Botschafter Horstmann: Zum Dialog von Glaube und Vernunft
Glaube und Vernunft
- das ist eines der grossen Themen im Pontifikat von Benedikt XVI., und es treibt
auch den deutschen Vatikanbotschafter Hans-Henning Horstmann um. Mit einem Kongress
in Rom will der Diplomat am Monatsende Religion und Wissenschaft neu ins Gespräch
miteinander bringen. Einzelheiten hören Sie in seiner Audio-Kolumne für Radio Vatikan
von diesem Freitag. Sehr verehrte Hörerinnen, sehr verehrte Hörer,
Das
Verhältnis von Glauben und Vernunft, Religion und Wissenschaft ist seit der griechischen
Antike ein zentrales Thema der europäischen Kultur. Viele Theologen, Philosophen und
Naturwissenschaftler haben sich mit dieser Thematik seit Jahrhunderten beschäftigt.
Es ist zugleich eine zentrale Frage in der Theologie von Papst Benedikt XVI., der
seine jahrzehntelangen Überlegungen hierzu in seiner Regensburger Vorlesung von 2006
zusammengefasst hat. Seine Gedanken haben der Debatte neuen Schwung gegeben. Die
katholische Kirche hatte auf dem Gebiet der Wissenschaften über Jahrhunderte hinweg
die Meinungshoheit über Forschung und Lehre, bis mit der Reformation und dem Humanismus
sowie der Aufklärung die Wissenschaft eine neue Eigenständigkeit gegenüber den Lehren
der katholischen Kirche gewann. In der Folge ist es ihr oft schwer gefallen, ihre
Positionen aufzugeben, die durch die Forschungsergebnisse der Naturwissenschaften
unhaltbar geworden waren. Die Wissenschaft folgte ihrerseits immer wieder der Versuchung,
auch das letzte Wesen der Dinge erklären zu wollen. Die Geschichte der Wissenschaft,
ausgehend von den alten Griechen wie Pythagoras oder Euklid zu den Entdeckungen Galileo
Galileis, über das Zeitalter der Aufklärung bis hin zu den molekularbiologischen Forschungen
von heute zeigt: der Mensch ist neugierig, er will Neues entdecken, versucht ständig,
sich selbst und die Welt zu erforschen; er will wissen, um zu verstehen. Am Beispiel
von Naturwissenschaften wie der Medizin, die heute in der Lage ist, Krankheiten zu
heilen, die noch vor wenigen Jahrzehnten als unheilbar galten, wird deutlich, welch
großen Wert die Wissenschaft für den Menschen hat. Auch vermeintlich banale Gegenstände
des alltäglichen Lebens zeigen die Bedeutung der Wissenschaft für den Menschen: z.B.
Auto, Computer, Telefon, Radio. Die Förderung der Wissenschaften in Deutschland
ist eine Erfolgsgeschichte. Innovative Erfindungen und Patente prägen die deutsche
Zivilisation und Kultur. Zu Recht können wir uns „Wissenschaftsnation“ nennen. Im
deutschen Grundgesetz ist die Freiheit der Wissenschaft in Artikel 5, Absatz 3 festgeschrieben:
„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet
nicht von der Treue zur Verfassung“. Die Freiheit der Wissenschaft stößt dort an
ihre Grenzen, wo sie die Freiheit und Würde des Einzelnen verletzt. Es ist daher lebenswichtig,
dass moderne Naturwissenschaftler sich in ihrem Handeln ihrer moralischen und gesellschaftlichen
Verantwortung bewusst sind. „Die Tragweite der Wissenschaft heute - Glaube und
Vernunft auf dem Prüfstand“ ist das Thema einer Konferenz, die am 26. und 27. September
in der Päpstlichen Universität Gregoriana stattfindet. Sie wird von der Deutschen
Botschaft beim Heiligen Stuhl und der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung veranstaltet.
Auf ihr werden Wissenschaftler und Theologen von Rang aus ganz Europa zusammenkommen
und ihre Gedanken austauschen. Das Programm dieser Konferenz beginnt mit einer
Annäherung an das Thema unter vier Aspekten: der Ökonomie, der Naturwissenschaft,
der Philosophie und der Theologie; es schließt mit einer Diskussion, die drei Fragen
in Anlehnung an Kant ausdrücklich in den Blick nimmt: Was sollen wir wissen? Was müssen
wir tun? Was dürfen wir hoffen? Ich bin zuversichtlich, dass wir impulsgebende
Referate und fruchtbare Diskussionen erleben werden. Einzelheiten zum Programm und
zu den Teilnehmern können unter www.vatikan.diplo.de eingesehen werden. Wissenschaftliche
Forschungsergebnisse werden auch künftig unser Leben prägen. Die katholische Kirche
und ihr Oberhaupt Papst Benedikt XVI., der sich als Professor der Theologie ausgiebig
mit dem Thema „Glaube und Vernunft“ auseinander gesetzt hat, stellen eine wichtige
moralische Instanz dar, die in der Lage ist, der Wissenschaft ihre ethischen Grenzen
zu verdeutlichen. Religion und Wissenschaft müssen auch in Zukunft im Dialog stehen,
sich gegenseitig ernst nehmen und ergänzen. Die gegenwärtige Debatte über die medizinische
Definition des Todes zeigt beispielhaft die Notwendigkeit, die Ergebnisse der Wissenschaft
auch an den Grundwerten der Religion zu messen. (rv 05.09.2008 sk)