2008-09-30 15:14:16

Kommentar zur Bayernwahl: Katholiken wollen Bürgernähe


RealAudioMP3 Nur noch jeder zweite Katholik in Bayern wählt CSU. Politisches Erdbeben, Erdrutsch, Säbelrasseln – Bilder gibt es viele, um die Ergebnisse der Bayernwahl zu beschreiben. Ein Kommentar mit Ausblick von Birgit Pottler:

Fakt ist, dass die CSU nicht nur die absolute Mehrheit sondern auch viele ihre Stammwähler – wenn sie denn ihr Kreuz gemacht haben – verloren hat. Im katholischen Oberbayern waren das die Bauern, im gesamten Freistaat stimmten elf Prozent der Katholiken für die Freien Wähler, sieben mehr als noch vor fünf Jahren. Die CSU verlor dagegen 17 Prozent ihrer katholischen Stammwähler, das deckt sich mit der Wahlschlappe. Woran lag’s?
Dass der Franke Beckstein evangelisch ist, hat die katholischen Wähler wohl kaum gestört. Als engagierter Synodale, der das Gespräch mit Erz- und Landesbischöfen sucht und schätzt und das gute Staat-Kirche-Verhältnis in Bayern betont, mag der Ministerpräsident für viele katholischer wirken als der Niederbayer Huber. Ihm folgt an der Spitze der Partei Ende Oktober Horst Seehofer. Der fiel mit einem außerehelichen Kind beim Kölner Kardinal Meisner vergangenes Jahr in Ungnade. An seinen Sympathiewerten in Bayern dürfte das insgesamt wenig geändert haben. CSU-Kirchensprecher Eykmann, tief verwurzelter Katholik aus Unterfranken, meinte damals, dass Meisner zwar „sehr wohl den rechten Rand des Katholizismus befriedigt“. Doch eine „unversöhnliche Attacke“ erziele „bei weiten Teilen der Gläubigen keine Wirkung“. Die bayerischen Oberhirten hielten sich in der offenen Kritik denn auch zurück. Heute ist die Debatte in der CSU – auch mangels personeller Alternativen – nicht wieder aufgewärmt worden.
Im bayerischen Wahlkampf spielten weder politische Glaubwürdigkeit noch das christliche Familienbild eine Rolle. Die CSU schien eine Partei wie jede andere zu sein; Rauchverbot, Pendlerpauschale, Milchpreis und innere Sicherheit bestimmten die Debatten, nicht die Kindergartenplätze, der Sonntagsschutz oder Lösungen für einen schwächelnden Sozialstaat. „Bayern wählen“ war der Slogan der CSU, doch die Regierenden verstanden darunter wohl etwas anderes als die einfachen Bürger. Denn die jetzt bayerweit drittstärkste Kraft der Freien Wähler stellen ein Drittel aller Bürgermeister in Bayern und 15 Landräte – sie sind für viele seit langem die Alternative zur CSU, aber eben auf kommunaler Ebene. Dort waren es stets Personalwahlen im Sinne „konservativer Wertekonsens ja, Bürgernähe ja, aber Parteiproporz nein“. Entsprechend schwer greifbar sind die künftigen Positionen der Freien Wähler im Landtag, schließlich sind sie keine Partei, sondern eine Bürgerbewegung. Mit im Bunde, pardon im Lande, außerdem „Königsmörderin“ Gabriele Pauli. Die Rebellin unter Stoiber zog für die Freien Wähler in den Landtag ein.
Eine Koalition CSU und Freie scheint noch unwahrscheinlich. Aus Konfessionssicht ist sie jedoch schon Realität: 62 Prozent der Freien-Wähler sind katholisch. Das sind fast CSU-Verhältnisse: Hier sind bei allen Verlusten noch immer zwei Drittel katholisch. Dennoch: Die Kirchen werden ihre Positionen in Zukunft überzeugender in die politische Debatte einbringen müssen, denn die Ansprechpartner ändern sich in jedem Fall.

(rv 30.09.2008 bp)








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