Papstwahl nahmen die 253 Bischöfe des Kirchentreffens, darunter rund 40
Kardinäle, sowie die Beobachter, Delegierten und Experten an dem Gottesdienst mit
Bartholomaios I. teil. Zum Abschluss erteilten Papst und Patriarch nacheinander den
Segen.