Geht das – gleichzeitig
Ordensfrau sein und Feministin? Und das auch noch in Afrika? Oder geht so etwas nur
in Afrika? Eine Spurensuche in einem Frauenkloster im Senegal von Stefan Kempis.
Alles
fing 1858 an: Der Weiße Vater Aloys Kobès entschied damals, eine Ordensgemeinschaft
für Ordensfrauen zu gründen, die Töchter vom Heiligsten Herzen Mariens – und zwar
nur für Afrikanerinnen. Zur damaligen Zeit ist das eine Premiere auf dem ganzen Kontinent
und fordert die Überwindung einer ganzen Menge Vorurteile. Schwester Marie Hervétine:
„Monseigneur
Kobès war wirklich mutig für seine Zeit, wenn er religiöses Leben für Frauen organisierte.
Hier gilt eine Frau, die keine Kinder bekommt, nichts. Also auch keine Schwester!
Die Frau steht immer in der allerletzten Reihe.“
Ein reelles Handicap für
die Gemeinschaft – doch sie überlebte trotzdem bis heute. Wenn auch nicht ohne Krisen.
Die Superiorin, Schwester Marie-Thérèse Dien, sagt:
„Es ging alles sehr
langsam… aber heute sind wir 254 Ordensfrauen. Das hört sich nach nicht so viel an,
aber 70 Prozent von ihnen sind unter 35. Das heißt, es geht aufwärts bei uns. Die
Schwestern sind in Frankreich und in acht Ländern Afrikas vertreten.“
Guinea,
Tschad, Niger, Kapverde – 150 Jahre nach der Gründung bekommt die Gemeinschaft Berufungen
von überall her in Afrika. Sie arbeiten als Lehrerinnen oder im Gesundheitswesen;
eine Schwester ist Gynäkologin in Dakar. Herzstück ihres Wirkens: Frauen fördern.
Schwester Marie-Thérèse:
„Es scheint mir wichtig, dass Frauen wissen, dass
sie komplementär zum Mann sind und dass sie genauso viel beizutragen haben wie ein
Mann. Wenn sie das verstehen, dann erfüllen sie ihre Rolle, wie der Herr und die Gesellschaft
das von ihnen erwarten.“
Von diesem Anliegen der Frauenförderung könnte
auch Schwester Hervétine stundenlang reden. Wenn man sie fragt, wie es denn heute
Frauen in Afrika geht, dann nimmt sie kein Blatt vor den Mund.
„Sie haben
es schwer, weil sie ihren Status ständig einfordern müssen. Dass sie selbst etwas
entscheiden dürfen und nicht immer erst den Beschluss des Mannes abwarten müssen.
Manchmal heißt es „Woche der Frau“ oder so ähnlich, und dann steht da ein Mann und
hält eine Rede – das stört mich! Es gibt doch genug Frauen, die selber für sich reden
können! Auch wenn das unbewusst passiert, aber da überliefert man ein bestimmtes Bild.“
Sind
sie also Feministinnen, die Töchter vom Heiligsten Herzen Mariens?
„Ein
bisschen, vielleicht. Oder doch nicht, nein. Wir versuchen nur, etwas völlig Verdrehtes
wieder richtigzudrehen. Uns geht’s um die gerechte Mitte. Ich finde, die Frauen sollten
ruhig den Mund aufmachen und einfach sagen, wie sie leben! Sie sollen das selber sagen!“