2008-10-02 14:24:21

Vatikan: Annäherungsversuche unter Wissenschaftlern


RealAudioMP3 Vergangene Woche fand an der Päpstlichen Universität Gregoriana ein vielbeachtetes Symposion statt zum Thema „Die Tragweite der Wissenschaft heute – Glaube und Vernunft auf dem Prüfstand” (26.9. und 27.9.2008). Ausgerichtet wurde es von der Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft und der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl. Unter den Gästen waren Philosophen und Theologen, aber auch Geistes- und Naturwissenschaftler verschiedenster Disziplinen.

Das Symposium hatte das ehrgeizige Ziel, Wissenschaftler zusammenzubringen, die sonst nicht miteinander kommunizieren, und gemeinsam zu erkunden, wo die Grenzen liegen und wo es Anknüpfungspunkte gibt. Den Auftakt bildete ein Impulsreferat des Rektors der Lateran-Universität, Kurienerzbischof Rino Fisichella.

Ausgehend von der Enzyklika „Fides et Ratio“ unterstrich Fisichella den Zusammenhang von Glaube und Vernunft, von Glauben und Wissenschaft. Gerade die vielfältigen Möglichkeiten der Forschung forderten zu einer Reflexion auf, mit welchem Ziel Wissenschaft gebraucht werde. Fisichella betonte, dass immer der Mensch im Mittelpunkt stehen müsse. Allerdings – und hier bezog sich der Erzbischof auch auf die jüngst im Collège des Bernardins in Paris gehaltene Rede Papst Benedikts XVI. – die Frage nach dem Menschen impliziere immer auch die Frage nach Gott, das „quaerere Deum“. Es sei nicht wahr, dass der Glaube wissenschaftsfeindlich gewesen sei. Im Gegenteil: Gerade Katholiken hätten die Voraussetzungen für ein im guten Sinne „laizistisches“ Denken geschaffen. Die Gewissheit des Glaubens führe nicht zur Erstarrung, sondern erlaube eine Dynamik, die Kraft zur Entdeckung neuer Wahrheiten gebe. Diese Erkenntnisse mündeten allerdings letztlich in die Unergründlichkeit des der Wahrheit eigenen Mysteriums. Einem Problem wich allerdings auch Fisichella aus: Der Problematik des sog. „nachmetaphysischen Denkens“. Dass die philosophischen Grundlagen einer Verständigung über Wirklichkeit bleibend erschüttert sind, schien auch Fisichella fraglos zu sein. Der Erzbischof forderte an dieser Stelle eine „interkulturelle Auseinandersetzung“, um dem Relativismus und der „Schwäche“ des derzeitigen Denkens zu entkommen. Der Mensch brauche Antworten, die nicht nur aus mathematischen Formeln bestehen, sondern eine Sinnfülle vermittelten. Die Vernunft werde daher nach Einschätzung Fisichellas von sich an den Glauben appellieren, damit dieser ein Wort der Hoffnung schenken könne.
 
Für manchen im Auditorium starker Tobak, denn längst nicht alle Gäste des Symposiums teilten die Sichtweise eines harmonischen Zusammenhangs von Glaube und Vernunft, wie er hier gezeichnet wurde. Im Gegenteil – es entspann sich eine zuweilen recht kontroverse Debatte. Ausgehend von den Bereichen Ökonomie, Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie konnte man beobachten, wie man sich aneinander herantastete. Michael Drieschner ist Physiker und Philosoph und Mitglied der Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft. Für ihn war diese Verhältnisbestimmung von Glaube und wissenschaftlicher Rationalität der Angelpunkt der Tagung.

