2008-09-29 11:05:28

Österreich-Wahl: „Katholiken gespalten“. Interview mit E. Busek


RealAudioMP3 Götterdämmerung in Österreich: Bei den Wahlen am Sonntag sind beide großen Parteien, ÖVP wie SPÖ, unter die dreißig Prozent gerutscht. Die rechten Parteien FPÖ und BZÖ haben hingegen deutlich hinzugewonnen. Jetzt will zwar die SPÖ unter Werner Faymann als stärkste Partei eine Regierung bilden, die Rechtsaußen-Politiker wie Jörg Haider oder Heinz-Christian Strache von der Macht in Wien fernhält. Aber das Urgestein der österreichischen Politik, Erhard Busek, hat seine Zweifel, ob diese Rechnung aufgehen wird.

„Die SPÖ ist ein relativer Wahlsieger, weil auch sie – nicht nur die ÖVP – kräftig verloren hat; aber natürlich hat sie sich durch einen Wechsel im Obmann zunächst einmal die erste Position erhalten. Die wirkliche Fragestellung aber ist, ob nach diesem wirklich dramatischen Erfolg für die FPÖ und für das BZÖ eine Koalition der beiden gegenwärtigen Regierungsparteien überhaupt noch möglich ist... Rein mathematisch geht es natürlich auf, aber es ist wirklich die Frage, ob eine Koalition der Verlierer sehr klug ist. Das ist vor allem eine Problemstellung für die ÖVP – ob damit ihre Zukunft gesichert ist...“

Allerdings, so Busek nüchtern: Alle anderen mathematisch möglichen Kombinationen seien schwer vorstellbar, weil etwa SPÖ-Faymann vor der Wahl eine Koalition mit der FPÖ deutlich ausgeschlossen hat. Die nächste Zeit werde von allerlei Koalitions-Sondierungen erfüllt sein, aber ob das politische System Österreichs damit stabiler werde, das sei doch sehr die Frage. Wichtig sei, jetzt die tieferen Gründe wahrzunehmen, die zum Erstarken der beiden Rechtsparteien geführt hätten.

„Es ist auf jeden Fall ein Protest-Phänomen gegen die beiden doch relativ schon lange an der Macht befindlichen Parteien. Außerdem kommt dazu, dass wohl eine Reihe von Themen dazu geführt hat, dass die Kritik diesen beiden Parteien (FPÖ und BZÖ) in die Hände gearbeitet hat. Da ist es vor allem das Thema der Immigration: Es scheinen eben doch nicht alle Lösungen so gelungen zu sein, dass man davon reden könnte, es sei ohne Schwierigkeiten abgegangen. Es sind die Unsicherheiten im wirtschaftlichen Bereich und – in einer geringeren Weise – auch die Perzeption der gesamten europäischen Entwicklung.“

Angetreten war eigentlich jede größere Partei mit einem Programm, in dem Katholiken auch manches Widrige entdecken konnten. Wilhelm Molterer von der ÖVP etwa versuchte, mit der Ankündigung zu punkten, nach der Wahl werde die so genannte Homo-Ehe legal. Wie sieht Erhard Busek die Chancen, dass sich Katholiken in Österreich politisch durchsetzen?

„Es ist vielleicht die Schwierigkeit, aber (ich gebe zu, das ist eine sehr persönliche Stellungnahme) die Position der Katholiken in Österreich ist nicht sehr konsistent – also relativ divergent. Neben den Familienpositionen und auch den Fragen des Lebens gibt es durchaus auch wieder andere Positionen, die nur von Teilen innerhalb der katholischen Kirche selbst geteilt werden. Die katholische Kirche hat sich natürlich aus dem Wahlkampf herausgehalten, aber dass sie quasi eine Verstärkung für bestimmte Positionen hier erfährt, das würde das Wahlergebnis nicht widerspiegeln.“

Das ist eine Diagnose, die Österreichs Bischöfen noch zu schaffen machen wird. Und politisch? Da scheint Wien jetzt zur Wiederkehr des Immergleichen, zu einer Neuauflage der Großen Koalition, nahezu verdammt, wenn man Busek folgt.

„Ich persönlich bin natürlich ein Vertreter der gegenwärtigen Regierungskoalition, befürchte aber, dass es für die ÖVP zu einer Überlebensfrage wird, hier wieder in eine Große Koalition hineinzugehen. Ich zweifle nämlich daran, ob es überhaupt möglich ist, zwischen den beiden Parteien SPÖ und ÖVP eine andere Vorgehensweise zu finden als die wenig glückhafte, die wir in der letzten Zeit hatten; denn es sind schließlich dieselben Personen. Sie können natürlich Spitzenleute auswechseln, aber die mittlere Ebene verhält sich doch gewissermaßen gleich. Möglicherweise würde es Sinn machen, doch neue Kombinationen zu wählen – um den Preis, dass die Stabilität nicht unbedingt gegeben ist, aber die war ja jetzt schon mit den beiden Parteien auch nicht gegeben. Es ist ja die Ironie, dass wir an sich die Gesetzgebungsperioden verlängert haben von vier auf fünf Jahre – aber keiner kann garantieren, dass sie auch wirklich einmal fünf Jahre halten.“

(rv 29.09.2008 sk)







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