Die Kirche könnte dem Priestermangel mit der Ordinierung eines Kreises von verheirateten
„Gemeindeältesten“ begegnen. Das schlug der aus Deutschland stammende emeritierte
Afrika-Missionsbischof Fritz Lobinger jetzt in Wien vor. Bei einem Festvortrag an
der theologischen Fakultät ging Lobinger von den Verhältnissen in seiner südafrikanischen
Diözese aus. Eine kleine Anzahl von Priestern sei dort für zahlreiche und große Gemeinden
zuständig. Hier liege der Ansatz für Modelle nicht-klerikaler Formen des Amtes, die
auch für die europäischen Diözesen anwendbar seien. In den jungen Kirchen des Südens
habe im Gegensatz zu den Kirchen Europas stets Priestermangel bestanden, der die regelmäßige
sonntägliche Eucharistiefeier in vielen Gemeinden unmöglich mache, so Lobinger. Unter
den Teilnehmern am Festabend waren auch Wiens Kardinal Christoph Schönborn und der
emeritierte Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner. Lobinger zitierte einen afrikanischen
Erzbischof, der 1971 ein Mehr an Priestern der europäischen Art als für die Kirche
nicht finanzierbar bezeichnete. Diese „durchaus heikle Überlegung“ sei jedoch nirgendwo
weiterverfolgt worden, aus „Angst, dass eine Veränderung der Zulassungsbedingungen
zum priesterlichen Amt die bestehenden Priester verunsichert“. Schließlich würde eine
mögliche „viri probati“-Regelung zu ungleichen Voraussetzungen für die gleichen Rolle
des priesterlichen Amtes führen. Ansätze für die Lösung dieser Frage existieren
für Lobinger bereits in den Gemeinden des Südens, im Begriff der „Self Ministering
Community“, der das Konzept des Amtes und der Gemeinde vereint. Durch die Schaffung
neuer, verschiedener Arten priesterlicher Rollen werde eine Gefährdung der jetzigen
Priester abgewandt. Die Ordinierung eines Kreises von „Gemeindeältesten“ hätte den
Sonntagsgottesdienst zur „ureigensten Sache der Gemeinde“ gemacht, da die Leute diesen
selbst leiteten, gestalteten und planten. Dies habe in den Ländern des Südens zu einer
Explosion der Laienbeteiligung in den Gemeinden geführt. Zehn bis zwanzig Gemeinden
bildeten nun ein Netzwerk um einen gemeinsamen hauptamtlichen, zölibatären Priester,
der sie etwa monatlich besuche. Für diesen bedeutet die Idee des Gemeindeverbandes
eine neue Rolle, in der sein Leben in Ganzhingabe neuen Sinn erlange: Er sei nun nicht
mehr „Versorgerpfarrer“, sondern mobiler Ausbilder der Laienleiter, geistlicher Motor
und Spiritual des Leitungsgefüges. Sein Streben ginge nun dahin, so Lobinger, unter
den Laien möglichst viele Charismen zu entdecken und sie für ihr Amt zu befähigen.
Statt in Konkurrenz stehe er zu den ordinierten Laien in gegenseitiger Angewiesenheit. Für
die geweihten Mitglieder des Leitungskreises in den Gemeinden entschied sich Lobinger
für den Ausdruck „Gemeindeälteste“, um sich nicht an den Ausdruck „Priester“ anzulehnen.
Auch wenn eine Form des priesterlichen Amtes gemeint sei, müsse der Beigeschmack eines
„Notbehelfes einer tröstenden Nachahmung der Priesterrolle“ verhindert werden. Es
handle sich um keine künstliche Verlängerung der bestehenden Amtsform, sondern um
deren Erneuerung. Durch die Bildung von Kreisen statt der Befähigung einzelner entstehe
mehr Gemeinsamkeit und gemeinschaftliche Verantwortung. Das Blockdenken in Laien und
Kleriker wie auch der Klerikalismus selbst werde überwunden, zudem sei damit das Ende
einer ungünstigen Versorgungsmentalität der Gemeinde erreicht. Bischof Fritz Lobinger
wurde 1929 in Passau geboren und 1955 in Regensburg zum Priester geweiht. Er ging
als einer der ersten „fidei donum“-Priester nach Südafrika. 1986 wurde Lobinger zum
Bischof der Diözese Aliwal North geweiht und wirkte in dieser Funktion 22 Jahre lang.
Er machte sich auch in Europa durch die Umsetzung des Bibel-Teilens sowie durch den
Aufbau kleiner christlicher Gemeinschaften einen Namen.