„Es hat sowohl die Naturwissenschaft, wie der Glaube und die Theologie ihren eigenen Bereich, der den anderen sozusagen nichts „angeht“. Und dann kommt aber erst die andere Frage: wie geht es zusammen und wie hängt es zusammen. Wo können die Brücken überhaupt sein? Das ist hier doch immer wieder herausgekommen: Über die Praxis beispielsweise oder auch die Frage nach einem Gesamtweltbild: Das ja nie „nur“ wissenschaftlich oder „nur“ vom Glauben bestimmt sein kann. Es muss ja beides irgendwie vorkommen – in jedem einzelnen mindestens.“

Es sei – an den zum Teil sehr scharfen Äußerungen – deutlich geworden, so Drieschner, dass es Verständigungsschwierigkeiten gebe.

„Dieses schöne Beispiel Zufall: Was heißt „zufällig“? Der Naturwissenschaftler versteht darunter etwas völlig anderes als ein Theologe: das merkt aber niemand! Ich denke, Konflikte beruhen vor allem auf solchen Situationen, dass man aus der eigenen Welt Dinge für selbstverständlich hält, die anders sind als die Selbstverständlichkeiten der anderen Welt.“

Kardinal Walter Kasper forderte in seinem Statement am Freitagnachmittag den Ausbau des Dialogs von Naturwissenschaft und Theologie. Zugleich wandte er sich gegen die Thesen der sogenannten Kreationisten zu Schöpfung und Evolution. Die Theologie könne zwar sagen, dass Gott die Welt erschaffen habe, aber sie könne nicht wissen, wie sich dies im Einzelnen zugetragen habe. Dies gehöre zu den Grenzen der Theologie, die sie im Dialog mit der Naturwissenschaft erkennen könne. Mit anderen Worten brachte es der Physiker Henry Blome auf den Punkt - unter Berufung auf den Jesuiten und Naturwissenschaftler Georges Lemaitre, als dieser die sixtinische Kapelle besucht und die Michelangelo-Fresken bewundert: „Ich glaube an Gott, aber nicht an den Finger“.

Inwieweit eine Annäherung der Sichtweisen auf der Tagung möglich wurde, ist schwer zu beantworten. Kirchenvertreter warben jedenfalls immer wieder für eine ganzheitliche Sicht, so u.a. der Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaft, Bischof Marcelo Sánchez Sorondo.

„Es ist eine ganzheitliche Sichtweise möglich, die verschiedene Wissensarten integriert. Und es gibt heute mehr denn je eine Such nach einer solchen Sichtweise. Man kann nicht seine persönliche Synthese ziehen ohne jeden Bezugspunkt. Ich sehe keinerlei Widerspruch, im Gegenteil: Ich glaube, wir haben heute die Möglichkeit, neue Brücken zu bauen – und zwar ausgehend von einer christlichen Anthropologie, die den Menschen als Teil der Natur ansieht, der zugleich aber auch über sie hinausgeht.“

 
Drieschner sieht das Verdienst der Tagung darin, so unterschiedliche Leute überhaupt zusammengebracht zu haben, die dann doch friedlich miteinander sprechen konnten. Aber es bleibe auch eine Aufgabe über den Kreis der Wissenschaftler hinaus, so der Philosophieprofessor.
 
„Es gibt eben doch – vielleicht mehr noch in der Öffentlichkeit als im akademischen Bereich – Defizite der Verständigung, die man angehen muss, scheint mir. Nehmen Sie dieses berühmt gewordene Buch von Dawkins, das von einer unglaublichen Beschränktheit dieses Naturwissenschaftlers zeugt. Er bringt Fragen des 19. Jahrhunderts wieder auf und präsentiert seine Meinung leidenschaftlich, aber leider sehr beschränkt. Da muss man offensichtlich sowohl intern zur Klärung als auch auf die Öffentlichkeit hin versuchen, nicht gleich Brücken zu bauen, aber zumindest den Grund zu klären, auf den man Pfeiler überhaupt aufstellen kann!“

(rv 02.10.2008 mc)

Ein Bericht von Pater Max Cappabianca OP

 
 







All the contents on this site are copyrighted ©.