Eine Premiere: Rabbiner spricht auf Bischofssynode
Premiere für eine
römische Bischofssynode: Vor den Bischöfen aus aller Welt ergreift am Montag Abend
auch ein jüdischer Rabbiner das Wort. Shear Yashuv Cohen aus dem israelischen Haifa
wird über die jüdische Sicht auf die Heiligen Schriften sprechen. Wir konnten uns
kurz vor seinem Auftritt im Vatikan mit ihm unterhalten. Auszüge aus dem Interview:
„Es
besteht wohl kein Zweifel daran, dass ich nicht deswegen eingeladen wurde, weil der
Synode noch Informationen oder Wissen fehlte über das, was Christen das Alte Testament
nennen. Sondern ich bin Vertreter des israelischen Großrabbinats in der vom verstorbenen
Papst Johannes Paul II. geschaffenen bilateralen Kommission und stehe für den so genannten
Dialog zwischen den beiden Religionen – das ist vielleicht der Hauptgrund, warum ich
eingeladen wurde. Glauben Sie mir: Es ist für uns eine Art von Beweis, dass die gegenwärtige
Führungsspitze im Vatikan die Linie ihrer Vorgänger fortsetzen will… Für mich kommt
der Moment zwar wegen des derzeitigen jüdischen Festes ziemlich umgelegen, aber ich
fühlte: Da darf ich nicht absagen. Wegen all dem, was so eine Einladung bedeutet:
Ich spreche da vor der Führungsspitze der katholischen Religion.“
„Ich bin
hier nicht als Individuum, sondern als Vertreter des israelischen Großrabbinats. Ich
würde schon sagen: Die Mehrheit (der Juden) ist mit mir hier. Den Kritikern sage ich:
Es geht hier nicht darum, so zu tun, als wären unsere beiden Religionen die zwei Seiten
derselben Medaille. Ich merke: Die Synode versucht nicht, uns zu ändern, sondern sagt:
Wir sollten versuchen, einander zu verstehen und zusammen zu leben… Vielleicht können
wir so mehr Frieden in die Welt bringen, und das ist wichtig. Religion hat durchaus
einen Einfluss auf den Gang der Dinge in der Welt… Und das ist der Hauptgrund, warum
ich für diesen Dialog bin: um friedlich zusammenzuleben nach all dem Blutvergießen,
das wir in den letzten Generationen erlebt haben.“
„Meine Rede wird von den
jüdischen Heiligen Schriften sprechen, also der Thora, den Propheten und Schriften
– nicht vom christlichen Anteil am Alten und Neuen Testament. Christen brauchen natürlich
meinen Rat, wie sie ihren Teil der Bibel fördern sollten, aber allein schon die Tatsache,
dass es einen gemeinsamen Hintergrund gibt und dass ich trotz aller Unterschiede jetzt
hier bin, bedeutet für mich: Keiner kann verneinen, dass wir das Volk sind, mit dem
Gott seinen Bund schloss und das der Welt die ganze Bibel geschenkt hat. Damit will
ich sagen: Auch die, die die Bibelteile verfassten, an die die Christen glauben, waren
Juden!“
„Ich fühle, dass ich in gewisser Weise dadurch den Namen Gottes verherrliche.
Denn die jüdische Religion ist darauf gegründet, dass es eine Botschaft für die Welt
gibt, und da ist eine Synode, die so viele Kulturen und Völker repräsentiert, eine
ungewöhnliche Gelegenheit. Werde ich Erfolg haben, wenn ich die Botschaft überbringe?
Ich bin mir dessen nicht sicher, aber ich bete dafür. Es ist sicher keine normale
Mission...“
„Wenn Sie das jüdische Gebetbuch öffnen, werden Sie feststellen:
Es besteht von vorne bis hinten aus Bibelzitaten, nicht – wie bei den Christen oft
– aus Gesangstexten… So wie wir von der Bibel denken, könnten eigentlich auch Christen
ihre Bibel hochschätzen und das ihre Kinder lehren: Lest es, wiederholt es, lernt
es auswendig, macht es zu einem Teil eurer Kultur!“