Nur ein Papst, der
„schweigend“ handelte, konnte im Zweiten Weltkrieg Juden retten. Das bekräftige Benedikt
XVI. am Donnerstag vor einer Gruppe der jüdisch-katholischen „Pave The Way Foundation“
aus den USA, die er in Audienz empfing. Wir haben dem deutschen Rabbiner Walter Homolka,
Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs an der Universität Potsdam, Benedikts Redetext vorgelegt
und fragten ihn zunächst, wie er zur Aussage des Papstes steht, dass nur ein im Hintergrund
agierender Pius XII. Schlimmeres verhindern konnte:
„Ich halte das für
diskussionswürdig. Mir ist klar, dass Pius XII. der Meinung war, Sprechen würde den
Zustand „dieser Unglücklichen“, wie er sich einmal ausgedrückt hat, nur noch verschlimmern.
Aber auf der anderen Seite steht das Beispiel der Ehefrauen, die vor der zentralen
Sammelstation in Berlin versucht haben, ihre jüdischen Ehemänner herauszubekommen,
und diese nichtjüdischen Ehefrauen haben damals sehr laut geschrieen, mitten in Berlin.
Und merkwürdigerweise ist dann das Regime zurückgerudert. Dieses Beispiel zeigt, dass
ein Deutlichmachen und Anprangern schon auch Menschen zum Widerstand aufrufen kann.
Insofern wäre es mir persönlich lieber gewesen, man hätte das nicht so still und leise
und diplomatisch getan, wie das Pius XII. wohl getan hat – allerdings finde ich durchaus
verdienstvoll, wenn nun in dieser Tagung der „Pave the Way Foundation“ deutlich wurde
der stille Einsatz da, wo Pius XII. es für möglich erachtet hat. Das Problem ist nur,
dass durch einen solchen stillen Einsatz er eigentlich keine Vorbildfunktion für wirklichen
Widerstand wahrnehmen konnte.“
Orten Sie als Beobachter in der jüdischen
Welt einen Meinungsumschwung, was Pius betrifft?
„Das glaube ich nicht.
Die generelle Haltung des Judentums wird wohl eher durch einen anderen Sprecher des
Judentums wieder gegeben, nämlich Rabbiner David Rosen. Und der hat zu diesem Sachverhalt
geäußert, die Wahrheit liege zwischen Komplizenschaft mit den Nazis und Heldenhaftigkeit.
Auf gut Deutsch: Pius XII. war weder ein Held, noch war er ein Komplize der Nazis.“
Meinen Sie, dass Benedikt als deutscher Papst aus diplomatischen Gründen
im weitesten Sinn von einer Seligsprechung des Pacelli-Papstes absehen wird?
„Nach
der Erfahrung, die wir dieses Frühjahr mit der selbstformulierten neuen Karfreitagsfürbitte
gemacht haben, bin ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob auf solche diplomatischen
Feinsinnigkeiten eingegangen wird. Ich gehe eigentlich davon aus, wenn er den Plan
hat, Pius XII. selig zu sprechen, ist seine Aussage bei der Audienz ein weiterer Baustein,
um das auch zu tun.“ (rv 19.09.2008 gs)