„Ya basta! Jetzt reicht´s!”
Das hört man nicht nur auf Mexikos Straßen. Auch die Bischöfe haben das Volumen aufgedreht.
Mehr als 3000 Gewaltopfer in diesem Jahr, zumeist im Drogenmilieu; über 300 Entführungen
zur Erpressung von Lösegeld; und zuletzt 8 Tote und über 100 Verletzte bei einem Attentat
im Bundesstaat Michoacan. Diese Zahlen reiben die Nerven der sonst sehr gutmütigen
Mexikaner auf. Auch die Kirche meldet sich zu Wort und fordert von der Regierung Durchgreifen.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Carlos Aguiar Retes, erklärt die Gründe für
die Gewalt so:
„Das ist eine schwerwiegende Folge des Umstands, dass es
in Mexiko keine Gerechtigkeit gibt. Das Land erlebt seit Jahrzehnten, wie Verbrecher
straflos ausgehen. Die Bevölkerung hat dadurch das Vertrauen verloren, dass die Institutionen
auch wirklich Recht walten lassen. Vor allem zweifeln die Bürger an den Beamten, die
ihre Beschwerden entgegennehmen und die eigentlich polizeiliche Ermittlungen einleiten
müssten. Wegen dieser internen Korruption im Justizwesen und der unkoordinierten Arbeit
der verschiedenen Polizeieinheiten im Land war es dem organisierten Verbrechen möglich,
diese Instanzen zu infiltrieren.“
Alle wissen, dass es so nicht weitergehen
kann. Seit seinem Amtsantritt versucht Präsident Felipe Calderon Hinojosa, die Situation
irgendwie in den Griff zu bekommen. Doch er kämpft gegen eine Hydra – und zu allem
Überfluss sind sich auch Experten und Parlamentarier uneinig, wie dem Problem überhaupt
beizukommen wäre.
„Die Kirche hat die Regierung immer unterstützt bei ihrer
Suche nach einer legalen Lösung. Im Moment wird im Parlament eine Reform diskutiert,
die darauf abzielt, dass die verschiedenen Polizeieinheiten besser koordiniert werden.
Wir hoffen und vertrauen darauf, dass man eine Lösung findet, damit wieder Sicherheit
im Land einkehrt.”
Reicht es denn, wenn die Kirche in Hirtenbriefen ruft
„Ya basta”, Es reicht? Warum geben Bischöfe oder Kardinäle kein sichtbares Zeichen
und nehmen zum Beispiel mal an einer Demonstration teil?
„Das liegt wohl
an unserer Tradition. Die Kirche in Mexiko ist immer sehr diskret gewesen. Daher ist
es auch schwer vorstellbar, dass ein Repräsentant der Kirche, etwa ein Kardinal, auf
die Straße geht und sich über jemanden oder etwas beschwert. Was in Europa vielleicht
möglich ist, wäre in Mexiko ein Paradigma, das zu nichts führen würde. Andererseits
sind wir überzeugt (und das haben wir auch klar gesagt), dass man nicht immer gegen
alles mit einem Protestmarsch demonstrieren muss. Sondern wir brauchen Institutionen,
die wirksam arbeiten. Das war schon seit jeher eine Botschaft der Kirche. Wir glauben:
Der Grund für unsere Probleme liegt darin, dass wir nicht genug tun, damit die Behörden
funktionieren, und daß wir stattdessen immer glauben, es reiche, auf die Regierung
Druck auszuüben.“
Ein Bericht unserer Mexiko-Korrespondentin Brigitte
Schmidt.