Kommentar zur Bayernwahl: Katholiken wollen Bürgernähe
Nur noch jeder zweite
Katholik in Bayern wählt CSU. Politisches Erdbeben, Erdrutsch, Säbelrasseln – Bilder
gibt es viele, um die Ergebnisse der Bayernwahl zu beschreiben. Ein Kommentar mit
Ausblick von Birgit Pottler:
Fakt ist, dass die CSU nicht nur die absolute
Mehrheit sondern auch viele ihre Stammwähler – wenn sie denn ihr Kreuz gemacht haben
– verloren hat. Im katholischen Oberbayern waren das die Bauern, im gesamten Freistaat
stimmten elf Prozent der Katholiken für die Freien Wähler, sieben mehr als noch vor
fünf Jahren. Die CSU verlor dagegen 17 Prozent ihrer katholischen Stammwähler, das
deckt sich mit der Wahlschlappe. Woran lag’s? Dass der Franke Beckstein evangelisch
ist, hat die katholischen Wähler wohl kaum gestört. Als engagierter Synodale, der
das Gespräch mit Erz- und Landesbischöfen sucht und schätzt und das gute Staat-Kirche-Verhältnis
in Bayern betont, mag der Ministerpräsident für viele katholischer wirken als der
Niederbayer Huber. Ihm folgt an der Spitze der Partei Ende Oktober Horst Seehofer.
Der fiel mit einem außerehelichen Kind beim Kölner Kardinal Meisner vergangenes Jahr
in Ungnade. An seinen Sympathiewerten in Bayern dürfte das insgesamt wenig geändert
haben. CSU-Kirchensprecher Eykmann, tief verwurzelter Katholik aus Unterfranken, meinte
damals, dass Meisner zwar „sehr wohl den rechten Rand des Katholizismus befriedigt“.
Doch eine „unversöhnliche Attacke“ erziele „bei weiten Teilen der Gläubigen keine
Wirkung“. Die bayerischen Oberhirten hielten sich in der offenen Kritik denn auch
zurück. Heute ist die Debatte in der CSU – auch mangels personeller Alternativen –
nicht wieder aufgewärmt worden. Im bayerischen Wahlkampf spielten weder politische
Glaubwürdigkeit noch das christliche Familienbild eine Rolle. Die CSU schien eine
Partei wie jede andere zu sein; Rauchverbot, Pendlerpauschale, Milchpreis und innere
Sicherheit bestimmten die Debatten, nicht die Kindergartenplätze, der Sonntagsschutz
oder Lösungen für einen schwächelnden Sozialstaat. „Bayern wählen“ war der Slogan
der CSU, doch die Regierenden verstanden darunter wohl etwas anderes als die einfachen
Bürger. Denn die jetzt bayerweit drittstärkste Kraft der Freien Wähler stellen ein
Drittel aller Bürgermeister in Bayern und 15 Landräte – sie sind für viele seit langem
die Alternative zur CSU, aber eben auf kommunaler Ebene. Dort waren es stets Personalwahlen
im Sinne „konservativer Wertekonsens ja, Bürgernähe ja, aber Parteiproporz nein“.
Entsprechend schwer greifbar sind die künftigen Positionen der Freien Wähler im Landtag,
schließlich sind sie keine Partei, sondern eine Bürgerbewegung. Mit im Bunde, pardon
im Lande, außerdem „Königsmörderin“ Gabriele Pauli. Die Rebellin unter Stoiber zog
für die Freien Wähler in den Landtag ein. Eine Koalition CSU und Freie scheint
noch unwahrscheinlich. Aus Konfessionssicht ist sie jedoch schon Realität: 62 Prozent
der Freien-Wähler sind katholisch. Das sind fast CSU-Verhältnisse: Hier sind bei allen
Verlusten noch immer zwei Drittel katholisch. Dennoch: Die Kirchen werden ihre Positionen
in Zukunft überzeugender in die politische Debatte einbringen müssen, denn die Ansprechpartner
ändern sich in jedem Fall.