Österreich-Wahl: „Katholiken gespalten“. Interview mit E. Busek
Götterdämmerung in
Österreich: Bei den Wahlen am Sonntag sind beide großen Parteien, ÖVP wie SPÖ, unter
die dreißig Prozent gerutscht. Die rechten Parteien FPÖ und BZÖ haben hingegen deutlich
hinzugewonnen. Jetzt will zwar die SPÖ unter Werner Faymann als stärkste Partei eine
Regierung bilden, die Rechtsaußen-Politiker wie Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache
von der Macht in Wien fernhält. Aber das Urgestein der österreichischen Politik, Erhard
Busek, hat seine Zweifel, ob diese Rechnung aufgehen wird.
„Die SPÖ ist
ein relativer Wahlsieger, weil auch sie – nicht nur die ÖVP – kräftig verloren hat;
aber natürlich hat sie sich durch einen Wechsel im Obmann zunächst einmal die erste
Position erhalten. Die wirkliche Fragestellung aber ist, ob nach diesem wirklich dramatischen
Erfolg für die FPÖ und für das BZÖ eine Koalition der beiden gegenwärtigen Regierungsparteien
überhaupt noch möglich ist... Rein mathematisch geht es natürlich auf, aber es ist
wirklich die Frage, ob eine Koalition der Verlierer sehr klug ist. Das ist vor allem
eine Problemstellung für die ÖVP – ob damit ihre Zukunft gesichert ist...“
Allerdings,
so Busek nüchtern: Alle anderen mathematisch möglichen Kombinationen seien schwer
vorstellbar, weil etwa SPÖ-Faymann vor der Wahl eine Koalition mit der FPÖ deutlich
ausgeschlossen hat. Die nächste Zeit werde von allerlei Koalitions-Sondierungen erfüllt
sein, aber ob das politische System Österreichs damit stabiler werde, das sei doch
sehr die Frage. Wichtig sei, jetzt die tieferen Gründe wahrzunehmen, die zum Erstarken
der beiden Rechtsparteien geführt hätten.
„Es ist auf jeden Fall ein Protest-Phänomen
gegen die beiden doch relativ schon lange an der Macht befindlichen Parteien. Außerdem
kommt dazu, dass wohl eine Reihe von Themen dazu geführt hat, dass die Kritik diesen
beiden Parteien (FPÖ und BZÖ) in die Hände gearbeitet hat. Da ist es vor allem das
Thema der Immigration: Es scheinen eben doch nicht alle Lösungen so gelungen zu sein,
dass man davon reden könnte, es sei ohne Schwierigkeiten abgegangen. Es sind die Unsicherheiten
im wirtschaftlichen Bereich und – in einer geringeren Weise – auch die Perzeption
der gesamten europäischen Entwicklung.“
Angetreten war eigentlich jede
größere Partei mit einem Programm, in dem Katholiken auch manches Widrige entdecken
konnten. Wilhelm Molterer von der ÖVP etwa versuchte, mit der Ankündigung zu punkten,
nach der Wahl werde die so genannte Homo-Ehe legal. Wie sieht Erhard Busek die Chancen,
dass sich Katholiken in Österreich politisch durchsetzen?
„Es ist vielleicht
die Schwierigkeit, aber (ich gebe zu, das ist eine sehr persönliche Stellungnahme)
die Position der Katholiken in Österreich ist nicht sehr konsistent – also relativ
divergent. Neben den Familienpositionen und auch den Fragen des Lebens gibt es durchaus
auch wieder andere Positionen, die nur von Teilen innerhalb der katholischen Kirche
selbst geteilt werden. Die katholische Kirche hat sich natürlich aus dem Wahlkampf
herausgehalten, aber dass sie quasi eine Verstärkung für bestimmte Positionen hier
erfährt, das würde das Wahlergebnis nicht widerspiegeln.“
Das ist eine
Diagnose, die Österreichs Bischöfen noch zu schaffen machen wird. Und politisch? Da
scheint Wien jetzt zur Wiederkehr des Immergleichen, zu einer Neuauflage der Großen
Koalition, nahezu verdammt, wenn man Busek folgt.
„Ich persönlich bin natürlich
ein Vertreter der gegenwärtigen Regierungskoalition, befürchte aber, dass es für die
ÖVP zu einer Überlebensfrage wird, hier wieder in eine Große Koalition hineinzugehen.
Ich zweifle nämlich daran, ob es überhaupt möglich ist, zwischen den beiden Parteien
SPÖ und ÖVP eine andere Vorgehensweise zu finden als die wenig glückhafte, die wir
in der letzten Zeit hatten; denn es sind schließlich dieselben Personen. Sie können
natürlich Spitzenleute auswechseln, aber die mittlere Ebene verhält sich doch gewissermaßen
gleich. Möglicherweise würde es Sinn machen, doch neue Kombinationen zu wählen – um
den Preis, dass die Stabilität nicht unbedingt gegeben ist, aber die war ja jetzt
schon mit den beiden Parteien auch nicht gegeben. Es ist ja die Ironie, dass wir an
sich die Gesetzgebungsperioden verlängert haben von vier auf fünf Jahre – aber keiner
kann garantieren, dass sie auch wirklich einmal fünf Jahre halten.“